Nations League: DFB-Team wächst zusammen

Der Klassiker von "Marmor, Stein und Eisen bricht" passt wirklich nicht zu jedem Anlass. Aber dass die Stadionregie in der Arena in München-Fröttmaning das Lied von Drafi Deutscher auf voller Lautstärke laufen ließ, als die deutsche Nationalmannschaft nach dem überzeugenden 1:0-Sieg gegen die Niederlande ihre Ehrenrunde drehte, wirkte es passend.

Viele Fans schwenkten noch lange große und kleine Deutschland-Fahnen, weil sie an diesem Fußball-Abend wieder ein Engagement und eine Identifikation spürten, die das Aushängeschild des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) lange hatte vermissten lassen. Nach der stilvollen Verabschiedung der Weltmeister Manuel Neuer und Thomas Müller und des Ex-Kapitäns Ilkay Gündogan - Toni Kroos fehlte - setzte die nachfolgende Generation ein zukunftsweisendes Signal.

"Die Gier, die die Mannschaft verkörpert, ist ein sehr, sehr großer Schritt", sagte der sichtlich zufriedene Julian Nagelsmann nach der Partie. In allen Mannschaftsteilen hat der Bundestrainer plötzlich im Herbst 2024 eine viele größere Auswahl als noch im Sommer. Vom Torhüter bis zum Torjäger. "Es ist gut, aus der zweiten Reihe neues Personal gefunden zu haben, das den Konkurrenzkampf enorm erhöht", konstatierte der 37-Jährige. "Jetzt weiß jeder, dass er sich nicht ausruhen kann."

Kapitän Joshua Kimmich merkte ZDF-Interview an, dass aus der Startelf gegenüber dem Hinspiel in den Niederlanden (2:2) neben ihm "mit Flo (Florian Wirtz) und Schlotti" (Nico Schlotterbeck) gerade drei Protagonisten übrig geblieben waren - dennoch wirkte die Brust breiter als in Amsterdam. Das Selbstverständnis der DFB-Auswahl hat sich vom Personal emanzipiert. Ein Kompliment, das ans gesamte Trainerteam, ja den ganzen Staff gehen muss. Schließlich muss die Leistungsbereitschaft auch vorgelebt werden.

Die Absagen zahlreicher Spieler erwiesen sich beim Oktober-Doppelpack als Glücksfall, um mehr als nur den vorzeitigen Einzug ins Viertelfinale der Nations League zu schaffen. Bezeichnenderweise avancierte mit Jamie Leweling einer zum Matchwinner, der vergangene Saison nicht mal Stammspieler beim VfB Stuttgart war.

Wie sich der nächste Newcomer mit und ohne Ball bewegte und zielgerichtet den Abschluss suchte, brachte ihm bei seiner Auswechslung stehende Ovationen ein. Dabei verdankte er seinen Einsatz den Verletzungen anderer Spieler, wie Bundestrainer Nagelsmann unumwunden zugab:

Erst am Vormittag entschied sich Nagelsmann für den 23-Jährigen als Nachrücker für den Bayern-Star Jamal Musiala. Im dritten Anlauf schoss Leweling dann das frenetisch bejubelte Siegtor (64.). "Ich habe einfach draufgehauen", sagte der gebürtige Nürnberger, der befand: "Es fällt leichter, wenn man mit so guten Spielern zusammen ist und der Trainer einen klaren Plan hat."

Nagelsmann gab das Lob zurück: "Er hat viele Situationen mit Druck im Rücken mit viel Körperlichkeit gelöst, hat uns genau die Energie gegeben, die wir brauchten. Er hat tatsächlich ein außergewöhnlich gutes Debüt gegeben." Vermisst noch einer Leroy Sané? Leweling steht für Profis, die auf Vereinsebene noch nicht viel erreicht haben - und die Nominierung fürs Nationalteam als Riesenehre begreifen.

Das Alter muss dabei keine Rolle spielen, wie Torhüter Oliver Baumann als zweitältester Debütant der DFB-Geschichte demonstrierte. Der 34-Jährige musste im Grunde bis zur 90. Minute gegen lange harmlose Holländer warten, bis ihn Donyell Malen vor eine echte Prüfung stellte. "Den Ball muss man erstmal halten", lobte Nagelsmann, der glatt "die Note eins" verteilte.

Der Keeper und Kapitän der TSG Hoffenheim sei in dieser Saison "einen Tick stärker" als Alexander Nübel, dennoch wollte sich der Bundestrainer (noch) nicht auf eine neue Nummer eins festlegen. Baumann war dennoch ganz gerührt: "Geil war's. Perfekter hätte der Tag nicht sein können. Es ist ein Traum in Erfüllung gegangen." Da scheint sich gerade eine Liebe auf allen Ebenen zu verfestigen.