Massendemos in der Türkei:"Hoffnung, die Demokratie doch zu bewahren"
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Ein breiter gesellschaftlicher Protest trotz Verboten und Polizeigewalt: Politologe Küpeli sieht einen wachsenden Druck auf die Erdogan-Regierung - und zwei mögliche Szenarien.
Die Anzahl der Menschen, die für Imamoglu auf die Straße gehen, hätten eine Dimension weit über das CHP-Spektrum hinaus, so Politologe Ismail Küpeli.29.03.2025 | 7:24 min
Politologe Dr. Ismail Küpeli von der Ruhr-Universität Bochum erklärt im Gespräch mit ZDFheute live, warum es bei den Protesten nicht mehr nur um Imamoglu geht, der die Oppositionspartei CHP in den Präsidentschaftswahlkampf führen sollte - und warum er eine Zerschlagung der Proteste befürchtet.
Sehen Sie das ganze Interview oben im Video oder lesen Sie hier Auszüge des Gesprächs:
"Protestwelle hat sich deutlich ausgeweitet"
Für Küpeli nähert sich die Dimension der Demonstrationen den Gezi-Protesten im Jahr 2013, als man Millionen von Menschen auf den Straßen gesehen habe. "Diese Protestwelle hat sich jetzt deutlich ausgeweitet", sagt der Politologe. Auch in der Provinz des Landes gebe es eine Vielzahl von Demonstrationen.
Hunderttausende treibt es in Istanbul erneut auf die Straßen, für die Freilassung ihres Bürgermeisters Imamoglu. Die Opposition spricht von politischer Justiz - Erdogan von Terror.29.03.2025 | 2:38 min
Dabei wagten sich die Menschen trotz bestehender Versammlungsverbote, Polizeigewalt und Berichten über Folterungen in den Gefängnissen auf die Straße zu gehen. Eine sehr breite Opposition sei sich einig, dass die Festnahme Imamoglus und das Vorgehen der AKP-Regierung und Präsident Erdogan falsch sei:
Gerade wenn man sich anschaut, wer sich in den letzten Tagen, also welche Parteien sich etwa für Imamoglu und die CHP geäußert haben, dann geht das tatsächlich vom extremen rechten Rand bis in die linke Opposition hinein.
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Ismail Küpeli, Politologe
Küpeli: Reste der Demokratie könnten "abgeräumt" werden
Sollte es Erdogan und seiner Regierung gelingen, den aktuellen "Machtkampf" durchzustehen, fürchtet Küpeli, "dass auch wirklich die letzten Reste der Demokratie in der Türkei abgeräumt werden". Dieser Punkt treibe viele Menschen auf die Straßen, schätzt der Politologe. Es sei ...
... diese Hoffnung, die Demokratie doch zu bewahren - oder auch eben die Angst vor der weiteren Entwicklung in den nächsten Jahren.
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Ismail Küpeli, Politologe
Die Festnahme von Imamoglu deutet Küpeli als Anzeichen dafür, dass die Unterstützung für Erdogan und die AKP schwinde:
Ich kann mir nicht vorstellen, dass sonst Erdogan diesen Schritt so gewagt hätte.
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Ismail Küpeli, Politologe
Erdogan sei ein "kluger Machtpolitiker" und wisse um das Risiko seines Handelns, sagt Küpeli. Bisher habe es Erdogan auch so immer gut geschafft, die Opposition "auseinander zu dividieren" und das eigene Lager zusammenzubringen. "Dass er jetzt diesen Schritt wagt, zeigt eigentlich, dass ihm das so nicht mehr gelingt", konstatiert Küpeli.
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Politologe fürchtet gewaltsame Niederschlagung der Proteste
Man müsse davon ausgehen, dass das aktuelle Verfahren gegen Imamoglu politisch motiviert sei, so die Einschätzung des Politologen. Es würden der "Vorwurf der Korruption, aber auch die ganzen Terrorvorwürfe, die noch absurder sind" herangezogen, um Erdogans wichtigsten Rivalen politisch auszuschalten.
Für die weitere Entwicklung sieht Küpeli zwei mögliche Szenarien. Er selbst wünsche sich, "dass die Regierung einsieht, dass sie hier doch den Bogen überspannt hat, dass sie tatsächlich Millionen von Menschen gegen sich hat". Momentan sehe es aber so aus, dass sich die Erdogan-Regierung versuche mit allen Mitteln an der Macht zu halten:
Was ich leider befürchte ist, dass die Protestbewegung wie schon die Gezi-Proteste 2013 gewaltsam niedergeschlagen werden.
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Ismail Küpeli, Politologe
Das Interview führte Marc Burgemeister bei ZDFheute live, zusammengefasst hat es Julian Vulturius.
Quelle: dpa
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