Angst vor Krieg: Ukrainer auf der Flucht vorm Militärdienst
Angst vor Kriegseinsatz:Ukrainer auf der Flucht vor dem Militärdienst
von Michel Krasenbrink und Lisa Jandi
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In der Ukraine gibt es kein allgemeines Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Die Grenzen sind für die meisten Männer geschlossen - einigen gelingt trotzdem die Flucht vor der Armee.
Im Frühjahr 2022, einige Wochen nach Kriegsbeginn, musste sich Petr Svetik bei der ukrainischen Armee melden. Bewaffnete Soldaten hatten ihm in Charkiw mitten auf der Straße einen Einberufungsbescheid ausgestellt.
Er war damals 31 Jahre alt, wollte nicht in den Krieg. "Aber du kannst nichts gegen das Gesetz machen, wenn Soldaten mit Gewehren vor dir stehen", sagt er heute.
Wehrpflichtige Männer dürfen Ukraine nicht verlassen
Über ein Jahr nach seiner Einberufung sitzt Svetik auf einem Bett in Berlin. Im Krieg war er nie. Er ist geflohen. Svetik ist kein Einzelfall. Rund 180.000 ukrainische Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren sind seit Kriegsbeginn nach Deutschland geflohen und halten sich hier immer noch auf.
Wie viele von ihnen tatsächlich vor dem Kriegsdienst geflohen sind - das weiß niemand. Männer in diesem Alter gelten in der Ukraine grundsätzlich als wehrpflichtig und dürfen das Land nicht verlassen. Es gibt Ausnahmen. Allerdings nur für Väter von mindestens drei Kindern, für Menschen mit einer Behinderung und einige andere Gruppen.
Kiew kämpft gegen Korruption bei Rekrutierung
Unterschiedliche Wege ermöglichen aber auch Wehrpflichtigen die Flucht. Seit Kriegsbeginn versuchten etliche Männer illegal die Grenze zu überqueren, zum Beispiel nach Rumänien.
Die ukrainische Regierung will außerdem verstärkt die Korruption in Militär und Behörden bekämpfen. Immer wieder wurden Fälle von korrupten Rekrutierungsbeamten und Militärärzten bekannt. Sie hatten gegen Geld zum Beispiel falsche Ausmusterungen oder Gesundheitszeugnisse ausgestellt.
Männer, die nicht kämpfen wollen, sind für die ukrainische Regierung ein Reizthema. Kriegsdienstverweigerern drohen in der Ukraine Haftstrafen oder die Zwangsrekrutierung. Einigen gelingt dennoch die Flucht, unter anderem nach Deutschland und in andere europäische Länder.
Ukraine fordert Auslieferung geflüchteter Männer
Anfang September verschärfte sich die Debatte. Zuvor hatte David Arachamia, Fraktionsvorsitzender der ukrainischen Regierungspartei, eine Auslieferung der geflohenen Männer gefordert. Für die meisten deutschen Politiker ist eine Auslieferung derzeit undenkbar. Zu ihnen gehört Roderich Kiesewetter, CDU-Bundestagsabgeordneter:
Kriegsdienstverweigerung müsse immer möglich sein, sagt Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Bundestagsvizepräsidentin. Das gelte auch in diesem Fall. Der ukrainische Botschafter in Deutschland will sich auf Anfrage des ZDF nicht zum Thema äußern.
Ukrainerinnen und Ukrainer dürfen sich derzeit als Kriegsflüchtlinge auch ohne Asylantrag in der Europäischen Union aufhalten. Das regelt die sogenannte Massenzustromrichtlinie der EU, beschlossen im März 2022.
Militärdienst in Ukraine nur aus religiösen, nicht aus Gewissensgründen verweigerbar
Darüber hinaus können ukrainische Männer in Deutschland einen Asylantrag stellen, wenn sie befürchten, in der Ukraine wegen Kriegsdienstverweigerung verfolgt zu werden.
Eine Verweigerung des Militärdienstes aus Gewissensgründen ist in der Ukraine nicht möglich, anders als in Deutschland. Ukrainische Männer dürfen lediglich aus religiösen Motiven den Kriegsdienst verweigern, so regelt es die ukrainische Verfassung.
Das Recht gilt allerdings nur für Mitglieder bestimmter religiöser Minderheiten, die den Gebrauch von Waffen ablehnen. Die meisten Männer haben kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung.
Die Angst vor dem Kriegsdienst in Russland
Warum es für russische Kriegsdienstverweigerer kaum Auswege gibt
Im Oktober 2022 trat ein Orchester aus dem ukrainischen Charkiw in Deutschland auf. Einer der Musiker war Petr Svetik. Er hatte lange als Schlagzeuger in einer ukrainischen Band gespielt, durfte deshalb kurzfristig Mitglied des Orchesters werden und die Ukraine für den Auftritt verlassen. Heute hassen ihn seine Kollegen, so erzählt es Svetik. Denn er blieb einfach in Deutschland und zog nach Berlin.
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