Krim-Frage: Strebt Selenskyj eine Verhandlungslösung an?

    Ukrainischer Präsident:Krim: Strebt Selenskyj Verhandlungslösung an?

    Katja Belousova
    von Katja Belousova
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    Der ukrainische Präsident spricht von einer "politischen Lösung" für die Krim - von möglichen Verhandlungen ist die Rede. Was diese Aussage bedeutet.

    Archviv: Wolodymyr Selenskyj, aufgenommen am 14.08.2023 in Soledar (Ukraine)
    Was meint Wolodymyr Selenskyj, wenn er von einer "politischen Lösung" der Krim-Frage spricht?(Archivfoto)
    Quelle: dpa

    "Selenskyj deutet Verhandlungslösung für Krim an": Diese Überschrift lässt seit Sonntagabend aufhorchen. Der ukrainische Präsident, der um die Krim verhandeln will, statt sie - wie bislang bekundet - militärisch zurückzuerobern? Vor allem das Wort "Verhandlungen" schürt dabei leise Hoffnungen auf eine Annäherung im Ukraine-Krieg.
    Grundlage für die Aussage ist ein Interview des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, in dem er erklärte:

    Wenn wir an den Verwaltungsgrenzen der Krim sind, denke ich, kann man politisch die Demilitarisierung Russlands auf dem Gebiet der Halbinsel erzwingen.

    Wolodymyr Selenskyj

    Doch was genau meint der ukrainische Präsident damit? Und ist dieses Ziel realistisch?
    Die Ukraine nimmt die Krim aktuell militärisch in den Fokus:

    Was ist von Selenskyjs Krim-Aussage zu erwarten?

    Gerhard Mangott, Experte für Sicherheitsforschung im postsowjetischen Raum von der Universität Innsbruck, warnt vor einer Überinterpretation der Aussage. "Selenskyj sieht eine Verhandlungslösung für die Krim, erst NACHDEM die russische Armee die Halbinsel verlassen hat. Das wird die russische Armee nie freiwillig machen", erklärt er ZDFheute.
    Denn wenn Moskaus Truppen von der Krim abzögen, würde die ukrainische Armee auf das Gebiet vorstoßen und die Halbinsel zurückerobern, so Mangott.

    Der Vorschlag Selenskyjs scheint nur eine neue Wendung zu sein. Tatsächlich ist davon jedoch nichts zu erwarten.

    Gerhard Mangott, Uni Innsbruck

    Karte: Ukraine - Kiew, Cherson, Saporischschja, Krim
    Quelle: ZDF

    Die Krim, mit 26.000 Quadratkilometern knapp so groß wie das Bundesland Brandenburg, hat eine wechselhafte Geschichte. Jahrhundertelang von Griechen, Türken oder Tataren beherrscht, gehörte die strategisch bedeutsame Halbinsel im Schwarzen Meer nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst zu Russland. Zuvor galt die Krim im Zuge der Oktoberrevolution noch als autonome Republik innerhalb Sowjetrusslands.

    1954 erklärte der aus der Ukraine stammende damalige Kremlchef Nikita Chruschtschow die mehrheitlich von Russen bewohnte Halbinsel zu einem Teil der Ukrainischen Sowjetrepublik.

    Nach dem Zerfall der UdSSR erklärte sich die Ukraine 1991 für unabhängig. Ein Jahr darauf verhinderte die Zentralregierung in Kiew ein von pro-russischen Kräften angestrebtes Referendum über die Unabhängigkeit der Krim. Als Zugeständnis wurde sie zur Autonomen Republik mit weitreichenden Rechten erklärt.

    2010 schlossen Russland und die Ukraine einen Vertrag über russische Gaslieferungen - im Gegenzug wurde der Pachtvertrag mit der russischen Marine auf der Krim verlängert. Das auf der Halbinsel gelegene Sewastopol ist seit dem 19. Jahrhundert Hauptstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte.

    Im März 2014 annektierte Russland die Halbinsel.

    Aussage, um Westen zu beruhigen?

    Die Aussage sei auch vor dem Hintergrund zu verstehen, dass einige westliche Länder die Ukraine dazu drängen würden, die Krim nicht militärisch zurückzuerobern, weil sie darin ein hohes militärisches Eskalationsrisiko sehen.

    Diese Länder zu beruhigen, ist wohl auch ein Ziel dieses Angebots, über die Krim verhandeln zu wollen.

    Gerhard Mangott, Uni Innsbruck

    Russische Kapitulation "nahezu ausgeschlossen"

    Daher bezweifelt er, dass Selenskyjs Aussage als Paradigmenwechsel zu verstehen ist. "Ich glaube daher, dass es weiterhin das Ziel der ukrainischen Führung bleiben wird, die Krim zurückzuerobern, es sei denn, Russland würde vorher kapitulieren - was nahezu ausgeschlossen ist."
    Insofern interpretiert Mangott die jüngsten Aussagen des ukrainischen Präsidenten eher als Wunschdenken, denn als realistisches Szenario.
    Auch Militärexperte Gustav Gressel erkennt in der Aussage Selenskyjs keinen Paradigmenwechsel. Aus militärischer Sicht sei es aber nicht ausgeschlossen, dass die Ukraine perspektivisch an die Verwaltungsgrenze der Krim vorstoßen könnte.
    Weitere militärische Einschätzungen Gustav Gressels zur ukrainischen Gegenoffensive sehen Sie hier:

    Der längerfristige Plan Kiews

    "Der längerfristige Plan der Ukraine dürfte weiter darin bestehen, auf dem Landweg zum Asowschen Meer vorzustoßen, die Landverbindung zwischen Russland und der Krim zu kappen - und die Russen so unter Druck zu setzen", so Gressel.
    Der Weg dahin sei aber - aufgrund der vielen russischen Verteidigungslinien - noch weit. Große Fortschritte in Sachen Krim seien in diesem Jahr daher eher nicht zu erwarten.
    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

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