Wie groß ist jetzt die Kriegsgefahr mit dem Iran?

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    Hamas-Chef in Teheran getötet:Wie groß ist jetzt die Kriegsgefahr mit Iran?

    von Oliver Klein und Nils Metzger
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    Der Tod von Hamas-Politchef Hanija verschärft die angespannte Lage in Nahost. Warum wurde er ausgerechnet im Iran getötet? Und welche Konsequenzen kann das haben? Ein Überblick.

    26.03.2024, Iran, Teheran: Hamas-Chef Ismail Hanija spricht während einer Pressekonferenz nach seinem Treffen mit dem iranischen Außenminister Amirabdollahian in Teheran.
    Die Hamas hat die Tötung ihres Politchefs Ismail Hanija gemeldet.31.07.2024 | 0:22 min
    Die Tötung des Auslandschefs der islamistischen Terrororganisation Hamas, Ismail Hanija, wirft viele Fragen auf. Wer war der Mann? Warum wurde er ausgerechnet im Iran getötet und welche Bedeutung hat das für den Nahost-Konflikt? ZDFheute mit einem Überblick.

    Wer war Ismail Hanija?

    Ismail Hanija war seit Jahrzehnten einer der politischen Köpfe der Terrororganisation Hamas, nach dem Wahlerfolg 2006 war er kurzzeitig palästinensischer Regierungschef. Im Mai 2017 stieg Hanija zum Vorsitzenden des Hamas-Politbüros auf, dem wichtigsten politischen Führungsgremium der Organisation.
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    Seitdem lebte Hanija auch mehrheitlich in der katarischen Hauptstadt Doha, wo das Politbüro seit 2012 ansässig ist. Dort genießen die Hamas-Führer zumindest einen gewissen diplomatischen Schutz. In die Verwaltung des Gazastreifens war er so nur begrenzt eingebunden, sondern diente als internationaler Vertreter der Hamas, deren Führung in Gaza kaum reisen konnte.
    So war Hanija auch direkt in die gescheiterten Verhandlungen über einen Geisel-Deal mit Israel eingebunden und traf sich bis zuletzt regelmäßig mit Unterhändlern oder Geheimdienstlern aus Ländern wie Türkei oder Ägypten, die zwischen Hamas und Israel vermitteln. Hanija stand also für einen Kopf einer Terrororganisation relativ prominent in der Öffentlichkeit.
    Iran-Korrespondentin Phoebe Gaa und Israel-Korrespondentin Alica Jung im Gespräch mit Moderator Carsten Rüger.
    Die Lage in Nahost spitzt sich weiter zu: Iran hat Israel nach der Tötung des Hamas-Chefs Hanija mit Rache gedroht. Aus Teheran und Tel Aviv berichten Phoebe Gaa und Alica Jung. 31.07.2024 | 2:46 min

    Was ist über die Tötung bekannt?

    Der genaue Hergang ist noch unklar. Die militant-islamistische Hamas erklärte, Hanija sei in Teheran einem Luftangriff auf die Residenz, in der er untergebracht war, zum Opfer gefallen. Dabei sei auch einer seiner Leibwächter getötet worden, hieß es auf der Webseite der Revolutionsgarden, Sepah News. Ein Sprecher der israelischen Armee reagierte zunächst nicht auf eine Bitte um Stellungnahme. Israel tut dies häufig nicht, wenn es um Tötungen geht, die vom Geheimdienst Mossad umgesetzt wurden.

    Warum wurde Hanija im Iran getötet?

    Nicht ohne Grund erfolgte die Tötung Hanija nun im Iran. Dort hatte er an der Ernennung des neuen Präsidenten Massud Peseschkian gestern teilgenommen. Damit habe sich eine Gelegenheit zum Ausschalten Hanija ergeben, sagt Daniel Gerlach, Chefredakteur des Nahost-Fachmagazins "Zenith". "Israel hat angekündigt, Hanija zu töten", so Gerlach.

    Die Kataris haben den Amerikanern und den Israelis unmissverständlich deutlich gemacht: Jeder Versuch, in Katar ein Attentat zu verüben, würde zum sofortigen Stopp der Vermittlungsarbeit führen.

    Daniel Gerlach, Nahost-Fachmagazin "Zenith"

    SGS Gaa
    Der Hamas-Politchef Hanija ist nach Angaben der Terrororganisation in Teheran bei einem israelischen Angriff getötet worden. ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa berichtet aus Teheran.31.07.2024 | 0:44 min
    Ein Attentat in Katar hätte wohl auch das "Ende jeglicher nachrichtendienstlichen Kooperation in anderen Konfliktgebieten" nach sich gezogen, so Gerlach. "Die Reise von Hanija ermöglichte es, ihn außerhalb von Doha und außerhalb der Türkei zu treffen. Da absehbar war, dass er zur Vereidigung erscheinen würde, konnte man den Angriff sogar relativ langfristig planen."

    Wie groß ist die Gefahr eines Krieges mit dem Iran?

    ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa in Teheran weist darauf hin, dass der neue iranische Präsident sofort sagte, Iran werde seine territoriale Integrität und Ehre verteidigen. Damit benenne er den Kern dessen, was diesen Angriff für die weitere Entwicklung in Nahost so gefährlich mache, so Gaa. Zum einen: Die Tötung eines so engen Verbündeten Teherans, inmitten der Hauptstadt, sei eine Demütigung für den iranischen Sicherheitsapparat. Zum anderen:

    Sollte der Iran das Ganze wirklich als Angriff auf sein eigenes Staatsgebiet werten, dann wäre das wohl eine neue Eskalationsstufe im Dauerkonflikt mit Israel. 

    ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa in Teheran

    SGS Jung
    Welche Auswirkungen die Attacke haben könnte, schätzt ZDF-Reporterin Alica Jung in Tel Aviv ein. 31.07.2024 | 1:17 min
    ZDF-Reporterin Alica Jung in Tel Aviv schätzt die Situation ebenfalls als kritisch ein: "Seit letzter Nacht muss man sich fragen, ob Krieg in Nahost zwischen Israel und den Unterstützern der Hamas wirklich noch zu vermeiden ist, ob Regierungschef Netanjahu mit seiner Machtdemonstration einen Schritt zu weit gegangen ist."
    Denn wenige Stunden, bevor Hanija starb, gab es ja bereits einen Angriff Israels gegen die selbsternannte und von Iran geführte "Achse des Widerstands": Für den Vergeltungsschlag in Beirut gegen den ranghohen Hisbollah Kommandeur Fuad Schukr am Dienstagabend übernahm Israel unmittelbar Verantwortung.
    In der Logik der Vergeltung muss Israel nun auf drei Player schauen: Den Iran, die Hamas und die Hisbollah.

    Die Chance einer Verhandlungslösung für eine Waffenruhe und Freilassung der Geiseln in Gaza ist mit der letzten Nacht wohl dramatisch gesunken. 

    Alica Jung, ZDF-Reporterin in Tel Aviv

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    :Aktuelle Nachrichten zur Eskalation in Nahost

    Ismail Hanija, der Politchef der Hamas, ist im Iran getötet worden. Die Terrororganisation macht Israel verantwortlich. Aktuelles zur Lage im Nahost-Konflikt im Ticker.
    Massud Peseschkian Antrittsrede nach seiner Vereidigung als neunter Präsident des Iran im Parlament in Teheran, Iran, am 30.07.2024.
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    Quelle: mit Material von dpa, AFP, AP

    Aktuelle Nachrichten zum Nahost-Konflikt