Reise des Bundespräsidenten:Steinmeier in Türkei - ein schwieriger Besuch
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reist in die Türkei. Auf der Agenda des Besuchs stehen viele kritische Punkte - von der Menschenrechtslage bis zur Haltung zur Hamas.
Sie holten in Essen unter Tage die Kohle aus der Tiefe und schraubten in Köln am Fließband Autos zusammen: Hunderttausende Türken trugen ab den Sechzigerjahren zum deutschen Wirtschaftswunder bei.
Diese bei den Deutschen oft in Vergessenheit geratene Leistung will Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seinem dreitägigen offiziellen Besuch in der Türkei von diesem Montag an würdigen.
Er begonn ihn deshalb in Istanbul im historischen Bahnhof Sirkeci, von dem aus viele Türken die Fahrt in eine ungewisse Zukunft in Deutschland angetreten haben.
Am 30. Oktober 1961 hatte Deutschland mit der Türkei ein Abkommen zur Anwerbung von Arbeitern abgeschlossen, so wie zuvor bereits mit Italien, Griechenland und Spanien. Laut Auswärtigem Amt kamen im Zuge des Abkommens etwa 87.000 Menschen aus der Türkei nach Deutschland.
Als die Anwerbungen wegen Ölkrise und Rezession 1973 endeten, lebten rund eine Million Türken in Deutschland. Viele blieben für immer, holten ihre Familien nach. Heute leben in Deutschland fast drei Millionen Menschen mit türkischer Migrationsgeschichte.
Quellen: dpa, KNA
Als die Anwerbungen wegen Ölkrise und Rezession 1973 endeten, lebten rund eine Million Türken in Deutschland. Viele blieben für immer, holten ihre Familien nach. Heute leben in Deutschland fast drei Millionen Menschen mit türkischer Migrationsgeschichte.
Quellen: dpa, KNA
Besuch bei einem schwierigen Partner
Politisch wird es ein Besuch bei einem wichtigen, aber schwierigen Partner. Steinmeier kommt nur wenige Wochen nach den Kommunalwahlen in der Türkei, deren Bedeutung über das Lokale hinausging.
Die Wähler verpassten dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Ende März einen Denkzettel. Seine islamisch-konservative AKP wurde erstmals nicht mehr stärkste Kraft im Land. Stattdessen triumphierte landesweit die größte Oppositionspartei CHP. Der Bundespräsident wird gleich nach seiner Ankunft den wiedergewählten Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu treffen.
Steinmeier hat bei seiner Türkei-Reise Ungewöhnliches im Gepäck
Der Bundespräsident hatte einen 60 Kilo schweren, tiefgefrorenen Dönerspieß an Bord seiner Maschine, und den dazugehörenden Imbissbuden-Besitzer.
In dritter Generation betreibt Arif Keles in Berlin seinen Döner-Imbiss. Steinmeier nahm ihn und eine Reihe weiterer Gäste als Beispiele für deutsch-türkische Migrationsgeschichten mit.
Jemand aus dem Bundespräsidialamt hat mich angerufen, er wollte auf einen Kaffee vorbeikommen und hat mir von der Idee erzählt, mich mit auf den Staatsbesuch zu nehmen. Ich dachte nur: Was für eine Ehre!
Arif Keles, Berliner Imbißbuden-Besitzer
Keles ist in Berlin kein Unbekannter - bei ihm kehrten auch schon mal die Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft ein.
Kritische Themen auf der Agenda
Am Ende seines Türkei Besuches wird Steinmeier mit Türkeis Präsidenten Erdogan zusammen sein. Dabei dürften auch unangenehme Themen zur Sprache kommen. So sitzen noch immer wichtige Vertreter der Zivilgesellschaft wie der Kulturförderer Osman Kavala in Haft.
Eine besondere Herausforderung wird das Thema Gaza-Krieg werden, bei dem Berlin und Ankara völlig konträre Positionen einnehmen. Auf deutscher Seite sorgt Erdogans Haltung zur radikalislamischen Hamas für Irritationen. Die Palästinenserorganisation ist für das Massaker am 7. Oktober in Israel verantwortlich - doch Erdogan bezeichnet sie als Befreiungsorganisation.
Dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu wirft er ein "Massaker" im Gazastreifen vor, vergleicht ihn auch schon mal mit Adolf Hitler.
Besuch im Erdbebengebiet geplant
Meine Freundschaft mit Steinmeier reicht Jahre zurück.
Türkeis Staatspräsident Erdogan
Beide Politiker können also auch Klartext miteinander sprechen.
Die enge Verbindung zwischen beiden Ländern wurde auch nach dem schweren Erdbeben in der Türkei und in Syrien im Februar vergangenen Jahres deutlich. Allein in der Türkei starben nach offiziellen Angaben mehr als 53.000 Menschen. Die Bundesregierung sagte beiden Ländern damals eine Erdbebenhilfe von 238 Millionen Euro zu.
Zudem wurden in einem beschleunigten und vereinfachten Verfahren mehr als 17.000 Visa für vom Erdbeben betroffene Türkinnen und Türken ausgestellt, damit diese vorübergehend oder im Rahmen des Familiennachzugs auch dauerhaft nach Deutschland kommen konnten. Ein Besuch im Erdbebengebiet steht auch auf Steinmeiers Reiseprogramm.
Quelle: dpa
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