Stahlindustrie: Grüner Stahl als Zukunftsgarant?

    Saarländische Stahlindustrie:Grüner Stahl als Zukunftsgarant?

    von Claudia Oberst
    |

    Die saarländische Stahlindustrie hat einen zwei Milliarden teuren Vertrag unterzeichnet, um die Produktion auf grünen Stahl umzustellen. Die Branche setzt alles auf eine Karte.

    Die älteren Hochöfen Schwelgern von thyssenkrupp sind in Duisburg, Deutschland, in Betrieb, da der Stahlhersteller am Dienstag, 8. Oktober 2024, ehrgeizige Pläne hat, grünen Stahl mit Wasserstoff anstelle von mit Milliarden Euro von der Bundesregierung subventionierter Kohle zu produzieren.
    Grüner Stahl soll Hoffnung für die deutsche Industrie bringen. Aufgrund von Kostensteigerung droht ThyssenKrupp jedoch die Produktion abzubrechen.10.10.2024 | 1:35 min
    "Der Stift gehört ins Museum", scherzt Stefan Rauber, Vorstandsvorsitzender der Dillinger Hüttenwerke und Saarstahl AG. Mit dem Schreiber hat er gerade einen zwei Milliarden Euro schweren Vertrag unterschrieben: die Bestellung der zentralen Anlagen, mit denen die klimaneutrale Transformation der Stahlproduktion erfolgen soll.
    Eine Direktreduktionsanlage (DRI) und zwei Elektrolichtbogenöfen kauft die Stahl-Holding-Saar (SHS) damit für ihre Produktionsstätten in Dillingen und Völklingen. Die DRI-Anlage wird Eisenpellets produzieren - mit Hilfe von Erdgas und Wasserstoff. In den Elektrolichtbogenöfen wird aus den Eisenpellets unter Beifügung von Schrott der Kohlenstoffdioxid-reduzierte "grüne" Stahl hergestellt. Damit wollen die Saarländer weg von der Kohle, mit der im Moment noch der Stahl produziert wird.

    Wir setzen jetzt das größte Dekarbonisierungsprojekt in Deutschland und Europa um.

    Stefan Rauber, Vorstandsvorsitzender der Dillinger Hüttenwerke und Saarstahl AG

    "Die Finanzierung läuft, wir sprechen mit den Banken, wir liegen da voll mit dabei", so Rauber.
    Stahlfabrik
    Der Stahlkonzern ThyssenKrupp prüft erneut sein Milliardenprojekt zur Herstellung von grünem Stahl mit Wasserstoff. Land und Bund sind nicht begeistert, dass das Projekt auf der Kippe steht.10.10.2024 | 1:50 min

    Insgesamt 4,6 Milliarden Euro für grünen Stahl von der Saar

    4,6 Milliarden Euro kostet der Umbau auf eine grüne Stahlproduktion insgesamt. 2,6 Milliarden geben Bund und Land, die restlichen zwei Milliarden finanziert das Unternehmen. Im Januar brachte Wirtschaftsminister Robert Habeck den Scheck an die Saar, jetzt geht es an die konkrete Umsetzung.
    Die neuen Anlagen können 3,5 Millionen Tonnen Rohstahl pro Jahr produzieren. Das entspricht 70 Prozent der Gesamtkapazität der SHS. Die Inbetriebnahme ist für 2028/2029 vorgesehen. In der Übergangszeit werden parallel der neue grüne Stahl und der klassische CO2-intensivere Stahl produziert werden.
    SGS Frank Bethmann Stahl
    ThyssenKrupp droht die Produktion von grün hergestelltem Stahl abzubrechen. Könnten sie mit herkömmlichem Stahl weitermachen? Dazu ZDF-Börsenexperte Frank Bethmann.10.10.2024 | 1:02 min

