Welche Folgen der Prigoschin-Tod für Russland hätte

    Flugzeugabsturz mit Wagner-Chef?:Welche Folgen Prigoschins Tod haben könnte

    Nina Niebergall
    von Nina Niebergall
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    Wurde Prigoschin ermordet? Steckt Putin hinter dem Flugzeugabsturz? Viele Fragen sind offen. Was der mutmaßliche Tod des Wagner-Chefs für Russland bedeuten könnte.

    Noch in der Nacht versammeln sich Anhänger der Wagner-Gruppe in St. Petersburg. Sie legen Nelken vor dem Hauptquartier der Privatarmee nieder, Totenkopf-Abzeichen, zünden Kerzen an. Das zeigen Videoaufnahmen der Nachrichtenagentur AP. Für sie scheint festzustehen: Jewgeni Prigoschin ist tot.

    Anhänger gedenken Prigoschin

    "Ich habe es erst nicht geglaubt", sagt ein junger Mann, gehüllt in die schwarz-gelb-weiße Flagge des russischen Zarenreichs, die heute von Ultranationalisten als Symbol genutzt wird. "Aber als die Bestätigung dann kam, war ich sehr traurig." Zwei vermummte junge Männer sprechen scheinbar spontan zur Menge.

    Leute, uns fehlen im Moment einfach die Worte. Wir sind hier für einen Gedenkmoment. Lasst uns Jewgeni und alle unsere Kommandeure unterstützen. Wir brauchen jetzt eure Unterstützung.

    Wagner-Anhänger

    Zu diesem Zeitpunkt hatte der Telegram-Kanal "Grey Zone", den Prigoschin zur Verbreitung seiner Videos nutzte, den Tod schon gemeldet. Die eigenen Anhänger scheinen da bereits an einem Mythos zu arbeiten: Prigoschin, der Märtyrer.
    Menschen bringen Blumen zum ehemaligen „PMC Wagner Centre“ in St. Petersburg am 24.08.2023.
    Rosen und Totenkopf-Symbole: In St. Petersburg wird um Jewgeni Prigoschin getrauert.
    Quelle: epa

    Auch Wagner-Nummer-Zwei wohl tot

    Neben Prigoschin kam offenbar auch Dmitri Utkin ums Leben, die Nummer Zwei der Wagner-Gruppe. Er hatte der Privatarmee angeblich einst ihren Namen gegeben. Als Fan des Dritten Reichs, und allem, was dafür stand, inklusive des deutschen Komponisten Richard Wagner.
    Eine offizielle Bestätigung oder eindeutige Belege für den Tod gibt es nicht. Russlands Präsident Putin äußerte sich am Donnerstag vorsichtig. Ersten Erkenntnissen zufolge sei am Vorabend ein Flugzeug mit Angehörigen der Privatarmee Wagner abgestürzt. Er sprach den Angehörigen sein Beileid aus.
    Was über den Flugzeugabsturz bekannt ist:
    Prigoschin soll in einem Privatjet gesessen haben, der am Mittwochabend abstürzte. Das legt eine Passagierliste der Luftfahrtbehörde Rosawiazija nahe, die nur wenige Stunden nach dem Absturz veröffentlicht wurde. Es dauert nicht lange, bis in den Sozialen Netzwerken über die Umstände des Tods spekuliert wird. Für viele steht schnell fest, dass es kein Unfall gewesen sein kann.

    War es ein Auftragsmord?

    Putin ist bekannt dafür, seine Gegner aus dem Weg zu räumen. Und sein einstiger Vertrauter Prigoschin mauserte sich immer mehr zum Gegner: Er kritisierte die russische Militärführung wiederholt scharf für ihr Vorgehen in der Ukraine, das seine Männer zum Kanonenfutter gemacht habe. Und dann der Marsch auf Moskau, als Prigoschin die russische Armee und das System Putin bloßstellte.
    Es gibt nichts, was Wladimir Putin mehr hasst als Verräter. Viele waren deshalb überrascht, dass Prigoschin straflos davonkam. Und nicht nur das: Er tauchte offenbar mehrmals in Russland auf, etwa beim Afrika-Gipfel in St. Petersburg, und soll sich sogar mit Putin im Kreml getroffen haben.
    Prigoschin habe sich zu sicher gefühlt, schreibt der russische Politikwissenschaftler Abbas Galljamow auf seinem Telegram-Kanal. Anders sei es nicht zu erklären, dass er mutmaßlich über Russland geflogen und sich so in ein sichtliches Risiko begeben habe.

    Prigoschin unterschätzte, wie wichtig es für Putin war, ein Signal an alle potenziellen Rebellen zu senden: Leute, glaubt nicht, dass ihr das schafft und danach am Leben bleibt.

