Klimawandel in Afrika: Wieso Geld nicht alles löst
Zur COP29:Klimawandel in Afrika: Geld löst nicht alles
von Verena Garrett
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Der globale Norden trägt am meisten zum Klimawandel bei. Doch der globale Süden trägt dafür die Klimaschäden. In Malawi sind sie auf einen finanziellen Ausgleich angewiesen.
Malawi leidet noch immer unter den Folgen von Zyklon Freddy und El Nino. Finanzielle Hilfe kam von der Kolonialmacht Großbritannien aus den Loss-and-Damage-Fonds.
Quelle: dpa
Wo früher ihr Bett stand, wächst heute ein Baum. Von Annie Sitholes altem Haus in einem Dorf Malawis, ein Land im Süden des afrikanischen Kontinents, sind nur ein paar Mauern übrig. Anfang 2023 raste Zyklon Freddy über das Land: Möbel, Kleidung, ihr Vieh - alles wurde weggeschwemmt. Eineinhalb Jahre ist das jetzt her. Ihr Dorf gibt es nicht mehr.
Malawi erlebt zerstörerische Stürme, die früher nur extrem selten aufgetreten sind, beinahe im Jahrestakt - Starkregen, Dürren, Extremwetter. Der Klimawandel macht solche Wetterlagen wahrscheinlicher. Besonders betroffen: Länder, die selbst kaum Schuld sind, Länder im südlichen Afrika wie Malawi.
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Hilfen für Klimaschäden im globalen Süden
Weil diese Entwicklung eine Folge der Emissionen ist, die vor allem reiche Länder in die Atmosphäre geblasen haben, einigten sich die Staaten der Welt 2022 auf einen Hilfsfonds: 661 Millionen US-Dollar haben die Länder des globalen Nordens für den Kampf gegen Loss und Damage zugesagt, gegen Verluste und Schäden in Entwicklungsländern. Diese Unterstützung dürfte auch Thema bei der laufenden UN-Klimaschutzkonferenz COP29 sein.
Doch bisher ist der Prozess lang, ausgezahlt wurde noch nichts.
Bei der UN-Klimakonferenz geht es unter anderem um Klimafinanzierung. Das bisher geltende Ziel von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr, mit denen die wohlhabenderen Staaten Entwicklungsländer beim Umgang mit dem Klimawandel unterstützen und das 2022 erstmals erreicht wurde, muss überarbeitet werden. Die Verabredung läuft 2025 aus. Klar ist: Der Betrag muss deutlich angehoben werden.
Gastgeber Aserbaidschan hat eine Reihe von Initiativen angekündigt, zu denen auch ein Fonds gehört, in den hauptsächlich erdölproduzierende Länder einzahlen sollen. Aus ihm sollen die Entwicklungsländer Gelder erhalten, die am meisten unter dem Klimawandel leiden. Wie der Fonds konkret funktionieren soll, ist bisher unklar.
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Geld aus Schottland für Häuser auf Sand
Malawi hat als eines der ersten Länder Geld für Klimaschäden bekommen. Nicht aus einem großen Topf, sondern direkt überwiesen aus Schottland, Teil von Malawis ehemaliger Kolonialmacht Großbritannien. Zwei Millionen Pfund aus einem sogenannten Loss-and-Damage-Fonds - nur wenig Geld, gemessen an dem, was gebraucht wird.
Zyklon Freddy traf Malawi 2023 mit voller Wucht: Mehr als 1.200 Menschen starben, 700.000 wurden vertrieben, waren gezwungen sich ein neues Leben aufbauen. Annie Sithole war eine von ihnen. Das Land, auf dem sie mal gelebt hat, war fruchtbar. Sie und die anderen Dorfbewohner bauten Mais oder Bohnen an, Produkte zum Verzehr, die Überschüsse verkauften sie. Das reichte zum Überleben.
Das fruchtbare Land aber wurde von der Regierung als unbewohnbar deklariert, Schulen und Krankenhäuser wurden erst gar nicht wieder aufgebaut – zu groß die Gefahr von erneuten Wetterkatastrophen, zu nah am Wasser gelegen. Die neue Heimat vieler ist davon weit entfernt. Es soll sicherer sein, aber wovon leben?
