EU vs. Orban: Stiche gegen Störenfried

    Ungarische Ratspräsidentschaft :EU vs. Orban: Stiche gegen Störenfried

    von Amelie Hamester
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    Wegen seiner diplomatischen Solo-Trips will die EU Orban in die Schranken weisen, könnte aber an ihre Grenzen stoßen. Politikwissenschaftler Uwe Pütter über die Optionen der EU.

    Hinter der ungarischen Flagge und der europäischen steht Victor Orban im dunklen Anzug.
    Victor Orban nutzte die EU-Ratspräsidentschaft Ungarns für Besuche bei Putin und Xi - und verärgerte damit viele in der Europäischen Union.
    Quelle: epa

    Ursula von der Leyen wirkt am vergangenen Donnerstag noch immer aufgebracht: "Vor zwei Wochen reiste ein europäischer Premierminister nach Moskau." Sie spricht vor dem Europaparlament. "Diese sogenannte Friedensmission war nur eine Beschwichtigungsmission", sagt von der Leyen und meint Viktor Orban und seine provokanten Reisen nach Moskau, Peking und Mar-a-Lago zuletzt. Heute könnten Konsequenzen gezogen werden.
    Dieses vom Pressedienst des ukrainischen Präsidenten am 2. Juli 2024 veröffentlichte Foto zeigt den ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelensky (R) beim Händeschütteln mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban während dessen Besuch in Kiew inmitten der russischen Invasion in der Ukraine.
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    Politikwissenschaftler: "Der Ärger in Brüssel ist doch sehr hoch"

    Dass Ursula von der Leyen ihren Missmut in ihrer Bewerbungsrede derart betont hat, wertet Uwe Pütter als eindeutiges Zeichen. Pütter ist Professor für Europäische Politik an der Universität Flensburg. Er schlussfolgert: "Der Ärger in Brüssel ist doch sehr hoch".
    Schließlich ist die halbjährige Ratspräsidentschaft kein rein symbolisches Amt. Sie leitet die informellen Treffen der EU-Minister*innen. Außerdem legt die Ratspräsidentschaft Tagesordnung und Zeitplan fest, in dem wichtige Gesetzesentscheidungen getroffen werden. Dass Orban das Amt für seinen "Ego-Trip", wie ihn einige Stimmen in Brüssel nannten, missbraucht, stößt auf heftige Kritik.

    Politisches Signal der EU-Kommission

    Die EU-Kommission hatte angekündigt, informelle Treffen in der Konsequenz weniger hochrangig zu besetzen. "Die Kommission kann hier so handeln wie auch ein anderes beteiligtes Mitgliedsland", erklärt Pütter. So könne sie zum informellen Ratstreffen in Budapest heute anstatt von Kommissar*innen einen Beamten oder eine Beamtin schicken - eine Art "Downgrade" also.
    "Damit sendet sie das politische Signal, dass man dieses Treffen nicht ganz so ernst nimmt", so Pütter. Eine Maßnahme wäre auch, Ungarn die Ratspräsidentschaft ganz zu entziehen. Dies wäre aber "rechtlich fast unmöglich", erklärt Pütter. Die einzige - wegen hoher Hürden aber unwahrscheinliche - Möglichkeit wäre laut dem Politikwissenschaftler ein Artikel-Sieben-Verfahren. Dabei wird einem Mitgliedsstaat das Stimmrecht entzogen.
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    Eine gemeinsame Position gegen Orban?

    Ob die Mitgliedsstaaten Minister*innen zu informellen Gipfeln entsenden, bleibt ihnen überlassen. So wollen die Niederlande ihren Innenminister zum Treffen heute nach Budapest fahren lassen. Eine gemeinsame Position, ein richtiger "Boykott" bleibt bisher aus. Um ein deutlicheres Signal nach Budapest zu schicken, müssten auch wichtige Mitgliedsstaaten wie Deutschland dem Vorbild der Kommission folgen, meint Pütter.
    Er weist auf die besondere Rolle des Außenbeauftragten Josep Borrell hin. Er könne Mitgliedsstaaten politisch sanktionieren. Findet ein Treffen der Außenminister*innen in Budapest statt, könne Borrell sie gleichzeitig nach Brüssel einladen. Die Außenminister*innen müssten ihm folgen, nicht der Ratspräsidentschaft. Dass dies passiert, ist durchaus wahrscheinlich, so Pütter. Denn Orbans Ausflüge nach Moskau und Co. seien auch ein persönlicher Angriff auf Borrell gewesen.
    Und Orban? Er wird diese Maßnahmen wohl nicht auf sich sitzen lassen, ist sich Pütter sicher: "Ich rechne damit, dass die Situation noch weiter eskaliert." Die kommenden fünfeinhalb Monate könnten also eine weitere Belastungsprobe für die EU werden.
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