Schäden an Unterseekabeln: Experte Peters im Interview

    Schäden an Unterseekabeln:"Das Rückgrat unserer digitalisierten Welt"

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    Nord Stream, Balticconnector und nun Schäden an zwei Kabeln: Unterseeinfrastruktur ist anfällig für Sabotage. Experte Peters über die Vorfälle - und was diesmal besser lief.

    Sicherheitsexperte Johannes Peters vom Insitut für Sicherheitspolitik in Kiel
    Sicherheitsexperte Johannes Peters spricht im Interview mit ZDFheute live über die mutmaßlichen Sabotageakte in der Ostsee. 20.11.2024 | 14:47 min
    Nach der Beschädigung von zwei Unterseekabeln in der Ostsee haben sowohl die finnischen als auch die schwedischen Behörden Ermittlungen eingeleitet. Im Raum steht der Verdacht auf Sabotage, schwere Sachbeschädigung sowie die schwere Störung des Telekommunikationsverkehrs. Mutmaßlich hat ein chinesischer Frachter zwischen Sonntag und Montag die beiden Glasfaserkabel beschädigt. Im Interview mit ZDFheute live spricht Experte Johannes Peters vom Institut für Sicherheitspolitik in Kiel darüber ...

    ... was es bedeutet, wenn solche Kabel beschädigt werden:

    Mehr als 90 Prozent des globalen Datenverkehrs laufe über solche Unterseekabel, so Peters. Sie tragen also einen unmittelbaren Anteil dazu bei, wie wir leben, wirtschaften und kommunizieren.

    Unterseekabel sind das Rückgrat unserer digitalisierten Welt.

    Johannes Peters, Sicherheitsexperte

    Lange habe man sich keine Gedanken darüber gemacht, wie man diese Infrastruktur schützen könne - oder dass man sie schützen sollte. Man habe die Unterseekabel einfach auf dem Boden des Meeres verlegt. "Im Wesentlichen lässt man die halt einfach auf dem Meeresgrund liegen und dann war's das", sagt Peters. Dementsprechend sei diese kritische Infrastruktur durch relativ einfache äußere Einflüsse angreifbar.
    Installationsschiff "Ile de Brehat" in der Ostsee
    Nach Schäden an Unterwasserkabeln in der Ostsee ermitteln Schweden und Finnland wegen Sabotage. Deutschlands Außenministerin Baerbock sieht Verdacht auf "absichtlichen Schaden".20.11.2024 | 0:25 min
    Global gäbe es zahlreiche Vorfälle pro Jahr, in denen sie beschädigt würden - meist durch Naturkatastrophen wie Erdrutsche oder Seebeben. Menschengemachte Beschädigungen seien im meisten Fall Havarien, erklärt der Experte. Nur ein kleiner Prozentsatz entfalle auf unklare Verursacher, bei denen man eine Absicht vermuten könne. In der Ostsee sehe man nun "gehäuft Vorfälle", bei denen genau das passiert sei, sagt Peters. Auch bei dem jetzigen Fall gehe man davon aus, dass die Manipulation vorsätzlich geschehen sei.

    ... ob man diese Tausenden Kilometer Kabel überwachen kann:

    Man könne nicht jeden Punkt des Meeres zu jedem Zeitpunkt überwachen, sagt Johannes Peters. Da die Ostsee ein vergleichsweise kleines Meer sei, liege hier eine besondere Situation vor. "Sie ist relativ flach, es sind keine wirklich großen Distanzen von Land zur See oder Übersee."

    Dementsprechend ist die Ostsee tatsächlich ein Seegebiet oder ein Meeresgebiet, das ziemlich gut und recht lückenlos eigentlich zu überwachen ist.

    Johannes Peters, Sicherheitsexperte

    Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius spricht vor der Sitzung des Verteidigungssegments des Europäischen Rates für auswärtige Angelegenheiten in Brüssel
    Bundesverteidigungsminister Pistorius geht bei der Beschädigung der Datenkabel in der Ostsee von "Sabotage" aus. Unklar sei aber, von wem diese verübt worden ist.19.11.2024 | 0:56 min
    Doch auch da dürfe man sich nicht "der Illusion hingeben, dass wir jetzt immer zu jeder Zeit alles mitbekämen. So ist es nicht." Man versuche nun, ein möglichst genaues Lagebild herzustellen. Trete dann ein Zwischenfall wie nun bei den Kabeln ein, sei das Ziel, relativ schnell sagen zu können, wer der Verantwortliche sei und wo etwas passiert sei. "Bei den neuen Vorfällen hat das offenbar relativ gut funktioniert", sagt Peters. Das auffällige Schiff sei schnell identifiziert und an der Weiterfahrt gehindert worden.

    ... ob die Nato entschlossener gegen Angriffe auf Unterwasserinfrastruktur vorgehen muss:

    Nach den Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines und weiterer Vorfälle habe man den Entschluss gefasst, ein deutlich besseres Lagebild aus den Daten zu erstellen, sagt der Experte. In den letzten zwei Jahren habe man in die Vernetzung dieser Daten sehr viel Arbeit gesteckt. Für die Ostsee stelle die deutsche Marine mit der "Commander Task Force Baltic" dieses Lagebild bereit.
    Henner Hebestreit im Interview
    Vorgestern Abend wurde bekannt, dass offenbar das Tiefsee-Glasfaserkabel zwischen Finnland und Deutschland getrennt wurde. Henner Hebestreit zu den neusten Erkenntnissen.19.11.2024 | 2:24 min
    Man müsse differenzieren: Die Nato könnte bei einem "aggressiven kriegerischen Akt" reagieren. Bei hybriden Szenarien sei eine solche Reaktion schwierig. Im Fall des chinesischen Frachters handele es sich um einen privatwirtschaftlichen Akteur, also ein Handelsschiff, dass die kritische Infrastruktur beschädigt habe. Ob das mit Absicht geschehen sei, müsse noch geklärt werden. Vorstellbar sei auch das Szenario einer Havarie, bei der die Crew sich nicht an gewisse Meldeauflagen gehalten habe.

    Gerade auf diese hybriden Attacken, hybriden Bedrohungen ist es eben schwierig, adäquat zu reagieren, weil man für sich selber definieren muss: Als wie schwerwiegend stufe ich diese Attacke nun überhaupt ein? Und mit welchen Mitteln kann oder möchte ich dort adäquat reagieren? Auch im Rahen meiner eigenen Gesetze und Normen.

    Johannes Peters, Sicherheitsexperte

    Eine pauschale Antwort sei also schwierig. Wichtig sei vor allem, dass man wesentlich schneller als in der Vergangenheit einen wahrscheinlichen Verursacher ermitteln konnte und ihn festhalten konnte. Im Vergleich mit dem Vorfall vor einem Jahr sei dieses Mal viel besser gelaufen, bilanziert Experte Peters.
    Das Interview führte Alica Jung, zusammengefasst hat es Anna Grösch.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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    Quelle: ZDF

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