Rüstungskontrolle: Wird Russland wieder Atomwaffen testen?

    Ausstieg aus Verbotsvertrag:Wird Russland wieder Atomwaffen testen?

    von Christian Mölling, András Rácz
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    Russland ist im Begriff, sich aus dem Testverbotsvertrag CTBT zurückzuziehen, Atomtests sind aber vermutlich nicht das Ziel - man will das Narrativ des Eskalationsrisikos bedienen.

    Russische Topol-M Atomrakete, Archivbild
    Russische Topol-M Atomrakete, Archivbild
    Quelle: AP

    Russland setzt wieder auf nukleare Abschreckung: Die Staatsduma der Russischen Föderation zog am 18. Oktober die Ratifizierung des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT) durch Moskau zurück. Die offizielle Begründung lautete, dass Russland beabsichtige, rechtliche Gleichheit mit den Vereinigten Staaten herzustellen, die den CTBT zwar unterzeichnet, aber nie ratifiziert haben.

    Der Atomteststopp-Vertrag wurde 1996 verabschiedet, um die Weiterentwicklung von Nuklearwaffen einzudämmen. Das globale Testverbot ist zwar noch nicht in Kraft getreten, doch seit den 1990er Jahren haben sich alle Staaten bis auf Nordkorea daran gehalten. Die CTBT-Organisation in Wien betreibt ein globales Netzwerk an Messstationen, die Atomtests anhand von Druckwellen sowie chemischen und nuklearen Spuren entdecken können. Russland will auch künftig Daten von seinen eigenen 32 Stationen liefern.

    Quelle: dpa

    Der Gesetzesentwurf über die Rücknahme der Ratifizierung geht nun an das Oberhaus des Parlaments und anschließend an den Präsidenten zur Genehmigung. Höchstwahrscheinlich werden jedoch beide Schritte nur Formalitäten sein, sodass Russland tatsächlich aus dem CTBT-Vertrag aussteigen wird. Putin selbst hatte diese Möglichkeit in seiner Rede auf der Valdai-Konferenz erstmals erwähnt, dass Moskau seine Ratifizierung zurückziehen könnte.

    Atomtests unwahrscheinlich - Fünf Gründe

    Der Ausstieg aus dem Vertrag bedeutet nicht automatisch, dass die Atomtests wieder aufgenommen werden würden. Die Gründe:
    • 1. Russland hat aus technologischer Sicht einfach keine Notwendigkeit, die Atomtests wieder aufzunehmen. In den letzten 10 bis 15 Jahren hat Russland zwar eine Reihe neuer Trägervorrichtungen für Kernwaffen entwickelt, aber keine grundlegend neuen Arten von Kernwaffen selbst. Mit anderen Worten: Die Trägermittel wurden zwar erheblich verbessert - einschließlich der Einführung von Hyperschallraketen, Präzisions-Marschflugkörpern usw. - aber die Sprengköpfe selbst haben sich nicht grundlegend verändert.
    • 2. Die Wiederaufnahme von Atomtests würde die Büchse der Pandora wieder öffnen. Auch wenn einige wichtige Akteure den CTBT-Vertrag noch immer nicht ratifiziert haben, gilt das Verbot von Atomtests bereits seit Jahrzehnten, mit der einzigen Ausnahme von Nordkorea. Mit anderen Worten: Der weltweite Konsens gegen den Einsatz von Atomwaffen hat weitgehend gehalten. Die Wiederaufnahme von Atomtests würde diesen Konsens zunichte machen und möglicherweise andere Länder dazu zwingen, ihre Bereitschaft zu Atomwaffentests zu demonstrieren.
    • 3. Hätte Russland die Atomtests wirklich wieder aufnehmen wollen, wäre es wahrscheinlich vollständig aus dem Vertrag ausgestiegen. Stattdessen hat es nur die Ratifizierung widerrufen. Dieser Schritt ist einfacher rückgängig zu machen, als es ein vollständiger Rückzug. Die Tatsache, dass der stellvertretende russische Außenminister bestätigte, dass Moskau die Atomtests nur dann wieder aufnehmen würde, wenn die USA damit beginnen, ist ein klarer Hinweis darauf, dass Moskau die Situation nicht weiter eskalieren lassen will.
    • 4. Es eindeutig nicht in Moskaus Interesse, ein weiteres nukleares Wettrüsten zu beginnen. Da seine Verteidigungsausgaben bereits etwa 30 Prozent des Haushalts ausmachen. Russland will eindeutig ein zusätzliches, extrem kostspieliges nukleares Rüstungsprogramm vermeiden.
    • 5. Die Wiederaufnahme der Atomtests würde mit Sicherheit zu zusätzlichen, strengeren westlichen Sanktionen führen. Darüber hinaus würde dies auch sehr negative Reaktionen sowohl von Peking als auch von Neu-Delhi, Moskaus einzigen Alternativen zum Westen, hervorrufen.

    Ziel: Eskalations-Narrativ soll Unterstützung für Ukraine reduzieren

    Das wahrscheinlichste Ziel dieses offensichtlich vorsichtigen, begrenzten Eskalationsschritts Russlands besteht eher darin, den politischen und informationellen Druck auf den Westen zu erhöhen und so zu versuchen, unsere Länder aus Angst vor einer nuklearen Eskalation von der Unterstützung der Ukraine abzuhalten.
    Das Verhalten Russlands zeigt jedoch, dass sie selbst nicht bereit sind, über die Rücknahme der Ratifizierung eines Vertrags hinaus zu eskalieren.
    Explosion einer Atombombe mit Atompilz.
    Immer wieder droht der russische Präsident Wladimir Putin im Konflikt mit der Ukraine mit dem Einsatz von Atomwaffen. Die atomare Abschreckung scheint nicht mehr zu funktionieren.10.10.2024 | 29:05 min
    Alles in allem bedeutet der wahrscheinliche Austritt Russlands aus dem CTBT-Vertrag nicht automatisch, dass Moskau die Atomtests wieder aufnehmen würde. Zwar wird die rechtliche Möglichkeit dazu geschaffen, aber die Rücknahme der Ratifizierung mildert keine der schwerwiegenden negativen Folgen, mit denen Moskau rechnen müsste, wenn es tatsächlich wieder Atomtests durchführt.



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