    Abbas Galljamow, Politikwissenschaftler

    Putin halte offenbar eine neue Rebellion oder Verschwörung für realistisch genug, um ernsthafte Schritte zu unternehmen, sie zu verhindern, so Galljamov.
    Putin vor Wagner Symbol und Rosen
    Wagner-Chef Prigoschin soll bei einem Flugzeugabsturz getötet worden sein - zweifelsfrei bestätigt ist das bislang nicht. Was zum Absturz bekannt ist und welche Rolle Putin spielt.24.08.2023 | 34:41 min

    Klassische Tyrannei ohne Ideologie

    Der Tod Prigoschins habe im Vergleich zu früheren mutmaßlichen Morden an russischen Oppositionellen eine neue Qualität. Denn hier habe das rücksichtslose Putin-Regime zum ersten Mal einen "Patrioten" getroffen. Das sei "klassische Tyrannei ohne Ideologie". Der russische Staat habe sich als "Terrorstaat" geoutet.

    Die Ermordung Prigoschins wird Putins Position unter den Eliten stärken, aber sie in den Augen der Öffentlichkeit schwächen.

    Abbas Galljamow, Politikwissenschaftler

    Unter den Russinnen und Russen scheint der Wagner-Chef, der aus Sicht vieler Kriegsbefürworter in der Ukraine die Kohlen aus dem Feuer geholt hat, beliebt. Wenn die Bevölkerung an einen Auftragsmord glaubt - was bedeutet das dann für die Beliebtheit Putins?

    Sowohl von russischer Seite als auch von Vertretern der Wagner-Gruppe ist der Tod Prigoschins vermeldet worden. Laut ZDF-Korrespondent Armin Coerper in Moskau steige Prigoschin aber oft nicht in die Maschine, auf deren Passagierliste er stand. "Fakt ist, es wird hier keine Untersuchung geben und kein Ergebnis geben, das für uns und unsere Standards irgendwie nachvollziehbar ist."

    Außerdem seien die Meldungen, dass Prigoschin unter den Toten ist, sehr schnell gekommen. "Das ging viel zu schnell als dass es da schon eine genetische Untersuchung oder sowas hätte gegeben haben können." (Quelle: ZDF)

    Prigoschin blamierte die Militärführung

    Russlands unabhängige politischen Analysten sind sich am Tag nach dem Flugzeugabsturz weitgehend einig: Prigoschin habe die russische Militärführung - vor allem Verteidigungsminister Sergeij Schoigu und den Chef der russischen Streitkräfte Waleri Gerassimow - zu sehr vorgeführt. Das analysiert auch Politikwissenschaftler Stanislaw Belkowski auf seinem YouTube-Kanal. Doch ihre Rache werde auch negative Auswirkungen für die Führung in Moskau haben.

    Die Liquidierung von Prigoschin hat die Kriegspartei in Russland demoralisiert. Das wird bald auf Putin zurückfallen. Putin hat am 24. Februar 2022 mit dem Prozess der Selbstzerstörung begonnen, dieser Prozess nähert sich seinem Höhepunkt.

    Stanislaw Belkowski, Politikwissenschaftler

    Eine Ahnung davon, was das bedeuten könnte, bekommt man, wenn man auf die russischen Militärblogs schaut. Militärjournalist Roman Saponkow schreibt etwa auf Telegram: "Die Leute, die den Befehl gegeben haben, verstehen nichts von der Stimmung in der Armee und ihrer Moral."

    Putin kondoliert Angehörigen
    :Wagner-Chef tot? Was bislang bekannt ist

    Der Chef der Söldner-Truppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, ist offenbar tot. Seine Privatmaschine stürzte ab. Wurde sie abgeschossen? Präsident Putin bleibt vage - das wissen wir.
    von Julia Klaus
    Notfallspezialisten tragen einen Leichensack in der Nähe der Trümmer des Privatjets des Wagner-Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin an der Absturzstelle in der Region Twer, Russland

    Soldaten demoralisiert?

    Und Egor Guzenko, ein russischer Soldat, der einen Blog unter dem Rufnamen "Thirteenth" betreibt, schreibt: "Wenn er wirklich tot ist, schnappe ich mir meine Sachen, wir brauchen diesen verdammten Krieg nicht."
    Bleibt noch die Frage, was mit der Gruppe Wagner nun passieren wird. Bei der spontanen Gedenkveranstaltung in der Nacht sagen die beiden vermummten jungen Männer, man würde jetzt auf die Kommandeure hören, die in der Hierarchie der Gruppe folgten. "Wir erwarten einen Befehl."
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    Russland greift die Ukraine an
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    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
    Auf dem Bild sieht man ukrainische Soldaten von hinten.
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