Rüstungskontrolle: Putin droht mit Ausstieg

    Abkommen zu Atomteststopp:Rüstungskontrolle: Plant Putin den Ausstieg?

    von Christian Mölling und András Rácz
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    Russland verstärkt seine nuklearen Botschaften und signalisiert einen möglichen Ausstieg aus der Rüstungskontrolle. Testet Putin nur die Reaktionen der Außenwelt?

    Mikojan-MiG-31K-Jets der russischen Luftwaffe mit atomwaffenfähigen luftgestützten ballistischen Raketen vom Typ Kh-47M2 Kinzhal fliegen während einer Probe für die Militärparade zum Tag des Sieges in Moskau. (07.05.2021)
    Russische Kampfjets können mit atomwaffenfähigen ballistischen Raketen bestückt werden. Archiv.
    Quelle: AP

    Der Vertrag über ein umfassendes Verbot von Nuklearversuchen (Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty, CTBT) verbietet weltweit jegliche Versuchsexplosion von Kernwaffen sowie andere nukleare Explosionen. Er ist einer der letzten Rüstungskontrollverträge, an die Russland sich bislang hält.
    Nun hat der russische Präsident Wladimir Putin auf der internationalen Waldai-Konferenz diese Woche in Sotschi den Gedanken geäußert, Russland könnte aus dem Vertrag aussteigen. Er verwies auf die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten diesen Vertrag ohnehin nicht ratifiziert haben.

    Koordinierte Nachrichten deuten auf nukleare Testpläne hin

    Wjatscheslaw Wolodin, Sprecher der russischen Duma, war am 6. Oktober schnell zur Stelle und sagte, dass das russische Parlament die Entratifizierung bereits auf der nächsten Sitzung, die für den 9. Oktober angesetzt ist, behandeln kann.
    Während ein solcher Schritt den Weg für die Durchführung eines oder mehrerer Atomtests auf russischem Territorium ebnen könnte, bestritt der Kreml, dass Moskau einen Atomtest plane.
    Dennoch ist es wohl kaum ein Zufall, dass einige Tage zuvor einer der wichtigsten Fernsehpropagandisten Russlands, die Direktorin der Nachrichtenagentur Rossiya Segodnya, Margarita Simonyan, von der Durchführung eines großen Atomtests in Sibirien fantasierte.



    Nuklearwaffenhinweise ein Eskalationsschritt Putins?

    Ein weiterer Faktor deutet darauf hin, dass es hier um sogenanntes "nuclear messaging" oder "signalling" geht, also andere Staaten wissen zu lassen, dass es Veränderungen in der Nukleardoktrin geben könnte: Putin hatte in Waldai auch zwei neue russische Atomwaffen erwähnt.
    Ihm zufolge ist der nuklear angetriebene Marschflugkörper Burewestnik fertig und hat einen erfolgreichen Test hinter sich; außerdem ist die schwere ballistische Interkontinentalrakete RS-28 Sarmat ebenfalls fast fertig.

    Putin gelten sie als Wunderwaffe: Burewestnik-Marschflugkörper sollen über einen Kernreaktor als Antrieb verfügen. Laut einem Bericht der Organisation Nuclear Threat Initiative handelt es sich um eine "Zweitschlagwaffe", die dann noch abgefeuert werden soll, wenn eine Welle nuklearer Angriffe Ziele in Russland bereits zerstört hat. Burewestniks sollen vermutlich ebenfalls nukleare Sprengköpfe tragen und über 20.000 Kilometer weit fliegen. Sie könnten damit die halbe Welt umrunden und jeden Ort in den USA treffen - in der Theorie.

    In der Praxis hat die angebliche Wunderwaffe bisher offenbar jedes Mal kolossal versagt: 13 Tests hatte Russland laut Nuclear Threat Initiative zwischen 2017 und 2019 bereits durchgeführt - alle erfolglos. Meist seien die Raketen bereits nach wenigen Kilometern abgestürzt, der erfolgreichste Flug dauerte dem Bericht zufolge etwa zwei Minuten.

    2019 kam es zu einer Nuklearexplosion auf dem russischen Marinetestgelände Njonoksa - vermutlich als eine abgestürzte Burewestnik-Rakete aus dem Meer geborgen werden sollte. Fünf Wissenschaftler und zwei Militärs seien dabei getötet worden, berichtete die Deutsche Welle. Damals war auch eine erhöhte Radioaktivität in der Gegend am Weißen Meer gemessen worden. Der frühere US-Präsident Donald Trump schrieb bei Twitter, es habe sich um die berüchtigte Burewestnik gehandelt - eindeutig erwiesen ist das jedoch bis heute nicht.

    Gegenwärtig kann die Nachricht vom Ausstieg aus dem CTBT durchaus als kleiner, aber eindeutiger Eskalationsschritt von russischer Seite betrachtet werden - auch im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine.
    Die Tatsache, dass nicht nur Mitarbeiter der staatlichen Medien, sondern auch Putin selbst die Möglichkeit eines Atomtests angedeutet haben, ist definitiv eine bedeutende Veränderung. Diese Rhetorik geht weit über die üblichen, undurchsichtigen, zweideutigen Formulierungen wie "Russland mit allen Mitteln verteidigen" und so weiter hinaus.

    Politisches Spiel nach bekannten Regeln

    Wenn Russlands Parlament, die Duma, den Vertrag nächste Woche tatsächlich aufkündigt, wäre das ein weiterer, wenn auch wiederum sehr kleiner Schritt.
    Die gute Nachricht ist, dass Russland offenbar den klassischen, schrittweisen Ansatz verfolgt, der aus den Zeiten des Kalten Krieges und seinen Doktrinen bekannt ist: Man spricht über eine mögliche Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Atomtests und ist danach noch weit davon entfernt, einen tatsächlichen Test durchzuführen.

    Reaktionen der Nuklearmächte auf Russland entscheidend

    Höchstwahrscheinlich dienen diese Signale zunächst als Testballons, also, um zu testen, wie die Außenwelt - das heißt sowohl der Westen, China und wahrscheinlich auch Indien - reagieren auf solche Vorstellungen.
    Solche relativ kleinen, rhetorischen und rechtlichen Veränderungen schaffen noch keine Pfadabhängigkeit. Das Kommuniqué des Kremls lässt keine Bereitschaft für Tests erkennen: Im Moment hat sich Russlands Führung weder politisch verpflichtet noch ist es technisch gezwungen, einen echten Atomtest durchzuführen.
    Mit Blick auf die Stabilität der nuklearen Regeln wird es von entscheidender Bedeutung sein, die Reaktionen nicht nur des Westens, sondern auch von Peking und Neu-Delhi zu beobachten.
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