Hamas-Chef getötet: Wie groß ist die Kriegsgefahr mit Iran?

    FAQ

    Hamas-Politchef getötet:Wie groß ist die Kriegsgefahr mit dem Iran?

    von Oliver Klein und Nils Metzger
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    Der Tod von Hamas-Politchef Hanija verschärft die angespannte Lage in Nahost. Warum wurde er ausgerechnet im Iran getötet? Und welche Konsequenzen kann das haben? Ein Überblick.

    Hanija auf Plakat
    Nachdem Ismail Hanija in der iranischen Hauptstadt Teheran getötet wurde, drohen der Iran und die Hamas mit Vergeltung. Israel selbst möchte das Attentat nicht kommentieren.31.07.2024 | 2:19 min
    Die Tötung des Auslandschefs der islamistischen Terrororganisation Hamas, Ismail Hanija, wirft viele Fragen auf. Wer war der Mann? Warum wurde er ausgerechnet im Iran getötet und welche Bedeutung hat das für den Nahost-Konflikt? ZDFheute mit einem Überblick.

    Wer war Ismail Hanija?

    Ismail Hanija war seit Jahrzehnten einer der politischen Köpfe der Terrororganisation Hamas, nach dem Wahlerfolg 2006 war er kurzzeitig palästinensischer Regierungschef. Im Mai 2017 stieg Hanija zum Vorsitzenden des Hamas-Politbüros auf, dem wichtigsten politischen Führungsgremium der Organisation.
    Seitdem lebte Hanija auch mehrheitlich in der katarischen Hauptstadt Doha, wo das Politbüro seit 2012 ansässig ist. Dort genießen die Hamas-Führer zumindest einen gewissen diplomatischen Schutz. In die Verwaltung des Gazastreifens war er so nur begrenzt eingebunden, sondern diente als internationaler Vertreter der Hamas, deren Führung in Gaza kaum reisen konnte.
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    So war Hanija auch direkt in die gescheiterten Verhandlungen über einen Geisel-Deal mit Israel eingebunden und traf sich bis zuletzt regelmäßig mit Unterhändlern oder Geheimdienstlern aus Ländern wie der Türkei oder Ägypten, die zwischen Hamas und Israel vermitteln. Hanija stand also für einen Kopf einer Terrororganisation relativ prominent in der Öffentlichkeit.

    Was ist über die Tötung bekannt?

    Der genaue Hergang ist noch unklar. Die militant-islamistische Hamas erklärte, Hanija sei in Teheran einem Luftangriff auf die Residenz, in der er untergebracht war, zum Opfer gefallen. Dabei sei auch einer seiner Leibwächter getötet worden, hieß es auf der Webseite der Revolutionsgarden, Sepah News. Ein Sprecher der israelischen Armee reagierte zunächst nicht auf eine Bitte um Stellungnahme. Israel tut dies häufig nicht, wenn es um Tötungen geht, die vom Geheimdienst Mossad umgesetzt wurden.
    SGS Gerlach: Reaktion Israels "voraussehbar"
    Nahost-Experte Daniel Gerlach sagt, Israel reagiere zu einem "sehr sehr hohen Preis", denn die Gefahr, dass Iran in den Krieg eingreife, sei nun "groß".31.07.2024 | 5:07 min

    Warum wurde Hanija im Iran getötet?

    Nicht ohne Grund erfolgte die Tötung Hanijas nun im Iran. Dort hatte er an der Ernennung des neuen Präsidenten Massud Peseschkian gestern teilgenommen. Damit habe sich eine Gelegenheit zum Ausschalten Hanijas ergeben, sagt Daniel Gerlach, Chefredakteur des Nahost-Fachmagazins "Zenith". "Israel hat angekündigt, Hanija zu töten", so Gerlach.

    Die Kataris haben den Amerikanern und den Israelis unmissverständlich deutlich gemacht: Jeder Versuch, in Katar ein Attentat zu verüben, würde zum sofortigen Stopp der Vermittlungsarbeit führen.

    Daniel Gerlach, Nahost-Fachmagazin "Zenith"

    Ein Attentat in Katar hätte wohl auch das "Ende jeglicher nachrichtendienstlichen Kooperation in anderen Konfliktgebieten" nach sich gezogen, so Gerlach. "Die Reise von Hanija ermöglichte es, ihn außerhalb von Doha und außerhalb der Türkei zu treffen. Da absehbar war, dass er zur Vereidigung erscheinen würde, konnte man den Angriff sogar relativ langfristig planen."
    80 Jahre danach
    Im Iran sind Tausende dem Aufruf der Machthaber gefolgt: Mit einem Trauerzug wird dem Hamas-Politchef Hanija gedacht. Hanija wurde durch einen Luftangriff in Teheran getötet.01.08.2024 | 2:06 min

    Wie groß ist die Gefahr eines Krieges mit dem Iran?

    ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa in Teheran weist darauf hin, dass der neue iranische Präsident sofort sagte, Iran werde seine territoriale Integrität und Ehre verteidigen. Damit benenne er den Kern dessen, was diesen Angriff für die weitere Entwicklung in Nahost so gefährlich mache, so Gaa. Zum einen: Die Tötung eines so engen Verbündeten Teherans, inmitten der Hauptstadt, sei eine Demütigung für den iranischen Sicherheitsapparat. Zum anderen:

    Sollte der Iran das Ganze wirklich als Angriff auf sein eigenes Staatsgebiet werten, dann wäre das wohl eine neue Eskalationsstufe im Dauerkonflikt mit Israel. 

    ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa in Teheran

    ZDF-Reporterin Alica Jung in Tel Aviv schätzt die Situation ebenfalls als kritisch ein: "Seit letzter Nacht muss man sich fragen, ob Krieg in Nahost zwischen Israel und den Unterstützern der Hamas wirklich noch zu vermeiden ist, ob Regierungschef Netanjahu mit seiner Machtdemonstration einen Schritt zu weit gegangen ist."
    Denn wenige Stunden, bevor Hanija starb, gab es ja bereits einen Angriff Israels gegen die selbsternannte und von Iran geführte "Achse des Widerstands": Für den Vergeltungsschlag in Beirut gegen den ranghohen Hisbollah-Kommandeur Fuad Schukr am Dienstagabend übernahm Israel unmittelbar Verantwortung.
    Nahostkonflikt - politischen Anführer der Hamas Hanija getötet
    Israel hat sich bisher nicht zur Tötung des Hamas-Chefs Hanija bekannt, doch der Vorfall auf iranischem Boden wird dort als deutliche Provokation vernommen. 31.07.2024 | 3:01 min
    In der Logik der Vergeltung muss Israel nun auf drei Player schauen: den Iran, die Hamas und die Hisbollah.

    Die Chance einer Verhandlungslösung für eine Waffenruhe und Freilassung der Geiseln in Gaza ist mit der letzten Nacht wohl dramatisch gesunken. 

    Alica Jung, ZDF-Reporterin in Tel Aviv

    Wie könnte ein iranischer Gegenschlag aussehen?

    Der Iran kündigte Vergeltung für die gezielte Tötung auf seinem Staatsgebiet an - wie genau, ist unklar. Seine militärischen Optionen sind begrenzt und gehen vor allem in eine Richtung: Drohnen und Raketenangriffe. Die genaue Ausgestaltung einer solchen miliärischen Reaktion sei für den Iran "sehr schwierig", betont der Sicherheitsexperte Fabian Hinz bei ZDFheute live.
    Hamas Chef getötet
    Der oberste Hamas-Chef Hanija galt als einer der Mitverantwortlichen für den brutalen Überfall auf Israel. Ein Überblick. 31.07.2024 | 0:46 min
    Im April hatte der Iran von eigenem Boden aus Hunderte Raketen und Drohnen auf Israel abgefeuert - der Großteil konnte damals abgefangen werden. Trotzdem stellte die iranische Führung den Angriff damals als Erfolg dar. Dieser Unterschied zwischen propagandistischer Darstellung und realem militärischen Nutzen sei für die iranische Führung jedoch auch eine "Chance", so Hinz:

    Wenn er (der Iran) nochmal einen ähnlichen Angriff startet, bei dem die meisten Raketen abgeschossen werden, wäre das zwar ein starkes Symbolbild, aber hätte weniger Eskalationsrisiken als ein Angriff, der tatsächlich erfolgreich ist.

    Fabian Hinz, Nahost-Experte

    Das Risiko einer großen regionalen Eskalation sei also nicht automatisch gegeben, selbst bei einem erneuten Beschuss aus dem Iran. Die israelischen Abwehrfähigkeiten gegen solche Drohnen oder ballistische Raketen seien laut Hinz weiterhin "exzellent" - auch "weil der Iran einfach sehr weit weg" sei.

    Würde man das koordinieren, beispielsweise mit einen Angriff der Hisbollah, die deutlich näher an Israel ist und deutlich größere Quantitäten an Raketen abschießen kann, dann könnte es eventuell auch die Erfolgschancen eines solchen Angriffs steigern.

    Fabian Hinz, Nahost-Experte

    Nahost-Konflikt
    :Aktuelle Nachrichten zur Eskalation in Nahost

    Durch den Hamas-Überfall auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert - das israelische Militär reagiert mit Militäroperationen. Aktuelle News und Hintergründe im Liveblog.
    Menschen und Retter tragen den bedeckten Körper eines Gefangenen, der aus den Trümmern eines Hauses gezogen wurde, aufgenommen am 18.11.2024
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    Quelle: mit Material von dpa, AFP, AP

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