Diabetes insipidus:Wenn der Körper 20 Liter Flüssigkeit braucht
von Corinna Klee
|
Als durstigster Mann Deutschlands macht Marc Wübbenhorst 2018 Schlagzeilen. Er muss literweise trinken, um nicht zu verdursten. Bis eine Therapie sein Leben radikal verändert.
Warum Marc Wübbenhorst bis zu 25 Liter Wasser am Tag trinken muss.
15.12.2022 | 5:31 min
Vielen Menschen fällt es schon schwer, täglich die empfohlenen zwei bis drei Liter Flüssigkeit zu trinken. Aber bis zu 25 Liter Wasser am Tag? Das scheint unmöglich. Für den 41-jährigen Marc Wübbenhorst war das Alltag.
Er leidet seit Geburt an Diabetes insipidus renalis. Häufiger Harndrang und unstillbarer Durst sind seine ständigen Begleiter.
So beschreibt Marc Wübbenhorst sein Leben mit der Krankheit.
Hohe Urinausscheidung bedeutet Verlust von Mineralstoffen
Nicht nur tagsüber muss Marc trinken, sondern auch nachts. Und er muss immer wieder zur Toilette. Deshalb schläft er in dieser Zeit nie länger als eineinhalb Stunden am Stück, ist tagsüber unkonzentriert und müde.
Mit der hohen Urinausscheidung verliert er wichtige Mineralstoffe. Sie regulieren auch den Wasserhaushalt und die Funktion von Muskeln und Nerven. Er muss sie über Nahrungsmittel und isotonische Getränke wieder aufnehmen.
Immer Getränke dabei haben
Alltägliche Wege muss er planen und immer ausreichend Getränke dabei haben. Schon als Kind hat er gelernt, sich selbst zu helfen.
ausreichende Zufuhr an Flüssigkeit, z.B. magnesium- und kalziumreiche Mineralwasser, isotonische Getränke
Kalium: Vollkorngetreide, Trockenfrüchte, Nüsse und Avocado, Sojabohnen, getrocknete Aprikosen, weiße Bohnen, Erbsen, Datteln, Feigen und Spinat
Natrium: durch salzreiche Kost wie Salzstangen, Ketchup, marinierte Oliven, Brie, Schmelzkäse, Salami, Salzheringe
Diabetes insipidus ist keine Zuckerkrankheit
Diabetes insipidus ist sehr selten. Betroffene scheiden übermäßig viel Urin aus. Gleichzeitig haben sie ein extrem gesteigertes Durstgefühl. Ursache ist eine hormonell bedingte Störung des Wasser-Salz-Haushaltes.
Auch Patienten mit einem Diabetes mellitus, der Zuckerkrankheit, haben ein gesteigertes Durstgefühl. Obwohl beide Erkrankungen ganz unterschiedlich sind, haben sie eines gemeinsam: den Begriff Diabetes. Er bedeutet Durchfluss und beschreibt die krankhaft erhöhte Urinausscheidung, ein Symptom beider Krankheiten.
Eine künstliche Bauchspeicheldrüse: eine Lösung gegen Diabetes?
Hormon reguliert die Urinausscheidung
Die Urinausscheidung wird über ein Hormon reguliert, das in der Hypophyse produziert wird: das Anti-Diuretische Hormon (ADH), auch Vasopressin genannt. Es veranlasst die Nieren, den Urin zu konzentrieren. Beim Diabetes insipidus ist dieser Mechanismus gestört. Man unterscheidet zwei Formen.
"Beim Diabetes insipidus centralis haben wir einen Ausfall bzw. einen Mangel des Hormons", erklärt Mariam Abu-Tair, Nephrologin und Diabetologin vom Evangelischen Klinikum Bethel in Bielefeld.
Die Ursache für den Diabetes insipidus renalis ist in Marcs Fall genetisch bedingt. Die Erkrankung kann aber auch erworben sein, zum Beispiel in Folge von Nierenbeckenentzündungen, Niereninsuffizienz, Vergiftungen oder Medikamenten.
Diabetes insipidus centralis wird durch einen Mangel an ADH, dem Anti-Diuretischen Hormon, verursacht. Es wird entweder gar nicht oder in nicht ausreichender Menge produziert. Dadurch wird die Fähigkeit der Nieren, Wasser zurückzugewinnen, vermindert. In der Folge scheidet der Körper zu viel Flüssigkeit aus. Die Therapie richtet sich nach den Ursachen. Ist diese ein hormonelles Defizit, kann das fehlende ADH durch ein künstlich nachempfundenes Hormon ersetzt werden.
Beim nierenbedingten Diabetes insipidus ist die Aufnahme des Hormons ADH in den Sammelrohren der Nieren gestört. Eigentlich sollten die hier verlaufenden Wasserkanäle das Hormon aufnehmen und wasserdurchlässiger werden. Das Hormon ist also ausreichend vorhanden, die Niere kann aber darauf nicht ausreichend reagieren. In der Folge kann der Körper das gefilterte Wasser aus den Nieren nicht resorbieren und scheidet große Mengen verdünnten Urins aus.
Therapie mit entwässernden Tabletten
Vor drei Jahren erfuhr Marc Wübbenhorst von einer Therapie mit entwässernden Tabletten. Sie beinhalten den Wirkstoff Hydrochlorothiazid (HCT). "Mit diesem Wirkstoff erreichen wir einen künstlichen Wassermangel im Körper, der wiederum ein anderes Hormonsystem so aktiviert, dass wir auf die Art und Weise das Wasser und das Salz in den Körper zurückziehen können", so Nierenspezialistin Abu-Tair.
Das Medikament wirkt auch bei Marc. Brauchte er früher bis zu 25 Liter Flüssigkeit am Tag, kommt er seit der regelmäßigen Einnahme der Tablette mit etwa sieben Litern aus. Zum ersten Mal in seinem Leben schläft er länger am Stück, ist tagsüber ausgeruhter und voller Energie.
Auch wenn ein angeborener Diabetes insipidus unheilbar ist: Medikamente wie die HCT-Tabletten können das Leben von Betroffenen enorm erleichtern.
Quelle: Mit Material des Bundesministeriums für Gesundheit