Explosionen im Iran: Deeskalation trotz neuer Angriffe?

    FAQ

    Explosionen im Iran:Deeskalation trotz neuer Angriffe?

    von Jan Schneider und Oliver Klein
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    In der iranischen Stadt Isfahan hat es mehrere Explosionen gegeben. US-Medien berichten von einem Angriff aus Israel. Trotzdem sehen Experten Chancen für eine Deeskalation.

    Anti-Israel rally in Tehran following explosions around central city of Isfahan
    Nach Explosionen in der iranischen Region Isfahan sprechen US-Medien von einem israelischen Angriff. Offiziell haben sich weder Israel noch das Pentagon geäußert.19.04.2024 | 2:43 min
    Nach dem zwar erfolglosen, aber massiven iranischen Raketen- und Drohnenangriff auf Israel am Wochenende hatten weltweit Staaten zur Zurückhaltung aufgerufen. Heute früh meldete nun der Iran, in mehreren Provinzen seine Luftverteidigung aktiviert zu haben. Flugabwehrraketen seien abgefeuert worden, zuvor gab es Berichte über Explosionen über der Stadt Isfahan.

    Was wissen wir über die Hintergründe der Explosionen im Iran?

    US-Medienberichte gehen davon aus, dass es sich um einen Angriff Israels handelt. Die Sender CNN, ABC News, MSNBC, Fox News und andere Medien wie "New York Times" beriefen sich dabei auf US-Regierungsvertreter.
    Naher Osten

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    Das israelische Militär habe den Angriff als Vergeltung für Teherans Drohnen- und Raketenbeschuss am vergangenen Wochenende ausgeführt, berichtete die "Washington Post" unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten israelischen Regierungsbeamten. Offiziell haben sich Israel sowie das US-Verteidigungsministerium bislang aber nicht geäußert, die Lage ist unübersichtlich.
    Mehrere US-Medien hatten zuvor von einer oder mehreren israelischen Raketen berichtet, die ein Ziel im Iran angegriffen hätten. Berichte über Schäden gab es zunächst nicht. Irans Staatsmedien wiesen Berichte über Raketenangriffe zurück. Sie berichteten hingegen von der Sichtung und Beschuss mehrerer kleinerer Flugobjekte über der iranischen Provinz Isfahan.

    Wie wird der Vorfall im Iran eingeordnet?

    Mittlerweile hat der iranische Oberbefehlshaber der regulären Streitkräfte, Abdolrahim Mussawi angekündigt, dass Experten die Dimensionen der Attacke untersuchen sollen. Er bekräftigte die Aussagen des Militärs, dass die Explosionen in der Nacht auf die Luftabwehr zurückzuführen seien.
    Der Angriff werde im Iran "runtergespielt" berichtet ZDF-Korrespondentin Anna Feist. Die Interpretation in Teheran sei: Israel habe Angst vor einer weiteren Vergeltung des Irans, deshalb sei der mutmaßliche Angriff so klein ausgefallen. Sollte Israel keine weiteren Anschläge durchführen, sei nicht mit einer neuen Reaktion zu rechnen.
    Schaltgespräch Brühl
    Mit dem mutmaßlichen israelischen Gegenschlag habe sich Netanjahu aus einem Dilemma befreit. Man gehe nicht von einer iranischen Reaktion aus, sagt ZDF-Reporterin Anne Brühl. 19.04.2024 | 1:32 min

    Deeskalation trotz neuer Angriffe Israels?

    Andreas Reinicke, der Direktor des Deutschen Orient-Instituts sprach in der ZDF-Sendung Volle Kanne von einem begrenzten und "klugen Angriff". Israel habe "weder zu viel noch zu wenig gemacht". Auch der vorangegangene Angriff des Iran hätte nicht zum Ziel gehabt, Israel zu schaden. "Denn man hat genügend Vorwarnzeit gegeben, damit Israel sich verteidigen konnte." Dass der Iran die israelische Attacke herunterspielt, könnte bedeuten, dass beide Seiten kein Interesse an einer weiteren Eskalation haben. Stattdessen bestehe die Hoffnung, dass der Iran und Israel wieder "zum alten System" von indirekten Anschlägen zurückkommen wollen.
    So bewertet auch ZDF-Korrespondentin Anne Brühl aus Tel Aviv die Situation: "Israel scheint eine sehr kleine und begrenzte Reaktion gewählt zu haben"

    Möglicherweise ist die Strategie von Israel und seinen Verbündeten: man wählt eine Reaktion, die relativ gemäßigt ist und auf die Iran auch gesichtswahrend nicht reagieren muss.

