Konflikt in Nahost: Wieso Israel und der Iran Erzfeinde sind

    Jahrzehntelanger Konflikt:Wieso Israel und der Iran verfeindet sind

    von Niklas Landmann
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    Der iranische Angriff auf Israel hat die Angst vor einem Flächenbrand im Nahen Osten verstärkt. Trotz einst freundschaftlicher Beziehungen dauert der Konflikt seit Jahrzehnten an.

    Iraner heben eine Flagge und die Attrappe einer Rakete während einer Feier nach dem iranischen Raketen- und Drohnenangriff auf Israel am 15. April 2024 auf dem Palästina-Platz im Zentrum von Teheran.
    Seit Jahrzehnten sind der Iran und Israel verfeindet. Das Mullah-Regime stellt das Existenzrecht Israels seit der Islamischen Revolution 1979 infrage.14.04.2024 | 1:50 min
    Der Iran hat am Wochenende mit dem Angriff auf Israel seine Drohung nach der Bombardierung des iranischen Botschaftsgeländes in Syriens Hauptstadt Damaskus wahrgemacht. Erstmals griff der Iran nicht über regionale Stellvertreter wie die Huthi-Rebellen im Jemen oder die Hisbollah-Miliz im Libanon an. Dieses neue Ausmaß des Konflikts schürt die Furcht vor einer großen Eskalation im Nahen Osten.
    Mehr als 300 Drohnen und Raketen feuerte Teheran in Richtung Israel ab. Nahezu alle Geschosse wurden mit Hilfe von internationaler Unterstützung durch die USA, Großbritannien und Frankreich sowie Jordanien abgefangen. Israel hat eine Verantwortung für den Angriff in Damaskus, bei dem sieben Offiziere der iranischen Revolutionsgarden starben, bislang nicht bestätigt.
    Anti-Israel rally in Tehran following explosions around central city of Isfahan
    Nach Explosionen in der iranischen Region Isfahan sprechen US-Medien von einem israelischen Angriff. Offiziell haben sich weder Israel noch das Pentagon geäußert.19.04.2024 | 2:43 min
    Der Konflikt zwischen den Ländern reicht bereits Jahrzehnte zurück. Die beiden Staaten sind zutiefst verfeindet und haben eine lange Geschichte von verdeckten Angriffen. Dabei waren die Beziehungen früher von enger Zusammenarbeit geprägt, erklärt Nahost-Experte Simon Wolfgang Fuchs von der Hebräischen Universität in Jerusalem.

    Enge Kooperation zwischen Iran und Israel

    Der Iran habe Israel lange Zeit nicht anerkannt, seit den 1950ern sei dann ein Wechsel eigetreten, so der Nahost-Experte. "Das hatte auch ganz viel mit der Position des Iran in der Region zu tun." Für Israel und die USA war das Land ein wichtiger Partner: "Iran war immer jemand, der arabische Embargos des Öls unterlaufen hat, den Ölpreis gesenkt hat, für Stabilität in der Region gesorgt hat", erklärt Fuchs. Gerade im persischen Golf habe man sich sehr stark auf den Iran verlassen.

    Der Iran war sehr stark eingebunden in westliche Militärbündnisse und sah mit großer Sorge den Aufstieg von seiner Ansicht nach radikalen Regimen wie in Ägypten, die eine pan-arabische Rhetorik hatten.

    Simon Wolfgang Fuchs, Professor an der Hebräischen Universität in Jerusalem

    Damals habe der Iran viele Interessen mit Israel geteilt und seine eigene lange Geschichte gegen die arabischen Staaten stets hervorgehoben, erklärt der Experte. Neben gemeinsamen Entwicklungsprojekten in der Landwirtschaft und großen Bauprojekten habe Israel den Iran auch beim Aufbau seines Geheimdienstes unterstützt.

    Man hat hier ganz eng zusammengearbeitet, weil man das Gefühl hatte, man hat die gleichen Feinde.

    Simon Wolfgang Fuchs, Professor an der Hebräischen Universität in Jerusalem

    Prof. Simon Wolfgang Fuchs
    Quelle: privat

    ... ist Professor für Islamwissenschaft und Nahost-Studien an der Hebräischen Universität in Jerusalem.

