Interview
Schengen im 40. Jahr:Die Grenzen sind zurück
von Susanne Freitag-Carteron
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Deutschland will die Kontrollen an den Binnengrenzen verlängern. Nachbar Luxemburg ist nicht begeistert, dort wird dieses Jahr der 40. Geburtstag des Schengener Abkommens gefeiert.
Die Grenzkontrollen sind zurück im Schengen-Raum und sollen auch 2025 weiter fortgesetzt werden. Ziel ist es, die illegale Migration in die EU zu verringern.13.01.2025 | 2:52 min
Sidi Ahmed steht am Autobahnrand - Grenzübergang Goldene Bremm, Saarbrücken. Der Franzose will zum Shoppen nach Deutschland. Jetzt steht er hier, während Polizisten und Zollbeamte sein Auto durchsuchen.
Grenzkontrollen. An diesem Tag ist es eine Großaktion von Bundespolizei, der saarländischen Landespolizei und dem Zoll. Während der Fußball-WM und der Olympiade in Paris im vergangenen Jahr wurden die Kontrollen mit den Großereignissen und den damit verbundenen Sicherheitsrisiken begründet. Danach wurden sie weiter verlängert.
"Man fühlt sich sicherer," sagt Sidi Ahmed. Die Polizisten leuchten noch einmal in seinen Kofferraum, dann kann er weiterfahren.
Die Grenzkontrollen zur Bekämpfung der illegalen Migration werden mindestens bis März 2025 verlängert. Darauf einigten sich die Innenminister der Länder und die Bundesinnenministerin.06.12.2024 | 1:39 min
"Smarte" Grenzkontrollen für weniger Stau
Die Kontrollen sollen "smart" sein, den Verkehr so wenig wie möglich behindern. Nicht jedes Fahrzeug wird kontrolliert. Wirtschaftlich gesehen scheint das zu funktionieren, Klagen über erhebliche Einbußen gibt es nicht.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser zieht eine positive Bilanz: "Wir haben einmal Erfolge bei der Schleuserbekämpfung. Wir haben unglaublich viele Ermittlungsverfahren in Gang gesetzt", sagt die SPD-Politikerin. Aber:
Faeser hält eine Verlängerung der Kontrollen bis 2026 für sinnvoll.
Mehrere Länder, darunter auch Deutschland haben Grenzkontrollen eingeführt um gegen illegale Migration vorzugehen. Das sei allerdings nicht genug.10.10.2024 | 1:34 min
Deutschland ist längst nicht das einzige Land, viele Staaten des Schengen-Raums kontrollieren ihre Binnengrenzen wieder. Dabei schaffte das Schengener Abkommen die Grenzkontrollen innerhalb Europas eigentlich ab. Ausnahmen sind möglich, müssen aber begründet werden.
Verlängerung der Kontrollen? Widerstand aus Luxemburg
Der kleine Ort Schengen in Luxemburg wurde weltberühmt, nur eine Brücke trennt ihn von Deutschland und Frankreich. Am Moselufer viele Denkmäler. Auf einem großen Foto sieht man lächelnde Politiker im 80er-Look - das war am 14. Juni 1985, als das Abkommen hier unterzeichnet wurde.
Luxemburg ist stolz darauf, aber vor allem abhängig davon. Täglich kommen über 200.000 Pendler ins Land. Löhne hoch, Wege kurz, normalerweise. Denn an der Grenze staut sich der Verkehr. Dass die Kontrollen verlängert werden könnten, beunruhigt Luxemburgs Innenminister Léon Gloden.
Die Einreise nach Bulgarien und Rumänien mit dem Auto oder Zug ist seit Januar 2025 einfacher. Beide Länder sind vollständig dem Schengenraum beigetreten. 27.12.2024 | 2:31 min
"Deutschland führt das Argument der illegalen Migration an, das ist laut Schengen-Kodex kein juristisches Argument," sagt er. "Das luxemburgische Parlament hat uns aufgefordert, Einspruch bei der Kommission einzulegen, sollte es zu einem offiziellen Antrag der Bundesrepublik kommen, und das werden wir auch tun."
Forscher: Schengen "nicht unumkehrbar"
Das Schengener Abkommen wird in diesem Jahr 40. Grenzraumforscher Florian Weber von der Universität Saarbrücken stellt fest, dass vor allem in Ländern, die einen Rechtsruck hinter sich haben oder einen befürchten, die Grenzen wieder kontrolliert werden.
"Es ist eine gewisse Sorge da, vor Migration und anderen Themen, die man auf die eigene Grenze projiziert", so Weber. Aber das zeige vor allem: Schengen sei "nicht unumkehrbar".
Wer soll kommen, wer darf bleiben? Deutschland streitet heftig über Zuwanderung. Christian Sievers fragt: Hat Deutschland die Lage noch im Griff?08.08.2024 | 43:29 min
Luxemburg weiter für offene Grenzen
Eine große Zäsur stelle die Covid-19-Pandemie dar. Da habe man gesehen: 'Ach, es funktioniert ja doch irgendwie, wieder zu kontrollieren', so Weber. "Es gibt ein globales Phänomen der 'Vergrenzung' durch immer mehr Mauern und Zäune."
Luxemburgs Innenminister Gloden fürchtet vor allem einen großen Vertrauensverlust in die EU, immer weniger Länder ziehen am gleichen Strang. "Wir werden uns immer für die offenen Grenzen einsetzen" sagt er.
Susanne Freitag ist Leiterin des ZDF-Landesstudios in Saarbrücken.
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