Iran - Raketenlieferung sicher:Moskau vor militärischer Eskalation
von Christian Mölling, András Rácz
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Moskau hat 225 Kurzstreckenwaffen vom Iran geliefert bekommen. Der Westen reagiert mit Sanktionen und berät das weitere Vorgehen.
Iran soll 225 Fath-360-Raketen an Moskau geliefert haben. Auch wenn deren Reichweite kurz ist, die Geschwindigeit ist so hoch, dass eine Verteidigung als schwierig gilt.
Quelle: Imago
Mehrere westliche Quellen, darunter der US-Außenminister Anthony Blinken, haben offiziell bestätigt, dass der Iran Russland tatsächlich mit ballistischen Kurzstreckenraketen beliefert hat. Bislang sollen 225 Fath-360-Raketen an Russland geliefert worden sein. Es ist unklar, ob dies nur ein erster Teil einer größeren, bereits vereinbarten Menge ist oder ob dies bisher alles ist, was der Iran liefern wird.
Raketenlieferung als erhebliche Eskalation
Auch das Transportmittel ist bereits klar. Es ist bereits Bildmaterial über das Schiff aufgetaucht, das die Raketen geliefert haben soll. Das russische Frachtschiff Port Olya 3 fuhr vom iranischen Hafen Amirabad zu einem Frachthafen in der Nähe des russischen Astrakhan. Dieses Schiff wurde von den USA bereits mit Sanktionen belegt, da es bereits mehrere Rundreisen zwischen dem Iran und Russland unternommen hat.
Quelle: DGAP
... leitet das Programm "Europas Zukunft" für die Bertelsmann Stiftung in Berlin. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
Quelle: DGAP
... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Die Lieferung der Raketen stellt eine erhebliche Eskalation dar. Iran hat Russland bereits Aufklärungs- und Angriffsdrohnen geliefert und Russland erlaubt, deren Design zu kopieren und weiterzuentwickeln, so dass Moskau seine fortschrittlicheren "Geran"-Drohnen auf der Grundlage der ursprünglichen iranischen Typen Shaheed 131 und 136 entwickeln konnte.
Hohe Geschwindigkeit macht Abfangen unmöglich
Während es sich bei diesen Drohnen jedoch um relativ einfache Waffen handelte, die eine überschaubare Bedrohung darstellten, sind die ballistischen Raketen auf einer anderen Stufe zu sehen. Ihre hohe Geschwindigkeit macht eine aktive Verteidigung nahezu unmöglich.
Außerdem sind sie trotz ihrer relativ kurzen Reichweite von etwa 120 Kilometern und ihrer geringen Genauigkeit mit ihrem 150 Kilogramm schweren Sprengkopf eine gefährliche Waffe gegen größere, statische Ziele - einschließlich ziviler Infrastruktur.
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Mit diesen Raketen kann Russland seine fortschrittlicheren Iskander-Raketen mittlerer Reichweite gegen weiter entfernte Ziele einsetzen, während die Fath-360-Raketen näher an der Frontlinie sowohl gegen zivile als auch statische militärische Ziele eingesetzt werden können.
Offiziellen ukrainischen Annahmen zufolge werden die Raketen zunächst zum russischen Raketentrainingsgelände in Aschuluk gebracht, wo sie weiter getestet und ausgebildet werden sollen. Außerdem wird die bereits im Iran ausgebildete russische Kernmannschaft weitere Bediener der Waffe schulen. Erst danach werden die Raketen an die Frontlinie geliefert. Dies wird wahrscheinlich mindestens ein bis zwei Monate dauern, aber die ersten experimentellen Kampfeinsätze sind in den kommenden Wochen zu erwarten.
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Offiziell dementiert der Iran die Lieferung weiterhin. Teheran hat allerdings auch die Lieferung von Kampfdrohnen immer wieder bestritten, obwohl inzwischen Hunderte von ihnen gegen die Ukraine eingesetzt worden sind.
Politische Folgen: Neue Sanktionen gegen den Iran
Die Lieferung von Raketen hat bereits erhebliche politische Auswirkungen, und es werden wahrscheinlich noch weitere folgen. Frankreich, Deutschland und das Vereinigte Königreich haben bereits damit begonnen, die wichtigste iranische Fluggesellschaft, die IranAir, mit Sanktionen zu belegen.
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Um neue Sanktionen auf EU-Ebene gegen den Iran einzuführen, ist jedoch der Konsens aller Mitgliedstaaten erforderlich, und es ist noch nicht klar, ob dieser erreicht werden kann.
USA erwägen Aufhebung der Einsatzbeschränkungen
Als Reaktion auf das Vorgehen es Irans werden die USA möglicherweise bald das von der Ukraine seit langem geforderte Verbot des Einsatzes amerikanischer Waffen gegen militärische Ziele tief in Russland aufheben. Berichten zufolge ist die Koordinierung mit dem Vereinigten Königreich und anderen europäischen Verbündeten bereits im Gange.
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