Ukraine: Unabhängigkeitstag unter Raketendrohung

    Ukraine in Angst vor Attacken:Unabhängigkeitstag unter Raketendrohung

    Henner Hebestreit
    von Henner Hebestreit
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    Heute vor 33 Jahren erklärte die Ukraine ihre Unabhängigkeit. Seitdem ist der 24. August der Nationalfeiertag des Landes. Der andauernde Krieg überschattet jegliche Feierfreude.

    Kiew am Unabhängigkeitstag
    Kiew und westliche Botschaften warnten wiederholt vor russischen Raketenangriffen am Feiertag.
    Quelle: ZDF/Hebestreit, Henner

    Die Morgensonne taucht Kiew heute, am Jahrestag der Erklärung der ukrainischen Unabhängigkeit, in Goldenes Licht. In diesen Zeiten keine Selbstverständlichkeit: Westliche Botschaften und auch die Regierung in Kiew haben wiederholt vor massiven russischen Raketenangriffen rund um diesen Tag gewarnt.
    Doch die Menschen im Land lassen sich von solchen Drohungen kaum noch beeindrucken: "Wir werden seit dem 22. Februar 2022 ständig bombardiert", ist ein oft gehörtes Argument. Die russische Raketengefahr hat seit Beginn von Putins Angriffskrieg alle Feiern der ukrainischen Souveränität überschattet, ohne, dass Schlimmeres passierte als man in der Ukraine sowieso schon täglich an russischem Terror erleidet - der Krieg ist im Osten Europas Teil des Alltags geworden.
    Das Schulgebäude, das in der Nacht des 17. August 2024 durch zwei russische Gleitbomben im Dorf Yunakivka, 9 Kilometer von der Grenze zu Russland in der Region Sumy, zerstört wurde.
    Die ukrainischen Truppen geraten in der Region Donezk im Osten des Landes immer weiter in Bedrängnis. Besonders intensiv sind die Kämpfe in der Nähe der Städte Pokrowsk und Sumy. 23.08.2024 | 1:52 min

    Vorstoß auf Pokrowsk: Sorge um Bergbaustadt

    In diesen Tagen allerdings bahnt sich in der Oblast Donezk eine weitere Tragödie an: Russische Truppen sind bis auf wenige Kilometer an die Bergbaustadt Pokrowsk vorgestoßen, versuchen, die Stadt südlich zu umgehen, könnten den Verteidigern in den Rücken fallen. 62.000 Menschen lebten hier in Friedenszeiten, aktuell haben sich viele Bewohner aus dem Umland hierhin gerettet, hoffen auf einen Platz im täglichen Zug in den ruhigeren Westen des Landes. Die Ukrainische Eisenbahn hat neun Waggons mehr angehängt als üblich, kann so knapp 400 Flüchtende und deren Habseligkeiten aus der Gefahrenzone transportieren.
    "So langsam gehen sie alle weg", sagt Volodymr aus dem Dorf Myrnograd, das der Front am nächsten ist.

    Die Situation wird immer schlimmer, es knallt lauter und lauter, das macht den Menschen Angst.

    Volodymr aus Myrnograd

    Und seine Nachbarin fällt völlig aufgelöst ihrem Sohn in die Arme: "Ich habe schon drei Tage nicht mehr gegessen, wann komm ich denn endlich weg von diesen ständigen Explosionen", schluchzt sie, während das nächste Artilleriegeschoss in der Nähe mit einem lauten Knall detoniert und die tränenüberströmte Frau zusammenzuckt.
    Halbierte Wassermelone
    In Kiew zahlen Kunden zwei Melonen und nehmen eine selbst mit nach Hause – die andere bekommen Soldaten zur Stärkung.23.08.2024 | 2:17 min


    Trotz Kursk-Offensive der Ukraine: Russland rückt weiter

    Mit der Offensive in der russischen Region Kursk hatten ukrainische Generäle gehofft, Putin zu einer teilweisen Umgruppierung seiner Truppen zurück auf heimisches Terrain zu zwingen. Aus den Räumen Charkiw und Saporischschja hat es jetzt tatsächlich entsprechende Bewegungen gegeben, nicht aber aus dem Donbas, der Vormarsch auf Pokrowsk geht mit unvermittelter Härte weiter.
    Trotzdem halten Militäranalysten im Land den Überraschungsangriff nicht für bodenlosen Leichtsinn. "Es ist doch unmöglich, sich ständig zu verteidigen und auf Verhandlungen zu warten, während man zurückweicht", sagt Denys Popowytsch, Militärbeobachter aus Kiew.

    Man muss irgendwo vorstoßen, muss neue Möglichkeiten schaffen, um dem Gegner dann selbst Bedingungen diktieren zu können.

    Denys Popowytsch, Militärbeobachter

    Henner Hebestreit im Ukraine-Update
    Durch die erfolgreiche Offensive habe sich die Stimmung unter den ukrainischen Soldaten etwas gebessert, berichtet ZDF-Reporter Henner Hebestreit aus Kiew.22.08.2024 | 4:48 min

    Unabhängigkeitstag: Keine großen Feierlichkeiten

    Immerhin gut 1.000 Quadratkilometer Land und 100 Dörfer konnten die Soldaten erobern und Putin kurz vor dem Jahrestag der ukrainischen Unabhängigkeit eine peinliche Blamage zufügen.
    So ganz trauen sie in Kiew der Ruhe an diesem Morgen nicht: Auf die Ankündigung großer Feierlichkeiten hat man verzichtet, will keine Menschenaufläufe organisieren, will sie nicht in Lebensgefahr bringen, falls der befürchtete Raketenschlag im Laufe des Tages doch noch erfolgt. Immer noch ist es Putin, der mit der Angst der Menschen in der Ukraine und ihrer westlichen Unterstützer spielt.
    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

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    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
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