"Mauern, Zäune, Vergrenzungen": Kontrollen wieder verbreitet
Interview
Forscher über Grenzkontrollen:"Neue Mauern, Zäune, Vergrenzungen überall"
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Deutschland und andere Länder halten an Grenzkontrollen fest. Reine "Symbolpolitik", sagt Forscher Florian Weber. Er sieht ein globales Phänomen der "Vergrenzung".
Deutsch-polnische Grenze in Sachsen: Seit gut einem Jahr gibt es auch hier wieder stationäre Kontrollen.
Quelle: dpa
ZDFheute: Deutschland will seine Grenzen erst einmal weiter kontrollieren. Was bedeutet das eigentlich?
Florian Weber: Das rüttelt grundsätzlich an den Vorstellungen, die sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Europa der offenen Grenzen eingestellt haben. Wir sehen Kontrollen, die den freien Verkehrsfluss behindern, und damit eigentlich der Schengener Grundidee entgegenstehen.
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Die europäische Mentalität hat sich nicht zwingend gewandelt, aber die politische Grundstimmung in einigen Ländern.
Es gibt die Angst vor einem weiteren Rechtsruck. Da ist es eine gute Möglichkeit, Grenzen zu kontrollieren, weil man damit den Schein erweckt, auch gegen irreguläre Migration vorzugehen.
Deutschland will die Kontrollen an den Binnengrenzen verlängern. Nachbar Luxemburg ist nicht begeistert, dort wird dieses Jahr der 40. Geburtstag des Schengener Abkommens gefeiert.
von Susanne Freitag-Carteron
mit Video
ZDFheute: Es gibt die Zahlen der Bundespolizei über Festnahmen, Rückführungen, Fahndungserfolge. Sind die Kontrollen nicht doch ein Erfolg?
Weber: Es ist die Frage, wie man Erfolg definiert. Wenn man es an diesen Zahlen misst, mag es ein Erfolg sein. Gleichzeitig passieren natürlich trotzdem viele weitere Grenzübertritte ganz unkontrolliert.
Es werden bestimmte Stellen stärker kontrolliert, die Kontrollen kann man umgehen. Am Ende ist es damit eher Symbolpolitik.
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ZDFheute: Gibt es einen bestimmten "Ländertyp", der verstärkt kontrolliert?
Weber: Dänemark kontrolliert seit Jahren, um zu wissen, wer einreist. Deutschland hat sich angeschlossen. Frankreich kontrolliert aus unterschiedlichen Gründen und verlängert dann immer wieder. Die Niederlande haben sich angeschlossen, Italien ist dabei.
Wir sind durchaus eher in einem westeuropäischen "Kernclub", wo stärker kontrolliert wird. Das sind Länder, die einen Rechtsruck hinter sich haben oder die einen befürchten.
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Florian Weber, Universität des Saarlandes
Hier werden Grenzkontrollen durchgeführt.
Quelle: ZDF
Deutschland ist unter Druck mit der AfD. In Frankreich wird der Präsident von Marine Le Pens Partei vor sich hergetrieben. Niederlande, Italien, auch Dänemark tendenziell.
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Da haben sich nicht bewusst Länder zusammengefunden, aber es ist so eine gewisse Sorge da, vor Migration und anderen Themen, die man auf die eigene Grenze projiziert.
Es ist vielleicht ein gefühlt einfacher Ansatz, bei der Frage der Migration ein bisschen Sicherheit suggerieren zu können oder Handeln suggerieren zu können. Und das wiederum ist ja ein Thema, was gerade rechtspopulistische Parteien ganz stark pushen. Dann ist es fast eine Reaktion auf dieses Pushen.
Quelle: Florian Weber
... promovierte und habilitierte in Geografie. Seit April 2019 ist er Juniorprofessor für Europastudien mit den Schwerpunkten Westeuropa und Grenzräume an der Universität des Saarlandes.
ZDFheute: Was ist in den letzten fünf bis zehn Jahren anders geworden?
Weber: Es gibt punktuelle Ereignisse. Immer wieder war das der Terrorismus - verstärkte Kontrollen in Frankreich zum Beispiel. Dann gab es verstärkte Kontrollen im Zuge der sogenannten Migrationskrise.
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Eine große Zäsur stellt die Covid-19-Pandemie dar. Da wurde zwar schnell wieder für offene Grenzen votiert, aber man hat gleichzeitig gesehen: Ach, es funktioniert ja doch irgendwie, wieder Grenzkontrollen einzuführen.
Es gibt eine Trendwende seit der Pandemie. Und es gibt auch ein globales Phänomen der "Vergrenzung". Wir sehen eigentlich immer mehr neue Mauern, Zäune, Vergrenzungen überall.
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Florian Weber, Juniorprofessor für Europastudien
Die Grenzfrage aber ist entscheidend bei der weiteren Entwicklung der EU. Weil sehr viele Mitglieder, die sich dem Schengenraum angeschlossen haben, jetzt genau an dieser Frage drehen. Darüber sollte man nochmal nachdenken.
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ZDFheute: In diesem Jahr feiert das Schengener Abkommen den 40. Geburtstag, gleichzeitig wird mehr kontrolliert…
Weber: Das zeigt, dass diese Errungenschaft von 1985 nicht unumkehrbar ist. Wir haben uns zwar daran gewöhnt, dass Grenzen offen sind, das könnte aber auch wieder anders sein.
Diese 40 Jahre Schengen könnten eigentlich ein Warnruf und ein Weckruf sein, sich nochmal Gedanken zu machen, ob das nicht doch eine der Kern-Errungenschaften der EU ist.
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Florian Weber, Juniorprofessor für Europastudien
Das Interview führte Susanne Freitag-Carteron, Leiterin des ZDF-Landesstudios Saarbrücken.
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