Erdbeben in Istanbul: Warum ein stärkeres Beben erwartet wird
Nach dem Erdbeben in Istanbul:Türkei: Warum ein stärkeres Beben erwartet wird
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Die Erde kommt nach den Beben in der Türkei nicht zur Ruhe: Der Katastrophendienst meldet weitere Nachbeben in Istanbul. Experten halten derweil ein Großbeben für möglich.
In der Türkei ist es im Großraum Istanbul zu einem schweren Erdbeben gekommen.23.04.2025 | 1:14 min
Nach den Erdbeben in der Region um Istanbul mit mehr als 200 Verletzten gibt es Warnungen vor einem weiteren und deutlich gefährlicheren Beben. Laut Marco Bohnhoff vom GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung in Potsdam könnte es mit einer Stärke von 7,4 große Zerstörung anrichten - das stärkste Beben lag bisher bei 6,2.
Eine solche Erschütterung wäre laut Bohnhoff etwa 60-fach stärker als das stärkste der bisherigen Beben - und fände keine 20 Kilometer von der Millionenmetropole entfernt statt. Manche Fachleute, die in türkischen Medien zu Wort kommen, rechnen sogar mit einer Magnitude von 7,7. Obwohl Experten seit Jahrzehnten vor einem großen Erdbeben warnen, gilt die Metropole am Bosporus mit rund 16 Millionen Einwohnern nicht als erdbebensicher.
Die Momenten-Magnituden-Skala misst, wie stark ein Erdbeben war.
Einer Studie der Stadtverwaltung zufolge könnten bei einem Beben der Stärke 7,5 etwa 14.500 Menschen sterben, andere Experten gehen von deutlich mehr Toten aus - manche gar von Hunderttausenden. Doch wieso soll es nun schon wieder ein Erdbeben geben?
Seismologe rechnet mit stärkerem Beben
Nach Angaben des GFZ handelt es sich bei der Region am Marmarameer um eine der risikoreichsten geologischen Strukturen der Welt. Dort verläuft die sogenannte nordanatolische Verwerfung, also eine Art Riss im unterirdischen Gestein, der sich vom Osten der Türkei über mehr als 1.000 Kilometer in den Westen zieht. Diese Verwerfung ist die Plattengrenze zwischen der Anatolischen und Eurasischen Erdplatte.
In der türkischen Metropole Istanbul ist es zu mehreren Erdbeben gekommen. Die Epizentren lagen im Marmarameer vor der Stadt, das schlimmste Beben hatte eine Stärke von 6,2.23.04.2025 | 0:19 min
Das Problem: Der Bereich unterhalb des Marmarameeres südlich von Istanbul ist der einzige Bereich der gesamten Plattengrenze, wo es seit mehr als 250 Jahren kein Starkbeben mehr gab. Daher habe sich dort besonders viel Energie aufgestaut, erklärte Bohnhoff.
Diese Energie wird sich in absehbarer Zukunft in Form eines noch stärkeren Bebens der Magnitude bis zu 7.4 entladen.
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Marco Bohnhoff, Seismologe am GFZ Helmholtz-Zentrum
Die Türkei liegt in einer der aktivsten Erdbeben-Regionen der Welt: Das Land hat in den letzten 50 Jahren fünf Mal das tödlichste Erdbeben weltweit erlebt (2023, 2020, 1999, 1983 und 1975).
Es waren aber nie die Erdbeben mit der größten Stärke - da nicht nur die Stärke entscheidend ist für die Opferzahl, sondern auch die Dichte der Bevölkerung in dem betroffenen Gebiet und auch der Bauqualität und -praxis.
Die grundlegende Ursache der Erdbeben ist die plattentektonische Bewegung. Die Kollision der Arabischen Platte nach Norden in Eurasien zwinge die dazwischenliegende Anatolische Platte mit einer Geschwindigkeit von etwa zwei Zentimetern pro Jahr nach Westen.
