Ukraine-Krieg: Neue Phase der Gegenoffensive

    Kämpfe an drei Abschnitten:Neue Phase der Gegenoffensive

    von Christian Mölling und András Rácz
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    Bei Saporischschja und Bachmut verbuchen ukrainische Truppen Erfolge. Die Größe der eingesetzten Kräfte ist noch begrenzt. Russland reagiert mit einer Desinformationskampagne.

    Zu Beginn der Woche verstärkte die Ukraine ihre Offensivaktionen an drei Frontabschnitten. Zwei der drei Brennpunkte befinden sich an der Frontlinie in Saporischschja, der dritte in Bachmut. Die Lage hat sich im Laufe der Woche dynamisch verändert, aber die Veränderungen sind noch nicht von strategischer Bedeutung. Die Entwicklungen der kommenden Tage und Wochen werden entscheidend sein.
    Im Süden gelang es ukrainischen Panzer- und Infanterieverbänden, das Dorf Staromaiorske zu befreien, und sie stießen weiter in Richtung des benachbarten Urozhanie auf der anderen Seite des Flusses Mokri Yaly vor. Weiter westlich sind ukrainische Truppen in russische Verteidigungsstellungen östlich von Robotyne eingedrungen und kämpfen um den Einzug in die Stadt.

    Die neue Schlacht um Bachmut

    Unklar ist derzeit, wie weit die Ukraine bereits vordringen konnte. Videoaufnahmen zeigen ein einzelnes ukrainisches gepanzertes Fahrzeug, das einen Panzergraben vor der ersten russischen Hauptverteidigungslinie bei Robotyne erreicht. Dies könnte darauf hindeuten, dass die ukrainischen Streitkräfte wesentlich tiefer in die russische Verteidigung eingedrungen sind, als bisher bestätigt werden konnte.
    Dara Hassanzadeh | ZDF-Reporter in Odessa
    "Es wurde von der erfolgreichen Eroberung von einem Dorf berichtet." Wie strategisch wertvoll das sei, ließe sich noch nicht sagen, so ZDF-Reporter Dara Hassanzadeh aus Odessa.28.07.2023 | 3:05 min
    In Bachmut gelang es den Ukrainern, die russischen Truppen sowohl in Andriivka als auch in Kurdyumivka zurückzudrängen. Inzwischen scheinen die Ukrainer den größten Teil von Bachmut unter Feuer zu haben, einschließlich der Straßen, die in die Stadt führen. Auch in diesem Abschnitt finden heftige Kämpfe statt.
    Die Taktik der Ukraine, die Logistik und die Artillerie Russlands systematisch zu schwächen, hat offenbar erste Früchte getragen. In dieser Woche konnte die russische Artillerie die Vorstöße der Ukraine weit weniger behindern als zu Beginn der Gegenoffensive Anfang Juni. Dennoch fügen sie der Ukraine weiterhin Verluste zu.
    Auch die ausgedehnten Minenfelder stellen weiterhin ein ernstes Problem dar, ebenso wie der aktive Einsatz von Selbstmorddrohnen durch Russland.



    Russland flutet den Informationsraum

    Ähnlich wie bei früheren ukrainischen Angriffen bewahrt Kiew striktes operatives Schweigen. Dies sorgt zwar für die nötige operative Sicherheit, ermöglicht es Russland aber, den Informationsraum mit seinen eigenen Narrativen zu überschwemmen, ohne dass es Gegenargumente gibt. Derzeit versucht Moskau aktiv, den Westen davon zu überzeugen, dass sich die Gegenoffensive der Ukraine schnell als blutiger Misserfolg erwiesen hat.
    Tatsächlich ist es jedoch schwer zu sagen, ob dieser neue ukrainische Versuch in Saporischschja bereits der Durchbruch ist. Der "Nebel des Krieges" liegt dicht über dem Schlachtfeld.
    Einerseits konnte aus offenen Quellen entnommen werden, dass die Ukraine für diesen Einsatz bisher nur drei bis vier Bataillone eingesetzt hat. Möglicherweise sind es mehr, aber nur die Anwesenheit dieser wenigen kann mit Sicherheit bestätigt werden; alles in allem scheint es etwas mehr als eine Brigade zu sein.
    Prof. Carlo Masala | Politikwissenschaftler Universität der Bundeswehr München
    Selbst wenn die ukrainische Offensive gut läuft, "bis runter zum Asowschen Meer sind es noch 115 Kilometer", so Politikwissenschaftler Prof. Carlo Masala.28.07.2023 | 4:55 min
    Mit anderen Worten: Bislang ist die Zahl der Einheiten, die für diese Offensivmanöver im Süden eingesetzt werden, im Vergleich zu den großen Kräften, die die Ukraine für die Gegenoffensive gesammelt hat, recht begrenzt.

    Geländegewinne strategisch wenig bedeutsam

    So lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, dass diese neuen Manöver bereits der Hauptstoß der Ukraine sind. Sie können sich in Zukunft zu einem solchen entwickeln oder als Vorbereitung für einen künftigen Hauptschlag dienen, aber so weit sind wir noch nicht.
    Außerdem sind die territorialen Gewinne der Ukraine, einschließlich der Befreiung von Staromaiorske, noch nicht von strategischer Bedeutung. Dieser Teil der Region Saporischschja ist mit vielen sehr kleinen Dörfern übersät, sodass die Befreiung von ein oder zwei von ihnen das strategische Bild noch nicht verändert.
    Sollten Nachrichten darüber auftauchen, dass die ukrainischen Streitkräfte die erste russische Hauptverteidigungslinie durchbrechen, wäre dies bereits ein Indikator für eine bedeutendere Veränderung.
    Alles in allem ist dieser ukrainische Vorstoß sicherlich größer als das, was wir bisher bei der Gegenoffensive gesehen haben, aber man kann noch nicht sicher sein, ob dies bereits der Hauptdurchbruch ist, wenn es überhaupt einen einzigen Durchbruch geben wird.
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