Mit Blick auf die diplomatischen Gespräche in Doha müsse man sich vor allem klarmachen, dass alle Seiten "einen gesichtswahrenden Deal wollen", so Nahost-Experte Daniel Gerlach.
Sehen Sie hier das Interview mit Nahost-Experte Daniel Gerlach in voller Länge.15.08.2024 | 5:24 min
Vor dem Hintergrund der Furcht vor einer weiteren Eskalation des Nahost-Konflikts sind in Katar die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung der israelischen Geiseln wieder aufgenommen worden. Die neue Runde findet nach einem Aufruf der Vermittler Katar, USA und Ägypten statt.
Ob das Treffen überhaupt erfolgsversprechend sein kann und ob beide Seiten im Gaza-Krieg überhaupt einen Deal wollen, darauf hat Nahost-Experte Daniel Gerlach Antworten.
Sehen Sie das Interview oben im Video in voller Länge oder lesen Sie es unten in Auszügen.
Im Interview mit dem ZDF heute journal sagt Gerlach, dass ...
... ein Erfolg in Doha möglich sei
"Natürlich ist ein Erfolg der Runde in Doha möglich", sagt Gerlach im ZDF. Das seien alle "handelnde Subjekte, Menschen mit konkreten Interessen, Staaten, Organisationen". Die Hamas nehme zwar nicht am Treffen teil, aber habe "interessanterweise gesagt, sie hat auch nichts zu ändern an den Vorschlägen, die bereits im vergangenen Mai von beiden unterbreitet wurden".
In Katars Hauptstadt wird heute über einen Geiseldeal und einen Waffenstillstand in Gaza verhandelt. Sollten die Verhandlungen scheitern, droht ein großer Krieg.16.08.2024 | 2:00 min
Es gebe viele Akteure, die von außen mit reinspielen, wie z.B. Iran. Auf der einen Seite müssten diese Unterhändler, insbesondere die Amerikaner und die Kataris jeden Interpretationsspielraum ausfüllen. Wenn die Iraner bspw. sagten, 'Israel verzögert und will gar keinen Deal, deswegen greifen wir jetzt an', dann müssten sie den Iranern klar machen, "nein wir verhandeln, wir brauchen noch ein bisschen Zeit, aber das ist wirklich ernst gemeint".
Auf der anderen Seite müssten die Amerikaner aber auch unter Beweis stellen, dass sie in der Lage sind die israelische Seite dazu zu zwingen und Druck auszuüben, dass sie wirklich einem Deal zustimmen. Das sei in der Vergangenheit eines der schwierigsten Dinge gewesen und eines, was letztendlich zur Erfolglosigkeit der letzten Verhandlungen geführt habe.
... ist Chefredakteur des Nahost-Fachmagazins "zenith" und Direktor der Denkfabrik Candid Foundation. Gerlach studierte Geschichte und Orientalistik in Hamburg und Paris.
... alle Seiten einen gesichtswahrenden Deal wollen
"Ich glaube man muss sich bei allen Seiten klar machen, dass sie alle einen gesichtswahrenden Deal wollen", sagt Gerlach.
Die Iraner wollten keinen großen Krieg. Auf der anderen Seite wollten sie aber auch diejenigen sein, "die nachher sagen können, wir haben die Amerikaner und letztendlich die Israelis dazu gezwungen, den Krieg in Gaza zu beenden. Das ist ein Triumph für uns".
Die israelische Seite müsse sagen können, "uns ist es gelungen uns mit aller Härte durchzusetzen und trotzdem die Geiseln zu befreien, ohne dass wir unsere Politik ändern müssen".
Angriff auf Israel (Karte Israel, Gazastreifen etc.)
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Die Hisbollah im Libanon, sei zwar eine militante Organisation, aber auch eine libanesische Partei mit Geld und Machtinteressen. Diese wolle sie nicht verlieren. "Das ist eben genau die Kunst der Unterhändler, dass sie ein solches Szenario schaffen müssen", so Gerlach.
Natürlich werden einige Federn lassen und zur Diskussion steht nicht, dass die Hamas als Organisation mit Macht in der Region so nicht weiter existieren kann. Und sie ist letztendlich auch die schwächste Partei, aber sie hat die Geiseln, die sie seit Monaten fest hält."
Warum hat es bisher noch keinen vom Iran angekündigten Vergeltungsschlag gegeben? "Die Rhetorik der Iraner ist das eine und die Politik ist dann das andere", sagt Gerlach. Die neue Regierung habe ein Interesse daran mit ihren Nachbarn wieder ins Geschäft zu kommen.
Sie hätten große Investitionen vorgenommen, um sich mit den arabischen Nachbarn wieder besser zu verstehen.
... die Menschen in Gaza verzweifelt sind
Laut Hamas habe die Zahl der Toten seit Beginn des Krieges in Gaza 40.000 erreicht, das heißt einer von 50 Einwohnern in Gaza hat den Krieg nicht überlebt. Die Quelle Hamas werde kritisiert, es sei wahrscheinlich auch kein Zufall, dass ausgerechnet am Donnerstag diese wichtige Zahl veröffentlicht werde.
Orte im Gazastreifen
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Auf der anderen Seite hätte man in vergangenen Kriegen gesehen, dass die Zahlen, die die Gesundheitsbehörden aus Gaza rausgegeben haben, relativ mit der Wirklichkeit übereinstimmten.
Und "dass die Lage so ist, wie sie noch nie in einem Nahost-Krieg gewesen ist", so Gerlach abschließend.
Das Interview führte ZDF-Moderator Christian Sievers, zusammengefasst hat es ZDF-Redakteurin Katharina Schuster.
Durch den Hamas-Überfall auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert - das israelische Militär reagiert mit Militäroperationen. Aktuelle News und Hintergründe im Liveblog.