Oligarch Roman Abramowitsch, die Ex-Frau und die Kunst
Exklusiv
Geheimer Schatz des Oligarchen:Abramowitsch, die Ex-Frau und die Kunst
von R. Davies, F. Obermaier, M. Orosz, R. Schaar, T. Schober und A.Trenkler
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Geheime Unterlagen zeigen, welche Kunstwerke der russische Oligarch Abramowitsch erworben hat. Finanzdienstleister auf Zypern halfen offenbar, die Geschäfte zu verschleiern.
Oligarchen: Sie herrschen über Firmenimperien und leben in Luxus - so auch Roman Abramowitsch.01.11.2022 | 51:28 min
Edgar Degas war ein französischer Maler, der es wie kaum ein Zweiter verstand, das Pariser Nachtleben, Jockeys, Pferde und Damen beim Tanz zu portraitieren. Danseuse Basculant - Kippelnder Tänzer - heißt eines seiner Werke, gemalt 1883.
Es zeigt eine junge Frau, balancierend auf einem Bein. Das grüngelbe Kleid verschwimmt mit dem Tanzboden. Am 17. März 2017 wechselt der Degas für mehr als 19 Millionen Dollar den Besitzer.
Hinter dem Kunstdeal steckt der milliardenschwere russische Oligarch und Putin-Vertraute Roman Abramowitsch, der auf der Sanktionsliste der EU steht.
"Danseuse basculant" von Edgar Degas
Quelle: mauritius images
Abramowitschs Kunstsammlung umfangreicher als bisher angenommen
Recherchen von ZDF frontal, Spiegel, dem britischen Guardian und zehn weiteren Medienhäuserndecken nun erstmals auf, wie ein Geflecht aus Offshore-Firmen seit dem Ende der 2000er-Jahre mehr als 300 bedeutende Kunstwerke erwarb.
Bisher geheime Verträge, die das ZDF und seine Medienpartner auswerten konnten, zeigen, dass die "Abramowitsch-Sammlung" weitaus größer und wertvoller ist als bisher bekannt war.
Von Monet und Picasso - bis zu Koons
Darunter Kunst aus verschiedenen Epochen von Monet, Degas, surrealistische Werke von Picasso und Magritte bis hin zu Jeff Koons und Lucian Freud - Werke im Gesamtwert von womöglich fast eine Milliarde Dollar.
Zum Vergleich: Die bekannte Sammlung von Peggy Guggenheim wird auf rund 40 Millionen Dollar geschätzt. Außerdem legen die Recherchen nahe, dass ein Finanzdienstleister aus Zypern Abramowitsch offenbar dabei half, die Sammlung vor dem Zugriff durch Sanktionen zu schützen. Abramowitsch reagierte auf einen umfangreichen Fragenkatalog bisher nicht.
Kunst als Geldversteck der Oligarchen
Im August hatte die Antikorruptionsbehörde der Ukraine eine Liste von Kunstwerken veröffentlicht, die sanktionierten Personen gehören: Darunter auch vier millionenschwere Gemälde, die die Privatkollektion von Abramowitsch schmücken.
Die öffentliche Datenbank soll demnach dabei helfen, Kunst im Besitz von sanktionierten Oligarchen zu beschlagnahmen. "Der Kauf von Kunstwerken erleichtert es, illegal erlangten Reichtum zu verstecken", sagt der Chefanalyst der Behörde, Pawlo Kulyk, ZDF und Spiegel.
Viele Superreiche wie Roman Abramowitsch lagern ihre Kunstschätze in Zollfreilagern. In der Schweiz befindet sich ein solches Lager in Genf. Da auch die Schweiz im März 2022 Sanktionen gegen Abramowitsch und andere Putin-nahe Oligarchen verhängt hat, müssten deren in Genf gelagerte Kunstwerke beschlagnahmt werden.
Das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft erklärt dazu, man habe "Kunstwerke in der Schweiz identifiziert, die sich im Eigentum oder unter Kontrolle von sanktionierten Personen befinden" und habe "auch Kunstwerke (…) gesperrt." Zu Abramowitschs Schätzen gibt es keine Auskunft.
