NGO-Finanzierung: Was hinter der Anfrage der Union steckt

    FAQ

    Wirbel um Finanzierung von NGOs:Was hinter der Anfrage der Union steckt

    von Oliver Klein, Jan Henrich, Dorthe Ferber
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    Die Union stellt 551 Fragen zur NGO-Finanzierung und erntet Kritik. Worum geht es dabei - und müssen geförderte Vereine neutral sein? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

    Demonstranten der Bewegung Omas gegen Rechts demonstrieren unter dem Motto Omas gegen Merz vor der CDU-Zentrale in Berlin um gegen migrationspläne Pläne von Friedrich Merz zu protestieren
    Demonstration von Omas gegen Rechts.
    Quelle: Imago

    Eine parlamentarische Anfrage der Unionsfraktion zur Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sorgt für Aufregung. Scharfe Kritik kommt von der SPD: Der Antrag sei "ein Foulspiel" und stelle Organisationen, die sich für Demokratie einsetzten, "an den Pranger", sagte Parteichef Lars Klingbeil am Mittwoch in Berlin. Empörung auch bei Linken und Grünen, die einen "Angriff auf die Zivilgesellschaft" sehen.
    Worum genau geht es in der Unions-Anfrage und was ist ihr Ziel? Wie und unter welchen Bedingungen fördert der Staat NGOs - und müssten die nicht eigentlich politisch neutral sein? ZDFheute mit einem Überblick.
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    Worum geht es bei der Unions-Anfrage?

    Die CDU/CSU-Fraktion erkundigt sich mit 551 Fragen danach, welche gemeinnützigen Körperschaften in der abgelaufenen Wahlperiode mit Bundesmitteln gefördert wurden. Die Union fordert damit die Überprüfung der NGOs, die staatliche Förderung erhalten: Das sind gemeinnützige NGOs, die also steuerbegünstigt Spenden erhalten und NGOs, die direkt Zuschüsse aus dem staatlichen Haushalt bekommen. Die Union beruft sich dabei auf Urteile des Bundesfinanzhofs, die bestimmen, dass staatlich mitfinanzierte Körperschaften zu politischer Neutralität verpflichtet sind.
    Allein zum Verein Omas gegen Rechts hat die Union 25 Fragen. Beispiel: "Gibt es Fälle, in denen der Verein Omas gegen Rechts Deutschland e. V. explizit für oder gegen eine Partei geworben hat?" Jeweils gleichlautende Fragen werden auch zu 16 weiteren Institutionen gestellt.
    Die Union schreibt in ihrer Anfrage, die Einmischung der NGOs in die politische Meinungsbildung könnte "ein Verstoß gegen die demokratische Grundordnung sein". Öffentlich gefördertes Engagement dürfe "nicht zu parteipolitischen Zwecken eingesetzt werden", sagt Fraktionsvize Mathias Middelberg.

    Was steckt dahinter?

    Ein Grund für die Unions-Anfrage mag der ad-hoc-Protest mit Demonstrationen gegen Oppositionsführer Merz gewesen sein, nach dessen Entschließungsantrag, für den er die Stimmen der AfD in Kauf genommen hat. Als direkt vor der Parteizentrale demonstriert wurde, schickte die CDU ihre Mitarbeiter sogar aus dem Konrad-Adenauer-Haus ins Homeoffice.
    Brisant: Das von den Grünen geführte Familienministerium, das Bundesprogramme wie "Demokratie leben!" verantwortet, verschickte am 12. Februar aus "aktuellem Anlass" ein Schreiben an die Geförderten. Die Bundesregierung sei zur staatlichen Neutralität verpflichtet, heißt es, und fördere keine Maßnahmen, die zielgerichtet für eine politische Partei werben oder zielgerichtet gegen eine politische Partei Einfluss nehmen. Und setzt nachdrücklich hinzu: Es dürften keine Logos eines Bundesprogramms auf solchen Demos verwendet werden.
    Seit Jahren gibt es politischen Streit darüber, wer überhaupt staatliche Zuwendungen bekommen soll. Ein "Demokratiefördergesetz" wurde schon zu Zeiten der Großen Koalition angestrebt - einigen konnten sich Union und SPD nicht, und auch in der Ampel klappte das nicht.
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    Wolfgang Kubicki von der FDP bezeichnete die Geförderten des "Demokratie leben!"-Programms als "weit überwiegend Vorfeldorganisationen von SPD, Grünen und Linken". Die Kleine Anfrage der Union geht jetzt auch diese Richtung.

    Wie fördert der Staat zivilgesellschaftliche Vereine?

