Erhöhte Blutzuckerwerte:Prädiabetes - früher erkennen und behandeln
von Markus Böhle
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Bei einem Prädiabetes liegt der Blutzuckerspiegel noch nicht im krankhaften Bereich. Trotzdem warnen Experten vor den Risiken. Warum es wichtig sein kann, früh zu handeln.
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In Deutschland leben etwa 15 bis 20 Millionen Menschen mit einem Prädiabetes. Bei ihnen sind die Blutzuckerwerte regelmäßig höher als normal, allerdings noch nicht krankhaft erhöht. Die meisten Betroffenen wissen nichts von dieser Diabetes-Vorstufe, denn der Zustand verursacht in der Regel keine Beschwerden.
Das Problem: Binnen weniger Jahre kann daraus ein Diabetes Typ 2 entstehen. Dazu kommt bei einzelnen Patientengruppen schon früh ein erhöhtes Risiko für weitere Erkrankungen wie Herzkreislauferkrankungen oder Nierenschäden.
Und das sei eine Chance etwas zu machen, um keinen Typ-2-Diabetes zu bekommen oder die Manifestation aufzuschieben, erklärt Diabetologe Jens Kröger.
Wie man Prädiabetes erkennt
Aufschluss über einen erhöhten Blutzuckerwert gibt zum Beispiel eine allgemeine Gesundheitsuntersuchung ("Check-up"). Die Krankenkassen bezahlen diese bei Patienten ab 35 Jahren alle drei Jahre. Laut Kröger sollte der Hausarzt bei einem erhöhten Risiko, zum Beispiel bei auffälligen Werten und familiärer Veranlagung, den Blutzucker öfter untersuchen, zum Beispiel jährlich. Doch auch der Patient sei in der Verantwortung.
Ärztinnen und Ärzte haben drei Untersuchungsmöglichkeiten, um einen Prädiabetes festzustellen. Von einer Diabetes-Vorstufe kann ausgegangen werden, wenn:
die Nüchternglukose (nach ADA) bei 100 bis 125 Milligramm pro Deziliter liegt,
der HbA1c (Langzeitzucker) zwischen 5,7 und 6,4 liegt oder
der orale Glukosetoleranztest nach zwei Stunden einen Wert zwischen 140 bis 199 Milligramm pro Deziliter zeigt.
Höhere Werte deuten auf eine bereits bestehende Diabeteserkrankung hin.
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Risiko für Prädiabetes individuell verschieden
Moderat erhöhte Blutzuckerwerte allein bedeuten noch kein Gesundheitsrisiko. Und: Nicht jeder Mensch mit Prädiabetes wird einen Diabetes entwickeln. Bei manchen normalisieren sich die Werte sogar von allein. Etwa 30 bis 40 Prozent der Betroffenen entwickeln aber innerhalb von fünf Jahren einen Typ-2-Diabetes. Nach zehn Jahren sind es rund 50 Prozent.
Um das individuelle Risko genauer einschätzen zu können, haben Forschende der Universität Tübingen rund 900 Probanden über mehrere Jahre untersucht. Dabei konnten sie sechs Subtypen (Cluster) feststellen. Ein erhöhtes Gesundheitsrisiko besteht demnach dann, wenn bestimmte Faktoren, zum Beispiel Insulinresistenz und Fettansammlungen an den Organen, zusammenkommen.
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Die wichtigsten Risikofaktoren
In Zukunft könnte das Risikoprofil von Menschen mit Prädiabetes auch in Arztpraxen genauer ermitteln werden - zum Beispiel mit künstlicher Intelligenz. Doch schon jetzt gibt es Möglichkeiten, individuelle Risiken genauer einzuschätzen. Kritisch sind beispielsweise:
Familiäre Veranlagung, d.h. Diabetes bei Eltern, Geschwistern
ungesunde Ernährung, etwa zuckerreich, fleischlastig
Verarbeitete Lebensmittel enthalten meist viel Zucker. Zu viel davon ist ungesund. Worauf man auf der Verpackung achten sollte und Tipps, wie man im Alltag weniger Zucker isst.
von Christina-Maria Pfersdorf
mit Video
Krankenkassen zahlen bei Prädiabetes nicht
Prädiabetes ist in Deutschland keine Krankheit. Die Krankenkassen bezahlen deshalb in der Regel auch keine Interventionen wie Ernährungsberatungen oder Bewegungskurse. Diabetesmedikamente sind hierzulande für Prädiabetes-Patienten auch gar nicht zugelassen. Dennoch kann es sinnvoll sein, den Blutzuckerspiegel zu senken. Insbesondere dann, wenn mehrere Risikofaktoren zusammenkommen. In vielen Fällen gelingt das über einen gesünderen Lebensstil.
Diabetologe Kröger wünscht sich mehr Unterstützung für Menschen mit Prädiabetes. Auch, dass Krankenkassen vorhandene Schulungskurse bezahlen.
Diese Tipps helfen, den Blutzucker zu senken
Bei Übergewicht oder Adipositas wird empfohlen vor allem den Bauchumfang zu reduzieren, um etwa vier Zentimeter bei Frauen und etwa sieben Zentimeter bei Männern. Laut Forschenden konnte der Blutzuckerspiegel dadurch besonders gut gesenkt werden.
Ideal ist eine individuelle Ernährungsberatung, um Lebensumstände, Begleiterkrankungen oder Vorlieben zu berücksichtigen. Allgemeine Empfehlungen sind: eher mediterrane Kost, Zuckerverzicht, wenig Kohlenhydrate (statt raffiniertem Getreide wie z.B. Weißmehl besser komplexe Kohlenhydrate wie Vollkorn, Haferflocken, Hülsenfrüchte), viel Gemüse, gesunde Fette. Essenspausen und Intervallfasten können ebenfalls blutzuckersenkend wirken, sollten aber in Rücksprache mit dem Arzt erfolgen.
Ideal ist eine Kombination aus Ausdauersport (zum Beispiel fünf Mal die Woche für 30 Minuten) und Kraftsport. Auch mit mehr Bewegung im Alltag (mehr Schritte, Fahrrad statt Auto, Treppe statt Aufzug) kann man schon positive Effekte erzielen.
Wer das Rauchen aufgibt, kann das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, innerhalb mehrerer Jahre deutlich senken.
Unter Stress steigt der Blutzuckerspiegel. Das ausgeschüttete Cortisol führt außerdem zu vermehrtem Bauchfett. Maßnahmen zum Stressabbau wie Entspannungsübungen können den Blutzuckerspiegel senken. Auch guter Schlaf ist wichtig. Schwere Schlafstörungen wie zum Beispiel das Schlaf-Apnoe-Syndrom sollten deshalb behandelt werden.
Um Auslösern für erhöhten Blutzucker auf die Spur zu kommen, können bei diagnostizierten Diabetikern Systeme zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM), wie sie zum Beispiel insulinspritzende Patienten häufig nutzen, eine Möglichkeit zur Blutzuckerkontrolle sein. Apps, die sich an Diabetes-Patienten richten, können helfen, Blutzuckerwerte, Gewicht oder Ernährung zu dokumentieren.
Mit Tests das eigene Diabetes-Risiko ermitteln
Nicht immer kann man mit Veränderungen des Lebensstils einen Diabetes verhindern. Das kann zum Beispiel an einem hohen genetischen Risko liegen.