Mehrheitseigner des Zollfreilagers ist der Kanton Genf. Der Große Rat, das Kantonsparlament, beklagt die mangelnde Durchsetzbarkeit der Sanktionen: "Der Große Rat stellt mit Bedauern fest, dass die Schweizer Gesetzgebung nicht verlangt, für Freilager auf dem Zollformular den Berechtigten des Unternehmens anzugeben, das Eigentümer der Waren ist."
Damit könnten die Behörden die hinter Trusts und Treuhändern versteckten wahren Eigentümer der Kunstwerke nicht belangen, beklagt die Basler Geldwäscheexpertin Monika Roth: "Das Problem liegt ja schon darin, dass die Grundlage für eine konsequente Umsetzung der Sanktionslisten fehlt, weil die Bestandesaufzeichnungen oft gar nicht vollständig sind. Und damit erfolgt auch eine Überprüfung bezüglich der sanktionierten Personen und ihrer Kunstwerke nur lückenhaft."
Diese Info-Box wurde am 14.11.2023 nachträglich zum Artikel erstellt.
Mit Stahl- und Rohstoffgeschäften zum Oligarchen
Abramowitsch ist mit Stahl- und Rohstoffgeschäften in der Goldgräberstimmung früher postsowjetischer Jahre reich geworden. Nach Russlands Invasion in der Ukraine wurde er von Großbritannien, der EU, der Schweiz, Kanada, Neuseeland und der Ukraine aufgrund seiner engen Beziehungen zu Russlands Staatschef Wladimir Putin sanktioniert.
"Seine Verbindungen zum russischen Präsidenten halfen ihm, sein beträchtliches Vermögen zu sichern", begründete die EU ihre Entscheidung. Mit seinem geschätzten Vermögen von 9,2 Milliarden US-Dollar gehört Abramowitsch zwar noch nicht in den Klub der zehn reichsten Russen. Doch durch die Kunstwerke, die er seit Ende der 2000er-Jahre erwarb, ist er im Kreis der bedeutendsten Sammler angekommen.
Treibende Kraft bei der immer größeren Präsenz auf dem Kunstmarkt soll laut Medienberichten seine dritte Frau Darja Schukowa gewesen sein. Sie hat Kunstgeschichte studiert. Das Paar trennte sich 2016, blieb aber durch ihre zwei gemeinsamen Kinder und die Kunstsammlung verbunden. Zu Beginn des russischen Angriffskriegs hatte Schukowa über einen Sprecher mitteilen lassen:
Doch ihre Liebe zum Kunstschatz ihres Ex-Mannes hat das wohl nicht gebrochen.
Klagen gegen die Russland-Sanktionen der EU häufen sich, mehrere Urteile stehen an. Ein Oligarch scheiterte vor dem EU-Gericht in Luxemburg - ein Unternehmer bekam teils recht.
Offshore-Firmen im zypriotischen Steuerparadies
Aus den geleakten Unterlagen geht nicht nur die bisher unbekannte Dimension der Sammlung hervor, sondern auch, wer trotz Russland-Sanktionen von der Sammlung profitiert. Eine wichtige Rolle in den undurchsichtigen Geschäften spielt der zypriotische Finanzdienstleister MeritServus. Die Firma verwaltete Dutzende Abramowitsch-Firmen und wurde aus diesem Grund von der britischen Regierung sanktioniert.
MeritServus half Abramowitsch möglicherweise, Sanktionen zu umgehen - mit einem Trick. Fragen der Medienpartner ließ MeritServus unbeantwortet.
Welche Rolle spielt die Ex-Frau von Abramowitsch?
Anfang 2021, vier Jahre nach ihrer Scheidung, wurde Darja Schukowa neben ihrem Ex-Mann Abramowitsch die zweite gleichberechtigte Begünstigte einer zypriotischen Treuhandgesellschaft - der Ermis Trust Settlement.
