Treffen mit Erdogan:Diesen Getreidedeal will Putin
von Nina Niebergall
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Im Juli ließ Moskau das Abkommen mit der Ukraine zur Ausfuhr von Getreide platzen. Das Argument: Russland habe durch den Deal mehr Nachteile als Vorteile. Wieso das nicht stimmt.
Um die Lage zu verstehen, helfen ein paar Zahlen. Die russischen Weizenexporte sind seit Kriegsbeginn nicht zurückgegangen, im Gegenteil. Nach Schätzungen des US-amerikanischen Landwirtschaftsministeriums erreichen sie in der Erntesaison 2022/23 voraussichtlich einen Rekordwert von 45 Millionen Tonnen, 36 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit exportiert Russland mit Abstand das meiste Getreide weltweit.
Zum Vergleich: Die Ukraine exportierte laut USA im Erntejahr 2021/22 knapp 19 Millionen Tonnen Getreide. 2022/2023 nur noch 13,5.
Nahrungs- und Düngemittel stehen ausdrücklich nicht auf der Liste der Sanktionen der EU. Der Grund, laut EU-Kommission: Ernährungssicherheit und erschwingliche Nahrungsmittelpreise.
Probleme beim Export von Düngemitteln
Was Düngemittel angeht, scheint Russland tatsächlich weniger zu exportieren als vor dem Krieg gegen die Ukraine. Laut russischem Zoll wurden 2021 knapp 38 Millionen Tonnen exportiert, 2022 etwa 31 Millionen, und laut Prognosen in 2023 ebenfalls knapp 31 Millionen.
Nichtsdestotrotz sagt Tobias Heidland, Direktor für Internationale Entwicklung am Institut für Weltwirtschaft:
Was will Russland also, um einem neuen Getreideabkommen zuzustimmen?
1. Forderung: Erleichterungen bei Transport und Versicherungen
"Die Sanktionen führen dazu, dass sich die Kosten für Banktransaktionen, Schiffe anzumieten und zu versichern, Transportkosten durch zerstörte Häfen, verändert haben", erklärt Heidland. "Das sind die eigentlichen großen Kostentreiber."
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Transportunternehmen und Versicherungen scheuen sich, Geschäfte mit einem Land im Krieg zu machen. Ein Krieg, den Russland selbst begonnen hat.
2. Forderung: Eingliederung der Agrarbank an SWIFT
Die russische Landwirtschaftsbank wurde im Rahmen der Sanktionen aus dem Banken-Netzwerk SWIFT ausgeschlossen. Moskau fordert die Wiederaufnahme, um Geschäfte mit Dünger und Getreide abzuwickeln.
Quelle: Kiel Institut für Weltwirtschaft
... ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Leiter des Forschungszentrums "Internationale Entwicklung" im Kiel Institut für Weltwirtschaft. Er forscht zu globalen Aspekten wirtschaftlicher Entwicklung und legt dabei Schwerpunkte auf Migration und Kapitalströme in Entwicklungsländern, insbesondere in Afrika.
Laut Heidland sind die Geschäfte nur komplizierter geworden, aber nicht unmöglich. Geschäfte können etwa weiter über die US-Bank J.P. Morgan abgewickelt werden, wie der UN-Generalsekretär António Guterres mitteilte.
3. Forderung: Aufhebung der Sanktionen auf Ersatzteile im Agrarbereich
Russland will wieder Ersatzteile für landwirtschaftliche Maschinen importieren dürfen. Hier dürfte sich der Westen kaum bewegen, meint Heidland. Die Ersatzteile werden als Dual-Use-Güter eingestuft, die auch in Militärfahrzeuge eingebaut werden können.
4. Forderung: Wiederaufnahme der Ammoniakexporte
Zu den Forderungen Russlands gehört die Wiederaufnahme seiner Ammoniakexporte über eine Pipeline zum ukrainischen Hafen Pivdenny. Diese wurde jedoch im Krieg schwer beschädigt.
Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.
Heidland findet: "Das ist ein verlogenes Argument. Das Ende des Getreide-Abkommens ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass man im Kreml die Einschätzung hatte, dass die Ukraine mehr als Russland von diesem Deal profitiert."
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Werden andere Deals diskutiert?
Das russische Außenministerium arbeitet an einem anderen Plan. Demnach würde Russland mit finanzieller Unterstützung aus Katar eine Million Tonnen Getreide zu einem ermäßigten Preis in die Türkei liefern, die dort verarbeitet und an die bedürftigsten Länder weitergeleitet würden, um Hungersnöte zu verhindern. Für Russland wäre das eine optimale Alternative zum Schwarzmeer-Abkommen.
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"Man würde weiterhin der Ukraine schaden", sagt Heidland. Denn das Abkommen beinhalte nicht, wieviel Tonnen an Getreide aus der Ukraine exportiert werden. "Und auch ein netter Nebeneffekt vonseiten des Kreml: Man würde den Menschen in Europa und den USA schaden, weil sie für einige Produkte höhere Preise zahlen müssen." Doch die große Frage sei, ob das Nato-Mitglied Türkei sich auf so ein Abkommen einlassen würde.
Nina Niebergall berichtet als Korrespondentin über Russland, den Kaukasus und Zentralasien.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.