    Islamische Revolution 1979: Israel wird zum Feind

    Auf der anderen Seite sei eben diese enge Zusammenarbeit der damaligen iranischen Opposition schon lange ein Dorn im Auge gewesen, so Fuchs. Nachdem der pro-westliche und von den USA unterstützte Machthaber im Iran, Mohammad Reza Schah Pahlavi, im Zuge der Islamischen Revolution gestürzt wurde, gründet der aus dem französischen Exil zurückgekehrte Ajatollah Ruhollah Chomeini die Islamische Republik Iran. Von nun an ist die Feindschaft gegen Israel Gebot.

    Schon Chomeini, der später dann der Revolutionsführer wurde, hat 1963 den Schah als Marionette der Israelis und der Amerikaner bezeichnet.

    Simon Wolfgang Fuchs, Professor an der Hebräischen Universität in Jerusalem

    Seit der Islamischen Revolution dienen die USA und Israel dem Mullah-Regime als Feindbilder.
    Nahostkonflikt - Israel
    Nach den Luftangriffen Irans saß der Schock bei den Israelis tief. Zwar verurteilen Verbündete Israels wie die EU den Angriff scharf - gefordert wird jedoch auch Zurückhaltung.14.04.2024 | 2:55 min

    Israelfeindliche Rhetorik des Mullah-Regimes

    Dieses Feindbild verfange auch heute in "einer gewissen verfestigten Gruppe, die sehr eng hinter der iranischen Republik steht und die auch die Sicherheitskräfte und die entscheidenden Apparate des Staates dominiert", erklärt Fuchs.

    Diese anti-israelische Rhetorik ist sehr eng mit der Revolution verknüpft, vielleicht genau so eng wie das Kopftuch.

    Simon Wolfgang Fuchs, Professor an der Hebräischen Universität in Jerusalem

    In der Mehrheit der Bevölkerung finde sich für diese Rhetorik keine Sympathie und kein Interesse. Das sehe man an staatlich organisierten Treffen, um den Angriff auf Israel zu feiern, zu denen niemand erschienen ist. Auch Protest-Plakate gegen das Regime seien vermehrt aufgetaucht, so der Islamwissenschaftler.
    "Auf der anderen Seite richtet sich diese Rhetorik aber auch nach außen." Der überwiegend schiitisch geprägte Iran versuche damit auch Anschluss unter seinen sunnitischen Nachbarn im Nahen Osten zu finden, meint Fuchs.

    Das ist eben noch eine Möglichkeit, mit anderen Gruppen im Nahen Osten und darüber hinaus sozusagen Gemeinsamkeiten aufzuzeigen.

    Simon Wolfgang Fuchs, Professor an der Hebräischen Universität in Jerusalem

    Für den Iran sei die Forderung nach der Befreiung Palästinas, der Zerstörung Israels, extrem wichtig, um sich als Teil dieser Achse des Widerstandes in der arabischen Welt zu positionieren, ordnet der Professor für Nahost-Studien ein.
    Schaltgespräch Gökdemir Fuchs
    Der mutmaßliche israelische Angriff auf die iranische Botschaft in Syrien zeige, dass Israel seinen internationalen Rückhalt verliert, sagt Prof. Simon Wolfgang Fuchs.03.04.2024 | 4:05 min

    2024: Iran greift Israel erstmals direkt an

    Der Iran unterstützt seit langem regionale Milizen, wie die Hisbollah, die Hamas oder die Huthis, die Israel immer wieder angreifen. Neu ist allerdings, dass Iran selbst israelische Ziele angreift. Nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober habe sich auch angesichts des Kriegs im Gazastreifen so viel Druck auf die Regierung in Teheran aufgebaut, dass der Iran sich gezwungen sehe, stärker einzuschreiten, schätzt Fuchs ein.

    Ich glaube, Israel hat das auch überrascht.

    Simon Wolfgang Fuchs, Professor an der Hebräischen Universität in Jerusalem

    Eskalation in Nahost
    Droht ein Flächenbrand in Nahost?14.04.2024 | 9:50 min
    Für den Iran sei mit dem Angriff auf sein konsularisches Gelände in Damaskus eine rote Linie überschritten worden. Das Land wolle diese Grenzen aufzeigen und "ein neues Kapitel aufschlagen", meint der Nahost-Experte, um aufzuzeigen, dass solche Angriffe eine militärische Reaktion nach sich ziehen.

    Nahost-Konflikt
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    Durch den Hamas-Überfall auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert - das israelische Militär reagiert mit Militäroperationen. Aktuelle News und Hintergründe im Liveblog.
    Menschen und Retter tragen den bedeckten Körper eines Gefangenen, der aus den Trümmern eines Hauses gezogen wurde, aufgenommen am 18.11.2024
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    Quelle: Mit Material von Reuters

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