Wagner am Ende? Moskau will Privatarmeen an die Kette legen

    Paukenschlag im Dauer-Machtkampf:Legt Russland Wagner-Söldner an die Kette?

    Autorenfoto Nils Metzger
    von Nils Metzger
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    Moskau will die Macht von Söldnergruppen wie Wagner drastisch einschränken. Deren Chef Prigoschin weigert sich und droht dem Militär. Andere Privatarmeen knicken aber bereits ein.

    Das Bild zeigt Söldner der Wagner-Gruppe in Bachmut - bis vor Kurzem kämpften diese dort zusammen mit regulären russischen Truppen.
    Soldaten der Wagner-Gruppe kämpften unter anderem in Bachmut gegen die ukrainische Armee. (Archivbild)
    Quelle: Imago

    Seit Monaten schaukelt sich der interne Machtkampf immer weiter hoch: Russlands Söldner-Truppe Wagner mit ihrem Chef Jewgeni Prigoschin gegen das Verteidigungsministerium unter Sergej Schoigu. Prigoschin wirft der Moskauer Militärführung immer wieder öffentlich Korruption und Inkompetenz vor.
    Nun scheint Schoigu einen großangelegten Gegenschlag zu starten. Am Wochenende kündigte das Ministerium an, dass bis zum 1. Juli alle Privatarmeen Russlands unter sein Zentralkommando kommen sollen. Am Montag veröffentlichte es bereits einen ersten entsprechenden Vertrag mit der Spezialeinheit "Achmat", der Privatarmee des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow.
    Der stellvertretende Verteidigungsminister Nikolai Pankow teilte in Moskau mit, dass es mehr als 40 Freiwilligenverbände gebe, deren rechtlicher Status so abgesichert werden solle.
    Der Söldnerchef und Unternehmer Jewgeni Prigoschin schaut auffordernd in die Kamera, er ist neben einem großen Fragezeichen zu sehen. Das Foto ist schwarz-gelb eingefärbt.
    Jewgeni Prigoschin wurde als Gastronom reich, nun führt er die berüchtigtste Privatarmee der Welt – und ist im russischen Volk beliebt.22.02.2023 | 15:54 min

    Wagner-Chef Prigoschin will nicht unterschreiben

    Prigoschin möchte diesen Machtverlust nicht hinnehmen und geht weiter öffentlichkeitswirksam auf Konfrontation. Der Minister sei schon jetzt nicht in der Lage, seine eigenen Truppen zu führen, sagte Prigoschin auf seinem Telegram-Kanal. Die Ankündigung des Verteidigungsministeriums seien "provokante Äußerungen". Seine Rekrutierung möchte der Söldner-Chef offenbar nicht einstellen.

    Danke an alle, die heute in die Wagner-Rekrutierungsbüros kamen. Heute waren es 2,5-mal so viele wie sonst.

    Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin am Montag auf Telegram

    Wagner werde daher keine Verträge mit Schoigu unterzeichnen. Es könne sein, dass Wagner dann keine Waffen und Munition erhalte - doch nur so lange, bis das Ministerium die Hilfe der Privatarmee brauche.

    Prigoschin kritisiert und lobt russische Generäle

    In seinen jüngsten Botschaften hob Prigoschin erneut gezielt russische Generäle hervor. Abermals heftige Kritik gab es für Generalstabschef Waleri Gerassimow, im Gegenzug lobte er aber dessen Stellvertreter Sergej Surowikin. Surowikin sei klug, erfahren und stehe für ein hohes Maß an Effektivität und Erfolg - Wagner würde seine Kampfeinsätze in Abstimmung mit ihm planen, so Prigoschin.
    Ob dieses Taktieren in direktem Zusammenhang mit den Plänen steht, Wagner in die Armee einzugliedern, ist schwer zu bewerten. Es könnte der Versuch sein, Fürsprecher im Militärapparat zu gewinnen - oder Differenzen unter Russlands Generälen zu fördern. Für Prigoschin inzwischen eine Art Überlebensgarantie.
    Zeitgleich betonte Prigoschin, dass er sich Präsident Wladimir Putin als Oberbefehlshaber und den Interessen Russlands weiterhin unterordne. In diesen seit Monaten andauernden Machtkämpfen zwischen führenden Militärs scheint Putin jedoch weitgehend abwesend. Ein Machtwort aus dessen Mund: bislang Fehlanzeige.
    Kein Essen mehr? Prigoschin-Firma will Vertrag mit Streitkräften kündigen
    Eine weiteres As im Ärmel, das Prigoschin nun auszuspielen versucht, ist seine besondere Rolle als wichtiger Versorger der regulären Streitkräfte. Vor seiner Rolle als Söldner-Boss machte Prigoschin sein Geld vor allem in der Gastronomie. Seit 2006 ist sein Unternehmen Concord für die Verpflegung der russischen Streitkräfte verantwortlich. Doch nun könnte der Dauerkonflikt mit der Militärführung auch die Feldküchen erreichen.
    Am Samstag veröffentlichte Prigoschin ein Schreiben, worin Concord Verteidigungsminister Schoigu auffordert, ihre Verträge zur Belieferung der Streitkräfte aufzulösen. Grund seien Zuliefererbetriebe, die Prigoschin zufolge überhöhte Preise verlangten - was "unkontrollierbare Ausgaben" für den Staatshaushalt bedeute und seine "Reputation als Unternehmer" gefährde. Aktuell erhalte er im Schnitt 294 Rubel, rund 3,30 Euro, pro Tag für die Verpflegung jedes russischen Soldaten in der Ukraine.
    Unabhängig davon, ob die Vorwürfe korrekt sind, oder sich Prigoschin wie so häufig als vermeintlicher Fürsprecher der einfachen Soldaten inszeniert. Die Verpflegung ist ein weiterer Bereich, in dem ein im Laufe der Jahre immer mächtiger gewordener Prigoschin seinen Einfluss voll ausspielen kann. Lässt Schoigu die Wagner-Söldner tatsächlich auflösen, könnten seine Truppen die Replik anhand leerer Teller zu spüren bekommen.
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    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
    Auf dem Bild sieht man ukrainische Soldaten von hinten.
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    Quelle: Mit Material von dpa
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