Damit gehörten ihr die Hälfte der Ausschüttungen des Trusts. Denn Ermis besitzt die Seline Invest, eine Firma, der die Kunstwerke von Abramowitsch gehören.
Steuervorteile und Intransparenz durch Trust
Kunst durch eine Treuhandgesellschaft zu halten ist keine Seltenheit in der Welt der Mäzene. Meistens gründet man einen Trust auch nicht lediglich für den Erwerb einer Sammlung, sagt Katharina Stoll, Doktorandin der Universität Glasgow und Expertin für Geldwäsche auf dem Kunstmarkt.
Ein Trust habe auch steuerliche Vorteile. Auch die Intransparenz und die Möglichkeit zu verschleiern, dass das, was der Trust hält, einem gehört, spreche für die Gründung einer Treuhandgesellschaft.
Seit dem Ukrainekrieg hat die EU Sanktionen gegen russische Oligarchen verhängt. Doch das ausgeklügelte System an Strohmännern und Scheinfirmen macht es schwer, die Vermögen aufzuspüren.01.09.2023 | 57:12 min
Der Trick Abramowitschs
Anfang 2022, in den Wochen vor der Invasion der Ukraine drohte bereits die britische Regierung den russischen Oligarchen mit Sanktionen. Alle, die den Krieg gegen die Ukraine unterstützten oder eine Bedeutung für den Kreml hatten, müssten das schärfste Sanktionsregime der Briten befürchten.
Und jetzt kommt der Trick ins Spiel: Nur drei Tage nach dieser Sanktions-Ankündigung änderten die Treuhänder der Ermis Trust die Anteile: Plötzlich hatte Schukowa laut Dokumenten "unwiderruflich Anrecht" auf 51 Prozent der Ausschüttungen des Trusts, Abramowitsch nur auf 49 Prozent. Die Sanktionen greifen aber generell nur, wenn die sanktionierte Person mit mehr als 50 Prozent an dem Vermögenswert beteiligt ist.
Jurist: Nicht die Prozentzahl ist entscheidend
Rechtsanwalt und Sanktionsexperte Viktor Winkler erkennt hier ein Muster, bei dem Personen, die später auf die Sanktionsliste kamen, ihre Vermögenswerte umgelegt hatten. "Das haben wir übrigens 2014 am stärksten erlebt."
Abramowitsch wird nur wenige Tage, nachdem die Verhältnisse im Ermis Trust geändert wurden, von Großbritannien und der EU wegen seiner engen Beziehungen zu Putin sanktioniert. Sein Vermögen soll eingefroren werden.
Doch die Änderung der Anteile im letzten Moment ist laut Winkler keine Garantie dafür, dass die Kunstsammlung nicht beschlagnahmt werden könnte. "Die tatsächliche Kontrolle und nicht die Prozentzahl ist entscheidend," sagt der Jurist.
Schukowa: Bin lediglich Begünstigte
Darja Schukowa, die heute als gut vernetzte Kunstliebhaberin im Kuratorium des Metropolitan Museums of Art in New York sitzt, ist selbst nicht sanktioniert. Was sagt sie zum Verbleib des Kunstschatzes des Oligarchen und zum trickreichen Hin- und Her über Offshore-Firmen?
Dem ZDF und seinen Medienpartnern ließ Schukowa über eine Londoner Anwaltskanzlei mitteilen, sie habe niemals Schritte unternommen, um Sanktionen zu umgehen, dies gelte auch bezüglich der Kunstwerke in dem Trust. Der Trust sei der Eigentümer der Bilder und verfüge darüber. Sie selbst sei lediglich Begünstigte.
In der Sammlung des Oligarchen Abramowitsch findet sich laut den geheimen Unterlagen zumindest bis 2017 auch ein ganz besonderes Werk - eine Fotografie des weltbekannten deutschen Künstlers Andreas Gursky von 1999.
Sie zeigt den ukrainischen Boxer Wladimir Klitschko als triumphierenden Europameister - unbesiegbar. Heute kämpft Klitschko mit seinem Bruder Vitali, Bürgermeister von Kiew, gegen Putins Truppen. Dieser Kampf, er dauert an.