    Anne Brühl, ZDF-Korrespondentin in Tel Aviv

    Reporterinnen Henriette de Maiziere und Anna Feist im Gespräch mit Moderator Ralph Szepanski.
    Israel hat wohl – trotz internationaler Warnungen – zum Gegenschlag auf Iran ausgeholt. Droht jetzt eine Eskalation? Henriette de Maizière in Tel Aviv und Anna Feist in Istanbul.19.04.2024 | 1:51 min
    In dieser Situation bestehe auch die Chance, das Problem langfristig zu lösen, meint Nahost-Experte Reinicke. Die arabischen Staaten könnten sich mit Israel zusammentun, um sich gemeinsam zu verteidigen, ähnlich wie im System der Konferenz zur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zu Zeiten des Kalten Kriegs, mit roten Telefonen. "Das wäre die richtige politische Antwort."

    Welche Rolle spielt der Ort der Explosionen im Iran?

    In Isfahan befinden sich eine große Luftwaffenbasis der Armee und Anlagen, die in Verbindung mit dem Atomprogramm des Landes stehen. Dazu gehört die unterirdische Anreicherungsanlage in Natans, die wiederholt Ziel mutmaßlicher israelischer Angriffe gewesen ist. Der Iran betreibt in Isfahan zudem drei kleine, von China gelieferte Forschungsreaktoren. Das Staatsfernsehen betonte jedoch, alle Anlagen in diesem Gebiet seien "völlig sicher".
    Luftbild der Nuklearanlage in Isfahan aus dem Jahr 2005
    Luftbild der Nuklearanlage in Isfahan aus dem Jahr 2005
    Quelle: Reuters

    Auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) meldete, es seien keine iranischen Atomanlagen beschädigt worden. Reinicke erklärt dazu, die IAEA habe Kameras in den Anlagen und könne das deshalb sofort einschätzen.

    IAEA gibt Entwarnung

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    Wichtige Einrichtungen des iranischen Atomprogramms
    Quelle: ZDF

    Die Stadt Isfahan in der gleichnamigen zentraliranischen Provinz ist die drittgrößte Stadt des Landes. Die Zwei-Millionen-Einwohner-Metropole ist wegen ihrer zahlreichen historischen Stätten ein Touristenmagnet. Seit 2006 trägt sie den Titel Kulturhauptstadt der islamischen Welt.

    In Isfahan befinden sich wichtige Einrichtungen der iranischen Rüstungsindustrie, unter anderem eine Fabrik für die Herstellung von Brennstäben für Atomreaktoren. Im Nordwesten der Provinz befindet sich der Luftwaffenstützpunkt Schekari.

    Iran betreibt zudem mehrere Atomforschungsanlagen in der Region Isfahan, darunter die Urananreicherungsanlage Natans. Im April 2021 hatte Teheran angekündigt, dass am Standort Natans die Produktion von auf 60 Prozent angereichertem Uran begonnen habe. Zudem werden drei kleine, von China gelieferte Forschungsreaktoren, in Isfahan betrieben.

    Das mit Sanktionen belegte iranische Atomprogramm war bereits Ziel von Sabotageakten und Cyberangriffen. Teheran hat Israel mehrerer verdeckter Aktionen auf iranischem Boden beschuldigt.

    Quellen: dpa, AFP, AP

    Was sagt Israel zu dem Vorfall?

