Bolzplatz: Die Saudi-Liga wirklich nur ein Kunstgebilde?
CR7: Marionette oder Pionier?:Die Saudi-Liga wirklich nur ein Kunstgebilde?
von Ralf Lorenzen
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Wenn über Fußball in Saudi-Arabien gesprochen wird, geht es hier meist um Sportswashing und Mega-Transfers. Im Königreich selbst treffen die neuen Stars auf viel Begeisterung.
Cristiano Ronaldo, Neymar und Karim Benzema – sie und viele andere sind in diesem Sommer nach Saudi-Arabien gewechselt. Doch was steckt dahinter?28.09.2023 | 15:50 min
Die Transferoffensive des saudi-arabischen Fußballs war ein Hauptthema dieses Sommers. Für insgesamt 956,88 Millionen Euro angelte sich die Saudi Professional League - finanziert vom Staatsfonds PIF - Stars wie Karim Benzema, Neymar und Cristiano Ronaldo. Das bedeutete im internationalen Ausgaben-Ranking den Sprung von 20 auf 2.
Vergleiche mit China
Über die politischen und wirtschaftlichen Ziele dieser Sportoffensive, die weit über den Fußball hinausgeht, herrscht hierzulande weitgehend Einigkeit: Raus aus der Abhängigkeit vom Öl, Ablenken von Menschenrechtsverletzungen, größere politische Bedeutung.
Der Weltfußball verändert sich grundlegend: Saudi-Arabien greift auf dem Transfermarkt an und holt Top-Stars. Manu Thiele klärt die wichtigsten Fragen dieses Transfersommers.29.07.2023 | 16:54 min
Dabei entsteht oft das Bild einer Super-Investition in ein neues Gebilde, das künstlich in die Wüste gesetzt wird - inklusive Vergleiche mit der Super League in China, wo Groß-Investitionen in europäische Top-Fußballer nach wenigen Jahren wieder versiegt sind.
Pfannenstiel: "Gewachsene Fußballkultur"
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in Saudi-Arabien eine ähnliche Entwicklung wie etwa in China geben wird, weil das Land einfach eine sehr gute und vor allem jahrelang gewachsene Fußballkultur hat", sagt Lutz Pfannenstiel, Ex-Torwart und heutiger Sportdirektor des US-Klubs St. Louis City, bei "t-online.de".
Pfannenstiel war selbst als Trainerausbilder oft in Saudi-Arabien und hat die Entwicklung dort über Jahre verfolgt.
Talentförderung und Liga-Unterbau
"Die Saudi Pro League ist mit das Beste, was der asiatische Fußball zu bieten hat", sagt der deutsche Ex-U20-Nationalspieler Robert Bauer, der seit Juli bei Al-Tai FC unter Vertrag steht, im "Sportbuzzer".
Schon sechs Mal haben saudi-arabische Clubs die asiatische Champions League gewonnen, zuletzt 2019 und 2021 der neue Neymar-Klub Al Hilal. Die Saudi Pro League besitzt einen wachsenden Unterbau aus Senioren- und Jugendligen.
Das Talentförderprogramm bildet laut dem Saudi-Arabischen Fußball-Verband (SAFF) die wichtigste Säule der Transformationsstrategie im Fußball.
Saudi-Arabiens Ziel: Bis 2034 unter die Top 20
"Die Strategie zielt darauf ab, bis 2025 mehr als 50 Wettbewerbe für verschiedene Altersgruppen zu organisieren, was dazu beitragen wird, eine Nationalmannschaft zu schaffen, die bis 2034 zu den Top-20-Teams gehört", heißt es auf der Homepage der SAFF. Aktuell rangiert der dreifache Asienmeister auf Platz 57 der FIFA-Weltrangliste.
Zuletzt sorgte das Team mit dem 2:1-Sieg im Gruppenspiel der WM in Katar gegen den späteren Weltmeister Argentinien für Furore. Fans der deutschen Nationalmannschaft denken noch mit Grauen an den knappen 2:1-Sieg im Vorbereitungsspiel auf die WM 2018.
Qualitätsunterschiede zu Top-Ligen
Trotz Tradition und Nachwuchsförderung: Cristiano Ronaldo will sich wohl eher in besseres Licht rücken, wenn er seine neue Fußball-Heimat über den grünen Klee lobt.
"Ich sagte, dass die saudische Liga in den nächsten drei Jahren zu den fünf besten gehören könnte, aber jetzt könnte es in nur einem sein", zitiert "The Athletic" den neuen Star von Al-Nassr FC. Noch gibt es so große Qualitätsunterschiede zu den europäischen Top-Ligen, dass sich die Top-Stars wie er ohne astronomische Summen kaum ins Land locken ließen.
"Wenn man sich mal zwei, drei Spiele über 90 Minuten anguckt, sieht man deutlich, dass das Niveau der Saudi-Arabischen Fußball Liga noch weit hinter den fünf, sechs besten Ligen in Europa hinterherhinkt", sagt ZDF-Reporter Markus Harm im aktuellen Bolzplatz.
Saudi-Liga eher wie MLS
Vergleichbar ist die Saudi Pro League wohl eher mit der MLS in den USA, wohin Lionel Messi gewechselt ist. "Auf dem Platz, sportlich, kann die Saudi Professional League zwar noch nicht mithalten", sagt Lili Engels im Bolzplatz. "Aber man sollte sie im Auge behalten, denn was früher einfach nur elf gegen elf war, ist heute ein Milliarden-Wettstreit."
Sportjournalisten analysieren die Bundesliga sowie die Champions League und erklären, wie das Fußballgeschäft funktioniert. Kritisch und auf den Punkt.