Mohammmed bin Salman – Milliardär, Visionär, Autokrat. Saudi-Arabiens Herrscher zwischen Reformwillen und gnadenloser Absicherung der eigenen Macht.08.09.2023 | 16:13 min
Mohammed bin Salman - ein Name, der spätestens seit dem Sommer 2023 auch jedem Fußballfan ein Begriff sein dürfte. Der Grund: Der De-facto-Herrscher Saudi-Arabiens kauft Europas Top-Ligen leer. Benzema, Neymar, Brozovic - sie alle spielen seit diesem Jahr neben Cristiano Ronaldo in der saudischen Fußballliga. Doch beim Fußball bleibt es nicht.
Saudi-Arabien investiert massiv in den Sport, egal ob Golf, Boxen oder E-Sports. Einerseits stecken dahinter wirtschaftliche Interessen. Andererseits das sogenannte "Sportswashing", der gezielte Einsatz von Sport und Sportevents für eine bessere Außenwahrnehmung auf internationaler Bühne.
Als Randfigur an die Spitze Saudi-Arabiens
Um die ist Mohammed bin Salman - kurz: MBS - bemühter denn je. Dabei kannte den 37-Jährigen bis vor wenigen Jahren kaum jemand. Der Grund: Kronprinz und Nachfolger des aktuellen saudischen Königs war zunächst Mohammed bin Salmans Cousin, Mohammed bin Nayef.
Doch den drängte MBS im Juni 2017 aus der Thronfolge und eignete sich den Titel kurzerhand selbst an. 2022 ernannte ihn sein Vater zum Premierminister des Landes. Innerhalb weniger Jahre stieg Mohammed bin Salman so von einer unbedeutenden Randfigur bis an die Spitze Saudi-Arabiens auf.
Umbau der Wirtschaft und Sozialreformen
Doch um seine neu gewonnene Macht langfristig zu sichern, muss er handeln. Weil die saudischen Milliarden vor allem aus dem Verkauf von Erdöl stammen, stehen Wohlstand und Zukunft des Golfstaates auf wackligen Beinen. Denn Erdöl ist nicht nur endlich, auch die globale Nachfrage sinkt durch den zunehmenden Einsatz erneuerbarer Energien.
Wie also Saudi-Arabien und die eigene Macht für die Zukunft absichern? Die Antwort lautet "Vision 2030" - ein Reformplan mit dem Ziel, das Land bis 2030 zukunftsfähig und möglichst unabhängig vom Erdöl zu machen.
Dafür verändert er das Land grundlegend. Neben dem großangelegten Umbau der Wirtschaft, sorgen vor allem seine Sozialreformen für internationale Schlagzeilen: Frauen dürfen nun endlich Auto fahren, die Befugnisse der islamischen Religionspolizei werden eingeschränkt. Sogar das Jahrzehnte währende Unterhaltungsverbot wird im Zuge der Reformen aufgehoben.
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman ist nur scheinbar ein Reformer. Vordergründig öffnet er sein Land dem Westen, hinter den Kulissen aber lässt er Regimegegner eiskalt ausschalten.15.10.2020 | 53:42 min
Antikorruptionskampagne in 5-Sterne-Hotel?
MBS macht vor nichts und niemandem Halt - nicht einmal vor der eigenen Familie. Im November 2017 ließ er rund 200 führende Persönlichkeiten des Landes in einem 5-Sterne-Hotel festhalten, darunter Prinzen, Geschäftsleute und hochrangige Politiker.
Mohammed bin Salman selbst bezeichnete die Aktion als Antikorruptionskampagne. Polit-Experten vermuten, dass dahinter vor allem eines steckt: eine Machtdemonstration. Zusätzlich brachte die Verhaftungswelle MBS und seiner Regierung rund 85 Milliarden Dollar ein.
Kronprinz will Megacity in der Wüste bauen
Auch in anderen Bereichen ist MBS immer auf der Suche nach einem guten Deal. Er investiert Milliarden in neue Wirtschaftszweige, alles in der Hoffnung auf dauerhafte Einnahmequellen. So hält der saudische Staatsfonds Anteile an internationalen Unternehmen wie Uber, Meta, Starbucks und Paypal.
Die wohl umstrittenste Investition ist aber die 500 Milliarden Dollar teure Wüsten-Megacity "Neom" - eines der kostspieligsten Bauprojekte der Welt. Dort sollen nach Fertigstellung neu Millionen Menschen leben - und das komplett Auto- und CO2-frei.
Die Länder am Persischen Golf haben sich innerhalb weniger Jahrzehnte von weltpolitisch eher unbedeutenden Wüstenstaaten zu wirtschaftlich prosperierenden Kräften entwickelt.
24.11.2022 | 44:14 min
Verlustängste im Westen
Doch "Sportswashing" und Reformbestrebungen lenken vor allem von der nach wie vor schwierigen Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ab. Vergessen scheint die maßgebliche Rolle des Landes im Jemen-Konflikt - oder die Ermordung des Journalisten und Regimekritikers Jamal Kashoggi. Auch die Tatsache, dass in Saudi-Arabien zwischen 2015 und 2022 durchschnittlich 129 Menschen pro Jahr hingerichtet wurden - scheinbar irrelevant.
Denn groß ist die Angst des Westens, auf das Öl des Kronprinzen verzichten zu müssen. Oder Saudi-Arabien am Ende sogar an China oder Russland zu verlieren.
Saudi-Arabien lässt laut Human Rights Watch Hunderte Geflüchtete an der Grenze erschießen. Ein ehemaliger Geheimdienstler erklärt, der Befehl käme von oberster Stelle.
von Anna Feist, Amro Refai