Mittel gegen Schädlinge: Geht's auch ohne Gift im Garten?

    Statt Pestizid gegen Schädlinge:Geht's auch ohne Gift im Garten?

    Mark Hugo
    von Mark Hugo
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    Mehrere Hundert Tonnen Pestizide werden jedes Jahr in deutschen Gärten verteilt. Keine gute Idee, sagen Umweltschützer. Das schade Natur und Gesundheit. Und es gehe auch anders.

    Junge Frau jätet Unkraut im Garten.
    Jäten per Hand statt chemische Keule: Umweltschützer raten davon ab, im Garten Pflanzenschutzmittel zu verwenden.
    Quelle: MEV

    Unkraut wuchert unter der Hecke empor. Blattläuse haben es auf Rosen abgesehen. Und Erdflöhe auf den Kohlrabi. Die Liste der "natürlichen Feinde" von Hobby-Gärtnerinnen und -Gärtnern ist lang. Oft greifen sie zur chemischen Keule. 5.600 Tonnen Pestizid-Produkte mit 460 Tonnen reinem Wirkstoff sind es jährlich, schätzt der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).
    Und das bei offenbar steigender Tendenz: Der Industrieverband Agrar (IVA) beziffert für 2022 den Umsatz der eigenen Mitglieder mit Pflanzenschutzmitteln für Haus und Garten mit 69,7 Millionen Euro - über neun Millionen mehr als noch zwei Jahre davor.

    Der Weltumwelttag (World Environment Day) findet jährlich am 5. Juni statt. Er soll an die Eröffnung der UNO-Konferenz zum Schutz der Umwelt am 1972 in Stockholm erinnern, vor allem aber das Bewusstsein und das Handeln zum Schutz der Umwelt fördern. 2023 steht er international unter dem Hashtag #BeatPlasticPollution und wird von der Elfenbeinküste und den Niederlanden ausgetragen. Das deutsche Motto ist diesmal: "Natur stärken - Klima schützen".

    Pestizide haben Nebenwirkungen

    Auch wenn die Mittel in Deutschland nur dann zugelassen sind, wenn ihre Auswirkungen auf Natur und Gesundheit als "vertretbar" eingestuft werden, hat das oft unerwünschte Nebenwirkungen, warnt Henrike Madrenes vom Umweltbundesamt (UBA). "Gerade in Privatgärten stehen Pflanzen, die gegen zum Beispiel Blattläuse behandelt werden sollen, und Pflanzen, die durch Insekten bestäubt werden, oft nahe beieinander." Durch Sprühnebel etwa würden auch diese erreicht.

    Pestizide sind gemacht, um Lebewesen zu schädigen und zu töten. Allerdings treffen sie nicht nur die sogenannten Unkräuter und Schädlinge, sondern auch Nützlinge wie Bienen, Schmetterlinge und Marienkäfer.

    Corinna Hölzel, BUND

    Und wenn die fehlen, haben Schadinsekten leichtes Spiel, erklärt BUND-Gartenexpertin Corinna Hölzel. "Sie können sich dann ungestört über die Kulturpflanzen hermachen."
    Pestizide gelangen außerdem in Obst und Gemüse, in den Boden, ins Wasser und in die Luft, wo sie sich breit verteilen. "Der Schutz der biologischen Vielfalt im Garten sollte Grundsatz fürs Gärtnern sein", findet Hölzel. "Aus unserer Sicht ist der Einsatz von Pestiziden im Garten keine gute Idee", sagt deshalb auch Henrike Madrenes.
    Auf dem Bild ist das Innere eines Gewächshauses von einer Gärtnerei zu sehen.
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    Umweltschäden durch falsches Anwenden

    Vor allem dann, wenn die Mittel nicht richtig angewendet werden. "Falsch machen kann man viel", so die UBA-Expertin. Falsche Menge, falsche Pflanze, falsches Ziel. Wenn Präparate etwa gegen Blattläuse zur Raupenbekämpfung eingesetzt werden, oder solche, die eigentlich gegen Echte Mehltaupilze gedacht sind, gegen Falsche Mehltaupilze, dann riskiere "man im schlimmsten Fall nur Umweltschäden, ohne überhaupt eine ausreichende Wirkung davon zu haben".




    Jäten und Hacken statt Spritzen

    Aber geht es wirklich auch ohne die Mittelchen aus dem Baumarkt? Corinna Hölzel ist überzeugt:

    Für alle gärtnerischen Probleme gibt es eine nichtchemische Alternative.

    Corinna Hölzel, BUND

    Dazu zählt sie Jäten und Hacken statt Spritzen. Und: Widerstandsfähige Pflanzensorten am richtigen Standort, "gestärkt durch Pflanzenjauchen sind schon die halbe Ernte".
    Radieschen
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    Tipps gegen Schädlinge im Garten

    Auch für den Kampf gegen Schädlinge hat sie Tipps:
    • Erdflöhe zum Beispiel lieben Radieschen, Brokkoli und Kohlrabi. Regelmäßiges Gießen und Mulchen mögen sie dagegen gar nicht, ebenso wie häufiges Hacken des Bodens und Spinat, Salat, Zwiebeln und Knoblauch als Nachbarn.
    • Für den Kartoffelkäfer sei eine wechselnde Fruchtfolge "die Lösung". Der Käfer überwintert im Boden und geht dann, wenn im neuen Jahr ganz andere Pflanzen wachsen, leer aus. Natürliche Feinde der Kartoffelkäfer sind außerdem Kröten und Laufkäfer. Die kann man mit Steinhaufen, Mauerresten und Totholz im Garten anlocken.
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    Bei Blättläusen erst einmal Abwarten

    Und was hilft gegen die ungeliebten Blattläuse? Da raten die Expertinnen erstmal zu entspanntem Abwarten.

    Der erste Blattlausbefall im Frühjahr sollte toleriert werden, damit die Nützlinge Futter finden.

    Henrike Madrenes, Umweltbundesamt (UBA)

    Marienkäfer, Florfliegen oder Singvögel kümmern sich nämlich oft gerne selbst um das Problem. Laubhaufen und Vogelhäuschen helfen, damit sich die Fressfeinde wohlfühlen.
    Außerdem: Zwiebeln, Kapuzinerkresse oder Knoblauch im Beet mögen Läuse gar nicht. "Wenn die Blattläuse dann doch überhand nehmen, dann lassen sie sich händisch oder mit einem Wasserstrahl entfernen", so Henrike Madrenes.
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    Die Natur sich selbst überlassen

    "Überhaupt ist Toleranz eine wichtige Herangehensweise im Garten", findet Madrenes. "Werden Unkräuter hier und da toleriert, bieten sie Insekten Futter."
    Gärten hätten ein riesiges Potenzial für den Schutz der Artenvielfalt, glaubt auch Hölzel. Dazu müsse man dort aber die Natur auch mal sich selbst überlassen - was ganz nebenbei noch einen anderen Vorteil habe:

    Die Zeit, die bisher mit 'Ordnung in den Garten bringen' genutzt wurde, kann auch mal im Liegestuhl verbracht werden, um die sich nun einstellenden Insekten, Vögel und Eidechsen zu bestaunen.

    Corinna Hölzel, BUND

    Mark Hugo ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion.

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