    Die kleine Anfrage der Union bezieht sich insbesondere auf zwei Varianten, mit denen Organisationen direkt oder indirekt gefördert werden können. Zum einen geht es um den Status der Gemeinnützigkeit, der steuerrechtliche Vorteile mit sich bringt. So können beispielsweise Spenden an einen gemeinnützigen Verein bei der Einkommenssteuer geltend gemacht werden.
    Zum anderen wird die Unterstützung durch unmittelbare staatliche Fördergelder angesprochen. Solche Mittel werden meist im Rahmen von Förderprogrammen für konkrete Projekte zugewiesen. Als Beispiel hierfür ist das Programm "Demokratie leben!" des Bundesfamilienministeriums genannt, bei dem ab 2025 rund 580 Projekte mit einem jährlichen Fördervolumen von 182 Millionen Euro gefördert werden.

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    Der von der Union kritisierte Verein Omas gegen Rechts taucht in der Liste der aktuell geförderten Projekte des Bundesprogramms nicht explizit auf. Aus einer Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Sven Lehmann vom Juli 2024 auf eine Frage eines AfD-Abgeordneten geht allerdings hervor, dass dem Verein beispielsweise im Rahmen eines Demokratie-Projekts der Stadt Bamberg Mittel in Höhe von 4.112 Euro für Einzelmaßnahmen weitergeleitet wurden.
    Als gemeinnützig sind die Omas gegen Rechts nach eigenen Angaben nicht anerkannt, sie erhalten dementsprechend auch keine Steuervorteile.

    Welche Bedingungen gibt es für die Förderung?

    Werden staatliche Mittel ausgeschüttet, sind diese fast immer an konkrete Projekte gebunden, die vorher festgelegten Förderrichtlinien entsprechen müssen. Das Bundesprogramm "Demokratie leben!" bezieht sich beispielsweise auf Projekte in den Bereichen "Demokratieförderung, Vielfaltsgestaltung und Extremismusprävention". Die Projektgebundenheit werde auch überprüft, sagt Politikwissenschaftler Maximilian Schiffers von der Universität Duisburg-Essen. Für die allgemeine politische Arbeit der Organisationen spiele diese Art der Förderung deshalb keine relevante Rolle.
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    In ihrer Anfrage geht die Union unter anderem auch auf Correctiv ein. Das Medienunternehmen erhält tatsächlich Mittel aus dem Bundesprogramm "Demokratie leben!", allerdings gezielt für ein Projekt mit dem Namen "Brandherd Desinformation: Schulungen zum Umgang mit TikTok in Feuerwehr und Vereinswesen".

    Müssen gemeinnützige Vereine politisch neutral sein?

    Was parteipolitische Aktivitäten angeht, müssen Organisationen, die als gemeinnützig eingestuft sind, vorsichtig sein. Im Gegenzug für steuerrechtliche Erleichterungen wird erwartet, dass mit dem Engagement die Allgemeinheit im Rahmen der von § 52 der Abgabenordnung genannten Zwecke gefördert wird. 2019 hatte der Bundesfinanzhof entschieden, dass der Nichtregierungsorganisation Attac der Gemeinnützigkeitsstatus aufgrund ihrer politischen Aktivitäten aberkannt wird.

    Einflussnahme auf politische Willensbildung und öffentliche Meinung ist kein eigenständiger gemeinnütziger Zweck.

    Aus der Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu Attac

    Generell ausgeschlossen sind politische Äußerungen von gemeinnützigen Vereinen damit allerdings nicht, insbesondere dann nicht, wenn sie dem Vereinszweck entsprechen. Ein Verein für Klimaschutz kann beispielsweise umweltpolitische Forderungen aufstellen und diese auch auf einer Demonstration äußern.

    Debatte um Gemeinnützigkeit
    :NGOs für Demokratie: Gemeinnützig oder nicht?

    Auf den Straßen und im Netz mobilisieren Attac und Campact gegen Rechtsextreme. Erhalten die politisch engagierten Organisationen bald den Status der Gemeinnützigkeit zurück?
    von Marcel Burkhardt
    Aktivisten der Organisation "Attac" bei Protesten (Archivbild)

    Was sagen die Betroffenen?

    Die betroffenen NGOs reagieren entsetzt. "Wir sehen darin einen Versuch, eine demokratische, zivilgesellschaftliche Bewegung von unten zu delegitimieren, indem man ihr den Missbrauch von Zuwendungen aus Steuergeldern zur einseitigen politischen Agitation unterstellt", sagt Marinne Zepp von Omas gegen Rechts.
    Gemeinnützige Organisationen dürften die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung beeinflussen und auch Parteien kritisieren - "ob es der Union passt oder nicht", sagt Felix Kolb von Campact. "Das Neutralitätsgebot gilt nur für Projekte, die staatlich gefördert werden, aber nicht für sonstige Tätigkeiten der Organisation."
    Und der Politikwissenschaftler Maximilian Schiffers sieht in der einen Tag nach der Bundestagswahl veröffentlichten Anfrage, ein Signal an die zivilgesellschaftlichen Organisationen:

    Die werden es sich jetzt zwei Mal überlegen, ob sie noch mal solche Demonstrationen veranstalten.

    Maximilian Schiffers

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    Quelle: dpa

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    Quelle: mit Material von dpa
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