Aufgrund der Reibung, die dabei entlang der Bruchlinien entsteht, ist die Bewegung nicht glatt, sondern es baut sich lokal über Jahre oder Jahrzehnte eine Spannung auf, bis die angesammelte Spannung stark genug ist, um den Widerstand zu überwinden, und Gesteinsmassen mit einem plötzlichen Ruck aneinander vorbeischnappen.
Experte: Beben Richtung Istanbul gewandert
Das Beben von Mittwoch habe ein solches starkes Beben nun noch mal wahrscheinlicher gemacht, denn damit sei ein Übergangsbereich der ohnehin schon kritisch geladenen Verwerfung unterhalb Istanbuls aktiviert worden.
Zudem sei das Beben im Vergleich zum letzten größeren in der Region im Jahr 2019 weiter in Richtung Istanbul gewandert. Während die Verwerfung (also der Riss) westlich des Bebens laut Bohnhoff "still und leise" weiterkriecht, ist sie im Osten (Richtung Istanbul) verhakt - wodurch noch mehr Energie im Untergrund gespeichert sei.
Dennoch bleibt eine Aussage über den genauen Zeitpunkt eines solchen Starkbebens unmöglich nach heutigem Stand der Wissenschaft.
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Marco Bohnhoff, Seismologe am GFZ Helmholtz-Zentrum
Quelle: ZDF
Erdogan: "Bürger können beruhigt sein"
Schon am Mittwoch hatte in Istanbul die Erde mehrfach gebebt. Kurz vor 13 Uhr Ortszeit registrierte die Katastrophenschutzbehörde Afad das bislang stärkste Beben mit 6,2. Das Epizentrum war im vor der Stadt gelegenen Marmarameer. Zahlreiche weitere Erdstöße der Stärken 4 bis 5 folgten - inzwischen waren es laut Afad mehr als 185.
Nach Angaben von Gesundheitsminister Kemal Memisogl auf der Plattform X gab es insgesamt 236 Verletzte - davon 173 in Istanbul, die übrigen in anderen Provinzen. Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte am Abend:
Unsere Bürger können beruhigt sein. Als Staat werden wir weiterhin rund um die Uhr mit allen unseren Einheiten in Alarmbereitschaft bleiben und für unsere Nation arbeiten, die Situation unter Kontrolle zu haben.
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Recep Tayyip Erdogan, türkischer Präsident
Beruhigt sind aber wohl die wenigsten der Bewohner. Zwar wurden in den vergangenen Jahren auch vor dem Hintergrund der verheerenden Erdbebenkatastrophe im Südosten des Landes 2023 Programme zur Erneuerung gefährdeter Gebäude vorangetrieben. Mehr als eine Million Gebäude gelten aber immer noch als nicht sicher.
Zwei Jahre nach dem letzten heftigen Erdbeben in der Türkei wurden in der betroffenen Region mittlerweile mehr als 200.000 Häuser schlüsselfertig übergeben. Noch immer warten zehntausende Erdbebenopfer auf ein neues Zuhause.06.02.2025 | 2:15 min
Schlechte Bausubstanz gefährdet Menschen
Experten gehen davon aus, dass infolge eines Großbebens Zehntausende Menschen getötet werden könnten. Als Grund wird etwa die schlechte Bausubstanz genannt. Die Türkei liegt in einer der seismisch aktivsten Gegenden der Welt.
Laut dem Istanbuler Gouverneursamt gab es zunächst keine Berichte über eingestürzte Gebäude. Die Bürger wurden gebeten, Ruhe zu bewahren und sich beschädigten Gebäuden nicht zu nähern.
Der Minister für Verkehr und Infrastruktur, Abdulkadir Uraloglu, schrieb auf der Plattform X, es seien bei einer ersten Bestandsaufnahme keine Schäden an Straßen, Flughäfen, Zügen und U-Bahnen festgestellt worden. Laut Städtebauminister Murat Kurum (AKP) wurden zwölf Gebäude vorsorglich evakuiert.
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