Nahost-Experte: Größere Gefahr für Israel durch Hisbollah
Interview
Israel drohen Vergeltungsschläge:Nahost-Experte: Größere Gefahr durch Hisbollah
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Nach den tödlichen Angriffen auf Führer von Hamas und Hisbollah drohen Israel Vergeltungsschläge. Warum die Gefahr aus dem Libanon größer ist als aus dem Iran, erklärt ein Experte.
Inzwischen gingen viele Akteure koordiniert gegen Israel vor, so Nahost-Experte Fabian Hinz. Die neuesten Entwicklungen habe man in dieser Schärfe noch nicht gesehen.31.07.2024 | 16:26 min
Nach den beiden Angriffen wachsen jedoch die Sorgen: Droht nun eine weitere Eskalation in Nahost? Kommt es zum regionalen "Flächenbrand", vor dem viele Beobachter zuletzt immer wieder warnten? Im Gespräch mit ZDFheute live hat Nahost-Experte Fabian Hinz die Geschehnisse eingeordnet und auf Szenarien für die nahe Zukunft geblickt.
Sehen Sie das gesamte Interview oben im Video oder lesen Sie hier Auszüge.
Das sagte Hinz zu ...
... der Eskalationsgefahr mit dem Iran und der Hisbollah
"Iran und Israel haben keine Landgrenze", erinnerte Hinz. Die beiden Länder seien zwar stark verfeindet, "aber doch sehr weit voneinander entfernt". Also komme für Iran vor allem eine Auseinandersetzung mit Langstreckenwaffen infrage - wegen seiner "hervorragenden Luftwaffe" sei Israel hier überlegen.
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Zudem sei von iranischer Seite "das Arsenal, um Israel zu beschießen, durchaus zahlenmäßig beschränkt". Und: Israel habe jüngst bei den iranischen Angriffen im April gezeigt, dass es sich relativ gut dagegen verteidigen kann.
Die große Gefahr einer Auseinandersetzung sah Hinz daher im Libanon, "wo man die geografische Nähe hat, die rein theoretisch einen Landkrieg ermöglichen könnte und die es den Konfliktparteien ermöglicht, deutlich mehr an Waffen einzusetzen und viel größere Effekte zu erzielen."
... militärischen Optionen der Hisbollah
Für die Hisbollah gebe es grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Denkbar seien terroristische Aktionen im Ausland gegen israelische Einrichtungen, wie beispielsweise Botschaften, oder auch gegen jüdische Einrichtungen - da habe die Miliz zuletzt nicht unterschieden.
Das Problem aus Sicht der Hisbollah sei jedoch, dass viel Zeit zur Vorbereitung solcher Aktionen benötigt werde und Geheimdienste diese gegebenenfalls unterbinden könnten. Die Erfolgsrate sei bei ähnlichen Vorhaben "nicht besonders hoch" gewesen, so Hinz.
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Direkte militärische Aktionen hingegen könnten schneller durchgeführt werden. Dazu könne die Hisbollah auf ein Raketen- und Drohnenarsenal zurückgreifen, von dem sie bislang nur beschränkt Gebrauch gemacht habe.
Die Hisbollah habe in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass sie israelisches Vorgehen mit äquivalenten Aktionen beantworte. Ein Angriff auf Tel Aviv sei also "durchaus denkbar", müsse von der Hisbollah aber "kalibriert" werden. Das heißt: "Setzt man ihn zu niedrig an, passiert unter Umständen gar nichts. Setzt man ihn zu hoch an, könnte es Schäden geben, die wiederum zu weiterer Eskalation führen."
... der Vorbereitung Israels auf Angriffe der Hisbollah
"Die Gefahr, die von der Hisbollah ausgeht, wurde von den Israelis immer sehr ernst genommen", so Hinz. Auch, wenn keine bestätigten Zahlen vorlägen, sei davon auszugehen, dass die Schiitenmiliz über ein "sehr massives" Raketenarsenal verfüge.
Diese Gruppierungen würden zwar auch über Raketen verfügen - "aber nicht über die gleichen Stückzahlen, nicht über die gleiche Qualität".
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Die Hisbollah habe zudem "Präzisionsschlagfähigkeiten", mit denen sie gezielt militärische Einrichtungen, kritische Infrastruktur und symbolträchtige Orte angreifen könne. Das sei für Israel "durchaus ein Risiko", so Hinz.
Israel habe sich zwar lange auf einen möglichen Krieg vorbereitet. Es gebe aber immer noch viele Ungewissheiten, wie ein Krieg tatsächlich aussehen könnte. So sei die Effektivität einzelner israelischer Abwehrmaßnahmen beispielsweise nicht sicher.
Das Interview führte ZDF-Moderator Philip Wortmann, zusammengefasst hat es ZDF-Redakteur Torben Heine.
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