Prigoschin-Flugzeug-Absturz: Signal des Kreml an Putschisten?

    Prigoschin-Flugzeug-Absturz:Ein Signal des Kreml an die Putschisten?

    von Christian Mölling und András Rácz
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    Erste Anzeichen deuten nicht auf Flugzeugunglück hin. Es ist womöglich der Sieg des Kreml über die Wagner-Gruppe - ein Signal an die Putschisten.

    Trümmer eines Flugzeugs auf einem Feld in der Region Twer in Russland
    Dieses Foto, das russische Behörden veröffentlichten, zeigt Flugzeugtrümmer auf einem Feld in der russischen Region Twer. Es soll das Flugzeug sein, in dem Prigoschin gesessen haben soll.
    Quelle: dpa

    Am Mittwochnachmittag stürzte in der russischen Region Twer ein Privatflugzeug vom Typ Embraer 600 ab, das der Wagner-Gruppe gehört und häufig von dem Oligarchen Jewgeni Prigoschin, dem Eigentümer von Wagner, genutzt wird. Das Flugzeug war auf dem Weg von Moskau nach St. Petersburg.

    Russische Luftfahrtbehörde: Prigoschin in abgestürzter Maschine

    Die russische Luftfahrtbehörde Rosawiazija bestätigte zunächst, dass alle zehn Menschen an Bord der Maschine ums Leben kamen, sieben Passagiere und drei Besatzungsmitglieder. Später teilte die Behörde mit, dass Prigoschin auf der Passagierliste des Flugzeugs stand.

    Sowohl von russischer Seite als auch von Vertretern der Wagner-Gruppe ist der Tod Prigoschins vermeldet worden. Laut ZDF-Korrespondent Armin Coerper in Moskau steige Prigoschin aber oft nicht in die Maschine, auf deren Passagierliste er stand. "Fakt ist, es wird hier keine Untersuchung geben und kein Ergebnis geben, das für uns und unsere Standards irgendwie nachvollziehbar ist."

    Außerdem seien die Meldungen, dass Prigoschin unter den Toten ist, sehr schnell gekommen. "Das ging viel zu schnell als dass es da schon eine genetische Untersuchung oder sowas hätte gegeben haben können." (Quelle: ZDF)

    Auch der Gründer der Wagner-Gruppe, der erfahrene Söldner und De-facto-Kommandant Dmitry Utkin, soll den Angaben zufolge auf der Passagierliste gestanden haben. Der Name "Wagner" stammt von Utkins ursprünglichem Funkrufzeichen.
    Auch Wagner-nahe Telegram-Kanäle berichteten von dem Absturz. Der Kreml äußerte sich zunächst nicht dazu. Berichten zufolge handelte es sich bei einigen der anderen Passagiere um rangniedrigere Kommandeure der Wagner-Gruppe.

    Keine erkennbaren Gründe für einen Unfall

    Der Absturz ereignete sich genau zwei Monate nach dem gescheiterten Putschversuch von Prigoschin, der am 23. Juni begann. Nach den verfügbaren Flugdaten gewann das Flugzeug nach dem Start stetig an Geschwindigkeit und Höhe, stürzte dann aber plötzlich ab. Es wurden keine Anstrengungen für eine Notlandung unternommen, es wurde kein Notruf oder "Mayday" abgesetzt.
    Das Wetter war gut und das Flugzeug befand sich in einem guten Zustand. Alles in allem scheint ein Unfall auf der Grundlage der zunächst verfügbaren Informationen eher unwahrscheinlich.

    Spekulationen um Absturz von Wagner-Jet hoch im Kurs

    Dies löste natürlich sofort weit verbreitete Gerüchte und Verschwörungserzählungen in den russischen sozialen Medien aus. Viele argumentieren, dass das Flugzeug von der russischen Luftabwehr abgeschossen wurde - entweder aus Versehen oder absichtlich. Und es ist auch ein Video aufgetaucht, das angeblich den Absturz des Jets zeigt.
    Falls die Aufnahmen echt sind, zeigt es, dass die Embraer wie ein Stein fast senkrecht fiel, wobei ein Flügel fehlte und die Maschine keinerlei Schubkraft hatte. Der Heckteil des Flugzeugs fiel separat, das wurde visuell bestätigt.

    Das Ende der Freiheit der Wagner-Gruppe

    Sollte es sich bei den Opfern neben Prigoschin tatsächlich um Utkin und einige andere Wagner-Kommandeure handeln, bedeutet dies wahrscheinlich das Ende der Wagner-Gruppe als eine Einheit, die ein gewisses Maß an Autonomie genoss. Danach werden die überlebenden, untergeordneten Wagner-Kommandeure sicherlich nicht zögern, das Angebot des russischen Verteidigungsministeriums anzunehmen, sich unterordnen zu lassen.
    Mit anderen Worten bedeutet dies den vollständigen Sieg des russischen Verteidigungsministeriums und insbesondere von Minister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow über Prigoschin und die Wagner-Gruppe. Der langjährige Konflikt zwischen der Wagner-Gruppe und dem Ministerium endete mit dem Sieg der letzteren.



    Kurzes Leben für gescheiterte Putschisten

    Darüber hinaus ist die allgemeine politische Botschaft ebenso symbolisch und klar: Kein Putschversuch wird ungestraft bleiben und es gibt keine Vergebung für diejenigen, die versuchen, die Macht des Kremls anzugreifen. Dies passt in der Tat sehr gut in das allgemeine Muster der russischen Geschichte: Niemand, der einen Putschversuch unternahm und scheiterte, lebte danach noch lange.
    Der Absturz der Maschine bedeutet jedoch nicht das Ende des Einsatzes privater Militärfirmen in Russland. Der wichtigste Dienst, den Wagner leistete, war die Fähigkeit, militärische Gewalt auf zweideutige, verdeckte Weise einzusetzen. Diese Fähigkeit braucht Russland immer noch und wird sie auch nach dem Ende der Wagner-Gruppe, wie sie bislang bestanden hat, brauchen. Die eigentliche Frage ist also, wer und was Prigoschin und die Wagner-Gruppe im politisch-militärischen Werkzeugkasten des Kremls ersetzen wird.

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