Bachmut: Leben als Soldat an der Front

    Alarmbereitschaft in Bachmut:Frontsoldat: "Ein Fehler ist mein Tod"

    ZDF-Reporter Dara Hassanzadeh in Odessa
    von Dara Hassanzadeh
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    Der nächste Einsatzbefehl könnte ihn jederzeit erreichen: Nicolai kämpfte in Bachmut an der Front. Sein Leben als Soldat ist gezeichnet von Angst und Alarmbereitschaft.

    Der Schaschlik-Stand liegt an der letzten offenen Straße Richtung Bachmut. Das Fleisch ist frisch, der Soldat, der hineinbeißt, ist es nicht.
    Ein Schaschlik-Stand an der letzten offenen Straße Richtung von Bachmut. In der Stadt kämpfte Nicolai über einen Monat lang.
    Quelle: ZDF

    Der Schaschlik-Stand könnte überall sein, doch er liegt an der letzten offenen Straße in Richtung Bachmut. Das Fleisch ist frisch. Der Soldat, der hineinbeißt, fühlt sich nicht mehr so frisch.

    Als Zivilist rekrutiert

    Der erschöpfte Mann heißt Nicolai. Der Fleischteller steht vor ihm, die Kalaschnikov daneben. Griffbereit, so als würde er noch an der Front essen. Sein Helm trägt noch die Markierung, die ihn vor "friendly fire" schützen soll. Vor sieben Monaten arbeitete Nicolai noch als Elektriker. Dann kam die Einberufung. In den zwei Monaten seiner Ausbildung an Waffen fielen seine technischen Fähigkeiten auf. Er wurde der 93. Brigade zugeteilt.
    Es ist eine Elite-Kampfeinheit der ukrainischen Armee, die an den gefährlichsten Frontabschnitten eingesetzt wird. "Ich wollte nicht zu dieser Einheit, aber ich hatte keine Wahl", sagt er mit ruhiger Stimme. "Fast alle meiner Kameraden sind Berufssoldaten, mit Jahren an Gefechtserfahrung."

    Ich weiß, dass ich schnell lernen muss. Ich will leben.

    Nicolai, ukrainischer Soldat

    Angriffe, Angst und Unsicherheit

    Einen Monat kämpfte er in Bachmut. "Zwei Stunden Schlaf, zwei Stunden Kampf", sagt Nicolai. Im Winter schliefen die Soldaten unter freiem Himmel. Es gab keine Dusche. Ständige Angriffe. Er schildert leise, wie fremde Soldaten sich mit der ukrainischen Markierung am Helm seinem Wachposten näherten. Er verlangte die Parole. Keine Antwort. In diesem Fall muss er schießen. Doch Zweifel ergriffen ihn. Auch Angst, es könnten eigene Soldaten sein. Ein erfahrener Soldat bemerkte die Situation und eröffnete das Feuer.

    Er rettete mein Leben. Es waren getarnte Russen.

    Nicolai

    Der größte Unterschied zwischen "professionellen Soldaten" - wie er sie nennt - und ihm sei: Sie blieben ruhig. Auch unter massivem Beschuss. Sie spüren, wann sie aus der Stellung müssten - und sie treffen.

    Bei mir wechseln noch Tage, an denen ich selbstbewusst bin mit Tagen, an denen ich kein Held bin.

    Nicolai

    Das mache ihm fast mehr Angst als der Beschuss: "Ich muss schnell lernen, ein Fehler ist mein Tod." Er spricht es emotionslos, als faktische Feststellung.

    Frontsoldaten in ständiger Einsatzbereitschaft

    Als Nicolai nach diesem Monat Fronturlaub hatte, spürte er tagelang nicht seine großen Zehen. Das zivile Leben, Menschen, die ihren Besorgungen nachgingen, befremdeten ihn anfangs. "Aber die erste heiße Dusche werde ich nie vergessen. Ich duschte, bis meine Hände schrumpelig wurden", erzählt er. Erstmals während des Gespräches deutet sich ein Lächeln in seinem Gesicht an.
    Er will nicht zurück nach Bachmut. "Aber ich überblicke nicht die Gesamtsituation. Wir verlassen uns auf unsere Kommandeure", fügt er hinzu. Der nächste Einsatzbefehl kann Nicolai in jeder Minute erreichen - auch hier am Schaschlik-Stand.

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