Nahost-Konflikt: Hamas teilt Tod von Politchef Hanija mit
Nahost-Konflikt:Hamas teilt Tod von Politchef Hanija mit
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Ismail Hanija, der Politchef der islamistischen Hamas, ist im Iran getötet worden. Die Terrororganisation macht Israel für den Angriff verantwortlich.
Die Hamas hat die Tötung ihres Politchefs Ismail Hanija gemeldet.31.07.2024 | 0:22 min
Der Hamas-Politchef Ismail Hanija ist bei einem israelischen Angriff in der iranischen Hauptstadt Teheran getötet worden, teilte die Terrororganisation mit. Er sei infolge einer Attacke auf seine Residenz ums Leben gekommen. Zudem sei einer seiner Leibwächter getötet worden, vermeldeten die iranischen Revolutionsgarden.
Ursache und das Ausmaß des Vorfalls würden untersucht werden, die Ergebnisse dann später bekannt gegeben, teilte Irans Elitestreitmacht am frühen Morgen mit. "Von einem Drohnenangriff aus dem Ausland ist die Rede, aber das ist noch nicht bestätigt", berichtete ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa aus Teheran.
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Vor seinem Tod hatte Hanija an der Zeremonie zur Vereidigung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian teilgenommen, teilte die Hamas auf ihrem Telegram-Kanal mit. Die Sicherheitsvorkehrungen in Teheran seien aufgrund der Veranstaltung extrem hoch gewesen, sagte Phoebe Gaa dazu.
Der Sicherheitsrat des iranischen Parlaments tagt deshalb zur Zeit über die Geschehnisse, so Gaa.
ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa berichtet aus Teheran.31.07.2024 | 0:44 min
Dem iranischen Außenministerium zufolge stärkt der Angriff das Band zwischen dem Iran und den Palästinensern. Außenamtssprecher Nasser Kanaani sprach von einer "tiefen und unzerbrechlichen Bindung zwischen Teheran, Palästina und dem Widerstand". Damit spielt er offenkundig auf die sogenannte Achse des Widerstandes an, die vom Iran geführt wird und der die Hamas, die Hisbollah-Miliz im Libanon, die Huthi-Miliz im Jemen sowie Gruppen im Irak und in Syrien angehören.
Zu der Achse des Widerstandsgehören
die Hamas im Gazastreifen,
die Hisbollah-Miliz im Libanon,
die Huthi-Rebellen im Jemen
sowie Gruppen im Irak und in Syrien.
Der Iran bestreitet, dass er diese Stellvertretergruppen bei ihren Angriffen lenkt. Diese würden auf eigene Initiative handeln. Der Iran bewaffnet und bildet die Gruppen allerdings aus.
Der Iran und seine Verbündeten haben das gemeinsame Ziel, die israelische Bombardierung des Gazastreifens zu stoppen und die US-Truppen ein für alle Mal aus der Region zu vertreiben. Darüber hinaus haben sie ihre eigenen lokalen Interessen.
Die Hisbollah ist die mächtigste Gruppe im Libanon, dessen Wirtschaft sich im freien Fall befindet. Sie versucht, eine weitere Eskalation des Konflikts oder intensive Militäraktionen Israels zu vermeiden, die ihre Position im eigenen Land gefährden könnten.
Die Huthi versuchen Analysten zufolge, die Kontrolle im Jemen zu behalten und haben den jüngsten Krieg als Mittel genutzt, um ihre militärische Stärke und regionale Bedeutung zu behaupten. Das genaue Ausmaß der Kontrolle des Irans über die Aktionen ist unklar.
Die PMF im Irak haben sich dadurch bereichert, dass sie weite Teile des Staates und der Wirtschaft beherrschen. Gruppen, die dem Iran gegenüber loyaler sind, befolgen die Befehle Teherans, andere streben nach Geld und Macht und gehen davon aus, dass ein regionaler Flächenbrand ihre Dominanz im Irak zunichtemachen könnte, sagen einige Experten.
Hauptarchitekt des iranischen Netzwerks aus paramilitärischen Stellvertretergruppen in der arabischen Welt war der Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden, Kassem Soleimani. Unter Soleimanis Führung wuchs das Netz in den Jahren nach der US-Invasion im Irak im Jahr 2003. Soleimani wurde 2020 bei einem US-Drohnenangriff im Irak getötet.
Tötung wird Waffenruhe-Verhandlungen beeinflussen
Hanija, der normalerweise in Katar lebte, war das Gesicht der internationalen Diplomatie der Hamas. Er wurde 2017 an die Spitze berufen und pendelte zwischen der Türkei und Katars Hauptstadt Doha. Dadurch entging er den Reisebeschränkungen im abgeriegelten Gazastreifen und konnte als Unterhändler bei Waffenstillstandsgesprächen auftreten oder mit dem Hamas-Verbündeten Iran verhandeln.
"Das ganze wird Auswirkungen haben auf die Verhandlungen für eine Waffenruhe in Gaza, die Verhandlungen über die Freilassung der israelischen Geiseln", berichtet ZDF-Reporterin Alica Jung aus Tel Aviv. "Viele fürchten eben keine guten Auswirkungen."
Reaktionen aus Israel
Offizielle Stellungnahmen der israelischen Regierung oder des Militärs auf die Tötung Hanijas gab es zunächst nicht. Zwei der rechtsnationalen israelische Minister haben mit Genugtuung auf die Nachricht vom Tod des Hamas-Führers Ismail Hanija reagiert.
"Hanijas Tod macht die Welt ein bisschen besser", schrieb Amichai Elijahu, Minister für das Kulturerbe, auf der Plattform X. Diasporaminister Amichai Chikli postete ein Bild Hanijas bei einer Versammlung, auf der der "Tod Israels" gefordert worden war. "Sei vorsichtig, was du dir wünschst", schrieb er als Kommentar.
Welche Auswirkungen die Attacke haben könnte, schätzt ZDF-Reporterin Alica Jung in Tel Aviv ein. 31.07.2024 | 1:17 min
Israel hatte nach dem Terrorangriff auf das Land am 7. Oktober 2023 angekündigt, Hanija und andere Hamas-Führer töten zu wollen. Im April waren bei einem israelischen Angriff im Zentrum des Gazastreifens bereits drei Söhne und vier Enkelkinder von Hanija getötet worden. Er hatte damals erklärt, dass seit dem Beginn des Gaza-Kriegs schon etwa 60 Mitglieder seiner Familie getötet worden seien.
Hamas: Tötung wird "nicht unbeantwortet bleiben"
Die Hamas droht nach der Tötung ihres Politchefs mit Konsequenzen. Musa Abu Marsuk, Mitglied des Hamas-Politbüros, erklärte, die "Ermordung" Hanijas sei eine "feige Tat" und werde "nicht unbeantwortet bleiben".
Auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sprach von einer "feigen Tat" und rief die Palästinenser zu Einigkeit gegenüber Israel auf.
In Teheran wurde Massud Peseschkian offiziell im Amt vereidigt.30.07.2024 | 3:21 min
Auch Hisbollah-Kommandeur getötet
Die Nachricht von Hanijas Tötung folgte wenige Stunden nach einem israelischen Luftangriff auf einen Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut. Dabei wurde nach Angaben der israelischen Armee Fuad Schukr getötet, ein ranghoher Kommandeur der Hisbollah.
Durch den Hamas-Überfall auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert - das israelische Militär reagiert mit Militäroperationen. Aktuelle News und Hintergründe im Liveblog.