Nahost-Experte: "Trumps Einfluss hat Wellen geschlagen"
Interview
Nahost-Experte Bruchmann:"Trumps Einfluss hat Wellen geschlagen"
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Schon vor Amtsantritt habe der künftige US-Präsident Trump zum Deal zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas beigetragen, so Nahost-Experte Sascha Bruchmann.
Sehen Sie hier das Interview mit Nahost-Experte Sascha Bruchmann in voller Länge.15.01.2025 | 21:01 min
Nach mehr als 15 Monaten intensiver Kämpfe haben sich Israel und die islamistische Hamas auf eine Waffenruhe im Gazastreifen geeinigt. Vermittelt wurde das Abkommen durch Katar, das auch die Freilassung von Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge umfasst.
Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani gab bekannt, dass die Waffenruhe am Sonntag in Kraft tritt und zunächst für 42 Tage gelten soll. Es ist die erste dieser Art seit einer Feuerpause vor mehr als einem Jahr und bietet der schwer leidenden Zivilbevölkerung im Gazastreifen Hoffnung auf eine Linderung ihrer Not.
Welchen Einfluss hatte Trump auf das Abkommen?
Nahost-Experte Sascha Bruchmann sieht in dem Abkommen über eine Waffenruhe auch einen Verdienst des designierten US-Präsidenten Donald Trump. "Es sieht so als, als wäre Trumps Unterhändler Steve Witkoff am Samstag nach Israel gereist und hätte sich Ministerpräsident Netanjahu vorgeknöpft", sagt Bruchmann bei ZDFheute live.
Vorgeknöpft sage er deshalb, weil Netanjahu dem Gespräch offenbar ausweichen wollte, was Trump und Witkoff nicht zugelassen hätten. Sie hätten "Druck ausgeübt, dass er diesen Deal jetzt annimmt". Scheinbar hatte Trump einen großen Einfluss auf den Deal.
Der scheidende US-Präsident Joe Biden führte die Einigung maßgeblich auf seinen Einsatz und den seiner Regierung zurück. Die Umsetzung falle aber vor allem in die Regierung seines Nachfolgers, sagte Biden im Weißen Haus. "In den vergangenen Tagen haben wir als ein Team gesprochen", betonte Biden.
Ist der Deal Trumps Erfolg?
Nach Einschätzung von ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen, "tut Trump so, als habe er das gewissermaßen ganz alleine hinbekommen. Das stimmt so nicht". Biden habe den Deal im Mai 2024 vorgeschlagen, alle Einzelpunkte stimmten mit dem jetzigen überein. Der frühere Deal sei daran gescheitert, dass Netanjahu ständig die Bedingungen geändert habe.
Nun komme er zustande, weil sich zwei Dinge geändert haben:
Die Hamas wurde in den letzten Monaten stark geschwächt.
Donald Trump ist ins Amt gekommen. Netanjahu muss nun nicht mehr fürchten, dass Trump auf der Zwei-Staaten-Lösung besteht, wie es bei Joe Biden der Fall war.
Diese veränderte Dynamik habe ein Vertrauensverhältnis zwischen Trump und Netanjahu geschaffen, so Theveßen. Ob daraus eine langfristige Lösung und ein Wiederaufbau unter UN-Aufsicht folgt, hängt davon ab, was Trump und Netanjahu tatsächlich vereinbaren können.
Israel und die radikal-islamische Hamas sollen einen Austausch israelischer Geiseln gegen palästinensische Gefangene vereinbart haben sowie eine Feuerpause im Gazastreifen.15.01.2025 | 1:55 min
Nahost-Experte: Kein guter Deal für Netanjahu
Allerdings falle der Deal für Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nicht besonders positiv aus, da dieser sein Kriegsziel, die Hamas als militärische und politische Institution zu zerstören, nicht erreicht habe, meint Experte Bruchmann. Er frage sich, ob Trump Netanjahu etwas versprochen habe, "das diesen Deal aufwiegt". Die meisten Experten sehen Trump als einen klaren "Pro-Israel"- und "Pro-Netanjahu"-Unterstützer, und die beiden gelten als enge Freunde.
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Mit dem Deal müsse Netanjahu langfristig befürchten, dass sich die Hamas nach einem Abzug des israelischen Militärs wiederaufbaue und in ein paar Jahren womöglich wieder ein Konflikt beginne.
Bruchmann stellt fest, dass trotz der veränderten Dynamik unter Trump keine klare Strategie gegen die Hamas in Israel erkennbar ist. Ob dies langfristig zu einer stabilen Lösung führt, hängt davon ab, was Trump und Netanjahu weiter besprechen.
Sollte sich die israelische Armee aus dem Gazastreifen zurückziehen und möglicherweise auch den Philadelphi-Korridor aufgeben, könnte die Hamas erneut aufrüsten, was langfristig zu einem neuen Konflikt führen könnte, möglicherweise noch während der Amtszeit von Donald Trump.
Nicht nur in Gaza sei die Erleichterung groß, so ZDF-Korrespondent Thomas Reichart. Das Abkommen sei auch durch doppelten Druck aus den USA von Biden und Trump zustande gekommen.15.01.2025 | 7:21 min
Wird es eine Zwei-Staaten-Lösung geben?
Die Zwei-Staaten-Lösung bleibt auf der Agenda, doch Bruchmann sieht derzeit keinen politischen Willen in Israel, darüber zu verhandeln. Es wird davon abhängen, welche Zusagen Trump im aktuellen Deal gemacht hat. Die Aussicht auf eine solche Lösung erscheint momentan jedoch eher entfernt.
Wie lange die Waffenruhe Bestand haben wird, bleibt abzuwarten – sie bietet jedoch zumindest einen Hoffnungsschimmer für die leidende Bevölkerung im Gazastreifen und könnte ein erster Schritt zu langfristigeren Lösungen sein.
Durch den Hamas-Überfall auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert - das israelische Militär reagiert mit Militäroperationen. Aktuelle News und Hintergründe im Liveblog.