Besuch bei Leopard-2-Besatzung an der Front: Nächte der Angst
Besuch an der Front:Leopard-2-Besatzung: Nächte voller Angst
von Henner Hebestreit
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Sie kämpfen an der Front gegen den russischen Angreifer - mit Leopard-2-Panzern. Wie die ukrainischen Soldaten den Krieg erleben und von ihrer Angst, die Nacht nicht zu überleben.
Leopard 2A6 beim Einsatz südlich von Saporischschja.
Quelle: ZDF
Der Leopard 2A6 gilt als Stolz der deutschen Rüstungsindustrie. 18 Panzer dieses Typs hat die Bundesregierung der Ukraine für ihren Kampf gegen die russischen Aggressoren zur Verfügung gestellt. Militärisch soll er allen russischen Panzern überlegen sein. Er gilt als wendig, schnell und zielgenau. Seine Panzerung sei für die Besatzung eine Art Lebensversicherung, sollte er doch mal getroffen werden.
Bundeswehr bildet Soldaten auf Leopard aus
Deutschland hat zahlreiche ukrainische Soldaten auf diesem Typ ausgebildet, bevor sie damit in den Kampf gezogen sind, um die Russen aus den besetzten Gebieten im Osten und Süden der Ukraine zu vertreiben.
Inzwischen sind die Leopard 2 seit einigen Monaten im Kampfeinsatz. Die ukrainische Armee führte uns jetzt zu einem dieser Kampfwagen und seiner Besatzung im Frontbereich südlich von Saporischschja.
Der Leopard 2 ist ein Kampfpanzer mit 1.500 PS. Der Schützenpanzer Marder hat eine deutlich kleinere Kanone, kann dafür Soldaten schneller transportieren. Die beiden Panzer im Video vorgestellt:
Versteckt unter dichtem Gebüsch und zusätzlich abgedeckt mit einem Tarnnetz steht der 60 Tonnen schwere Koloss am Rande eines verblühten Sonnenblumenfeldes. Kommandant Jewhen (34) war vor dem Krieg Schaffner bei der Ukrainischen Eisenbahn. Weil er als junger Mann seinen Wehrdienst auf einem alten T64-Panzer absolviert hatte, wurde er zu Beginn der russischen Invasion eingezogen und zum Kommandanten eines solchen Panzers ernannt.
Soldat Jewhen: Beim Treffer überlebt die Mannschaft
Als Deutschland Lieferung von und Ausbildung an modernen Leopard 2 zugesagt hatte, wurde Jewhen ins niedersächsische Munster abkommandiert. Die Besatzungen wurden dort zusammengestellt und sind seit einem halben Jahr gemeinsam im Einsatz.
Die Besatzung sei jetzt seine Familie.
Am Tag Panzer checken, nachts in Kampfeinsatz
In ihrer gut getarnten Stellung checken sie tagsüber die Ausrüstung, putzen den Panzer und machen ihn wieder bereit für den nächtlichen Kampfeinsatz. Denn vor allem im Schutz der Dunkelheit sind sie im Einsatz. "Dann kann der Feind uns nicht sehen, wir aber ihn. Mit dem Nachtsichtgerät können wir vier Kilometer weit gucken, das ist unser Vorteil", sagt Jewhen.
Infografik: Der Kampfpanzer Leopard
Er lobt die Geschwindigkeit, die Manövrierfähigkeit und Treffsicherheit seines Panzers. Das Wichtigste sei aber, dass die Besatzung im Falle eines gegnerischen Treffers am Leben bleibt.
Brigade: Schwachstelle beim Leopard entdeckt
Doch ganz so unverwundbar, wie Jewhen sagt, ist der Leopard 2A6 nicht. Die Russen haben offenbar eine Schwachstelle der Panzerung erkannt und würden gezielt darauf feuern, hören wir aus seiner Brigade.
Von insgesamt 71 gelieferten Leopard 2 Panzern, die die Verbündeten der Ukraine geliefert hätten, seien bis Ende August 5 vernichtet worden, mindestens zehn weitere beschädigt, schreibt das amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes.
Soldaten wünschen sich zusätzliche Panzerung
Nahezu alle Soldaten der zerstörten Panzer - so Forbes - hätten sich aus ihren getroffenen Fahrzeugen retten können, bevor diese ausbrannten oder explodierten. Kommandant Jewhen auf die Frage, ob sich denn alle Besatzungen getroffener Panzer haben retten können: "Unglücklicherweise nein, das ist eine schöne Maschine, aber wir möchten, dass unsere Partner uns zusätzliche Panzerung für den Leopard liefern."
Das ist ist einer der Gründe, warum Jewhen und seine Kameraden den Panzer erst nach Einbruch der Dunkelheit besteigen und unter ohrenbetäubendem Lärm in der Nacht verschwinden. Wie ihre vierbeinigen Namensvettern jagen auch die ukrainischen Panzer am liebsten nachts.
Angst, die Nacht nicht zu überleben
Trotzdem fährt immer auch die Angst mit, die Nacht nicht zu überleben: "Das ist menschlich", sagt Jewhen, ein Mensch könne nicht völlig gelassen in die Schlacht ziehen.
Irgendwann, so hofft er, werde er wieder bei der Eisenbahn arbeiten, seine beiden Kinder ohne Angst in die Schule schicken und am Himmel der Ukraine keine Raketen und Drohnen mehr fliegen sehen.
Die Nato übt im Litauischen Rukla den Ernstfall. Teil der NATO Übung: Leopard 2-Panzer vom gleichen Typ, wie ihn Deutschland auch an die Ukraine sendet, um gegen russische Invasionstruppen zu kämpfen.30.05.2023 | 3:05 min
Nahaufnahme: So übt die Nato mit dem Leopard 2 - im Video:
Unter Mitarbeit von Oleksiy Obolenskyi
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