Annie Sithole baute sich nach dem Zyklon Freddy von ihrem Anteil ein neues Haus auf - Land, das die Regierung zur Verfügung gestellt hatte. Es liegt auf einem Hügel, wo das Wasser nicht hinkommt. "So einen Betrag habe ich noch niemals vorher besessen. Ich konnte es sehr gut gebrauchen", sagt sie. Etwa 50 Häuser sind dort bereits gebaut, ebenfalls mit dem Loss- and-Damage-Geld.
Sie stehen auf Sand, im Umfeld wächst nichts. Alles, was die Bewohner hier anbauen vertrocknet. Sie können nichts ernten und nichts verdienen.
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Loss and Damage: Geld ohne Auflagen
760 US-Dollar pro Haushalt, ausgezahlt über eine NGO in drei Raten, ohne Auflagen: Sie können damit machen, was sie wollen. Denn Loss and Damage ist keine Entwicklungshilfe. Vielmehr soll das Geld den Betroffenen helfen, in ein selbstbestimmtes Leben zurückzufinden. Es soll sichtbare Schäden und individuelle Verluste auffangen, erklärt Tom Mtenje von der NGO Give Directly.
Auch Michael Mafambisa gehört zu denen, die sich ein neues Leben aufbauen. Von seinem Alten ist kaum noch etwas übrig. Ziegen, Enten, ein Teil der Ernte: alles weg. Immerhin er und seine Familie haben überlebt, sagt er - und dass die Finanzierung ein Glücksmoment für ihn war. Ziegelsteine und zwei Enten kaufte er von dem Geld.
Erst Überschwemmungen, jetzt Dürre: Malawi hat für einen Großteil des Landes den Notstand ausgerufen. Die Probleme hängen mit dem Klimaphänomen El Niño zusammen.
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Angewiesen auf Internationale Hilfe: Nicht genug für alle
Allein in der Region Nsanje sind 51.000 Haushalte von den Auswirkungen des Zyklons betroffen. Das Geld reicht bei weitem nicht für alle. Wer finanzielle Unterstützung bekommt, entscheidet die Bezirksregierung. "Einige Gemeinden erklärten sich bereit, umzusiedeln. Sie hatten erste Priorität. Es sollte sich um Startkapital handeln, wenn sie neu aufbauen müssen", sagt der Bezirksrat Dominik Mwandira.
Sie sind auf internationale Hilfe angewiesen, betont er weiter: "Als Region können wir das Leid, das uns bei solchen Katastrophen widerfährt, nicht bewältigen. Wir verfügen nicht über ausreichende Mittel, um Hilfe, den Wiederaufbau und die Vorbereitung auf neue Katastrophen zu finanzieren", so Dominik Mwandira.
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Wasserlage gefährlich aber notwendig
Nah am Wasser können sie nicht mehr leben, aber genau dieses fruchtbare Land brauchen sie zum Überleben. Der Weg zu seinem alten Feld dauert vier Stunden - mit dem Boot und zu Fuß. Immer ein paar Tage am Stück ist Michael Mafambisa hier. Er hat keine Wahl. Hier wächst noch etwas, womit er ein wenig Geld verdienen kann.
Ein Dach über dem Kopf und gleichzeitig Angst vor der Zukunft: "Essen zu bekommen, ist ein Problem. Deshalb gehen wir auf die alten Felder zurück oder schauen, dass wir am Fluss arbeiten können. Wenn die Regierung uns jetzt allein lässt, verhungern wir", sagt Michael Mfambisa. Das trockene, karge Land, auf dem sie ihr neues Dorf immer noch aufbauen, wollen sie bepflanzen. Damit hier aber etwas wächst, brauchen sie vor allem eins: Regen.
Ein anhaltender Treibstoffmangel sorgt für lange Schlangen vor den Tankstellen und droht die malawische Wirtschaft zu lähmen. Benzin gibt es auf dem Schwarzmarkt - noch.
von Verena Garrett
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Quelle: ZDF
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