    Grüner Stahl, um wettbewerbsfähig zu bleiben

    Die Saarländer setzen auf grünen Stahl um in Zukunft international wettbewerbsfähig zu bleiben. Dass Thyssenkrupp überlegt, den Bau seiner Grünstahl-Anlage zu stoppen, scheint die SHS-Gruppe nicht zu beunruhigen. "Wir beobachten das natürlich, was da passiert. Aber wir machen hier unser Ding und wir schauen auch nur auf uns", sagt Rauber im Interview mit ZDFheute. Dass durch einen möglichen Rückzug ThyssenKrupps der Ausbau des Wasserstoff-Kernnetzes verzögert werden könnte, bereitet ihm keine Sorgen.
    "Ich glaube nicht, dass das ein Problem wird, weil wir werden hier zum größten Wasserstoffabnehmer weit und breit, wahrscheinlich bis zur BASF hin nach Ludwigshafen. Insofern wird die Nachfrage unsererseits da sein und dann wird auch das Angebot kommenn - das sind auch die Rückmeldungen, die wir aus allen Gesprächen mit den Versorgern haben", so Rauber.
    Thumbnail Am Puls mit Florian Neuhann - Made in Germany am Ende?
    Ein Autozulieferer kürzt ein Viertel der Jobs, der andere meldet Insolvenz an. Stahlkonzerne schreiben rote Zahlen. Kein Tag ohne Hiobsbotschaften. "Made in Germany" am Ende?03.10.2024 | 53:39 min

    Forderung nach Industriestrompreis und Schutz vor Wettbewerb

    Eins wird auf der Pressekonferenz deutlich: Ohne Hilfe aus der Politik wird die Umstellung wohl keinen Erfolg haben. Industriestrompreis und Schutz vor subventionierten Billigimporten sind zwei der Hauptanliegen der saarländischen Stahlhersteller. Aktuell liege der Strompreis bei 12 Cent pro Kilowattstunde, nötig seien weniger als vier Cent pro Kilowattstunde, so ein Unternehmenssprecher.

    Die Bundesregierung muss alles dafür tun, um den Strompreis nach unten zu kriegen - und zwar nicht nur wegen uns, sondern wegen der gesamten deutschen Wirtschaft, wegen der gesamten deutschen Industrie.

    Stefan Rauber, Vorstandsvorsitzender der Dillinger Hüttenwerke und Saarstahl AG

    Auch brauche es Schutz vor Billigimporten aus China. Hier müsse die EU-Kommission stabile Rahmenbedingungen schaffen.
    Indien und ‚Made in Germany‘
    In Zeiten, in denen Deutschlands Wirtschaft kriselt, verlagern Firmen ihre Produktion ins Ausland. Zum Beispiel verstärkt nach Indien, wo Arbeitskräfte günstig sind und die Energiepreise niedrig.16.09.2024 | 2:19 min

    400 bis 600 Jobs werden wegfallen

    Der Betriebsrat sieht die Transformation als Chance, langfristig Arbeitsplätze im Saarland zu sichern und zu entwickeln. Mitarbeiter sollen umgeschult werden. Allerdings werde man nicht alle Stellen halten können, wie Michael Fischer, Betriebsratchef der Dillinger Hütte, einräumt. Die neuen Anlagen seien hochautomatisiert, weshalb es weniger Arbeitsplätze am Standort geben werde.
    "Hier ist der Standort Dillingen am stärksten betroffen, weil hier die Hochöfen, die Zentralkokerei, die Sinteranlage, die Möllerungen abgeschaltet werden und hier an der Stelle nicht eins zu eins die Ersatzarbeitsplätze zur Verfügung stehen", sagt Fischer im Interview mit ZDFheute. 400 bis 600 Jobs würden wegfallen, allerdings sollen keine Kündigungen ausgesprochen werden. Der Abbau soll über Verrentung erfolgen.
    Grüner Stahl als Zukunftsgarant. Die Saarländer setzen alles auf eine Karte, wollen das innovativste Stahlunternehmen Europas werden. "Wir erfinden uns neu", sagt Stefan Rauber. "Es geht um die Zukunft eines ganzen Industriezweiges, um die Zukunft von 13.000 Menschen, die hier arbeiten."
    Stahlgipfeldemo in Duisburg
    Die Stahlindustrie soll klimaneutral werden. Doch viele Mitarbeiter bangen um ihre Arbeitsplätze. Billigerer Stahl aus China sorgt für große Konkurrenz. 16.09.2024 | 0:26 min

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

    Sie wollen stets auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie bei unserem ZDFheute-WhatsApp-Channel genau richtig. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Mini-Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: ZDFheute-WhatsApp-Channel.

    Mehr zum Wirtschaftsstandort Deutschland