    Julis Army Base, 16.04.2024: Israel und Iran im Konflikt
    Wird es einen Gegenschlag geben? Wie wird eine weitere Eskalation mit dem Iran verhindert? Israels Antwort darauf – noch offen. Indes besucht die deutsche Außenministerin Israel.16.04.2024 | 2:27 min
    Offiziell herrsche in Israel Stille, so ZDF-Reporterin Anne Brühl in Tel Aviv. "Israelische Medien zitieren allerdings zwei hohe israelische Militärs, die diesen Angriff auf Isfahan bestätigt haben."
    Das US-Militär sei demnach informiert worden. Eine Situation wie diese sei seit Tagen befürchtet worden, "weil die Töne hier aus dem Land immer sehr klar waren, Israel muss auf diesen Angriff des Iran vom Wochenende auf das Land reagieren".
    Montage: Rechts die Flagge des Iran, links ein Kraftwerk im Iran, darauf das Zeichen für Atomkraft/Radioaktivität.
    Baut der Iran an der Atombombe? Diese Sorge treibt die Welt um. Und einiges spricht dafür, dass die Mullahs mehr wollen als nur die friedliche Nutzung der Nukleartechnik.15.03.2023 | 44:05 min

    Wie sind die internationalen Reaktionen auf den Vorfall?

    Die Bundesregierung warnt erneut vor einer weiteren Eskalation der Lage im Nahen Osten. "Die Deeskalation bleibt das Gebot der nächsten Zeit", sagt Kanzler Scholz am Rande einer SPD-Klausur auf Norderney. Darüber rede die Bundesregierung mit "all unseren Freunden und Verbündeten".
    Auch arabische Staaten zeigten besorgt über die Sicherheitslage in der Region. Ägypten forderte beide Parteien auf, ein Höchstmaß an Zurückhaltung zu üben und das Völkerrecht einzuhalten. Der Oman verurteilte den "israelischen Angriff auf den Iran" und auch die wiederholten israelischen Angriffe in der Region. Das Land fordere die internationale Gemeinschaft dazu auf, den Ursachen des Konflikts mit Diplomatie entgegenzutreten.
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete die Erklärungen Israels und des Iran als unlogisch. Weder der Iran noch Israel übernehme Verantwortung für die Situation, sagte Erdogan nach dem muslimischen Freitagsgebet. Israel sage unterschiedliche Dinge, ebenso der Iran. "Es gibt keine einzige Erklärung, die nicht unlogisch ist", sagte Erdogan. Er beschuldigte auch die USA, widersprüchliche Aussagen darüber zu machen, ob Washington vorab von den Drohnenangriffen gewusst habe.
    Feuerstreifen gehen vom Boden in der Stadt Ashkelon in den Himmel um Raketen abzufangen.
    Nach dem Angriff des Iran auf Israel diskutiert Deutschland über mögliche Konsequenzen. Welche diplomatischen Antworten gibt Berlin in Richtung Teheran?14.04.2024 | 3:22 min

    Was ist der Hintergrund für den Angriff?

    Der Iran hatte in der Nacht zum Sonntag Israel mit Hunderten Drohnen, Marschflugkörpern und Raketen angegriffen. Hintergrund war ein mutmaßlich von Israel geführter Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus, bei dem Anfang April zwei Generäle der iranischen Revolutionsgarden getötet wurden. Israel hatte angekündigt, auf den iranischen Vergeltungsangriff reagieren zu wollen.
    "Die israelische Gesellschaft ist traumatisiert", beschreibt Nahost-Experte Peter Lintl die Situation. Die Verunsicherung durch den Hamas-Angriff am 7. Oktober letzten Jahres in der Bevölkerung sei groß. Daher versuche das Land, die sogenannte "Eskalationsdominanz" wiederzuerlangen.

    Man will das Gefühl haben, nach einem Angriff stärker zurückschlagen zu können. Im Moment scheinen die Israelis eher zu denken, dass sie verletzlicher sind als die andere Seite. Damit geht auch der Glaube in die eigene Abschreckungsfähigkeiten verloren. Auch das ist eine Erklärung für die massive Zerstörung, die wir im Gazastreifen sehen.

    Peter Lintl, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Nahost-Konflikt
    :Aktuelle Nachrichten zur Eskalation in Nahost

    Durch den Hamas-Überfall auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert - das israelische Militär reagiert mit Militäroperationen. Aktuelle News und Hintergründe im Liveblog.
    Menschen und Retter tragen den bedeckten Körper eines Gefangenen, der aus den Trümmern eines Hauses gezogen wurde, aufgenommen am 18.11.2024
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    Quelle: Mit Material von dpa, AFP, ZDF

    Aktuelle Nachrichten zum Nahost-Konflikt