Experte: Putin kann sich Belgorod "nicht gefallen lassen"

    Experte Gressel zu Belgorod:Putin "kann sich das nicht gefallen lassen"

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    Ist Putins Macht durch die Aktion in Belgorod gefährdet? Läuft die Gegenoffensive tatsächlich schon? Und ist sie noch aufzuhalten? Gustav Gressel gibt bei ZDFheute Antworten.

    Während russische Milizen dem Kreml mit neuen Angriffen drohen, meldet Kiew den Beginn der Gegenoffensive. Bei ZDFheute live ordnet Gustav Gressel die aktuelle Lage ein.
    Das sagt der Militärexperte zu ...

    … dem selbsternannten Russischen Freiwilligenkorps RVC:

    Gressel spricht hier von einem "heterogenen Laden". Anführer Dennis Nikitin etwa sei ein "Kleinkrimineller und Neonazi" und es sei nicht ganz klar, ob er mit seinen Aktionen für alle spreche. Er komme aus der Fußball-Hooligan-Szene und habe in der Ukraine wegen Drogenhandels in Haft gesessen - auch in Deutschland seien wohl Strafverfahren gegen ihn anhängig.
    Es gebe in der Ukraine, so Gressel, generell mehrere Gruppierungen mit russischen Staatsbürgern. Die meisten seien "Überläufer aus Kriegsgefangenen", aber nicht alle schlössen sich den Aktionen dieses Freiwilligenkorps an. Der Militärexperte vermutet, dass diese Menschen vom militärischen Nachrichtendienst "wenn nicht geleitet, dann zumindest angestellt werden, um solche Aktionen durchzuführen". Diese Aktionen seien natürlich waghalsig und dafür scheine sich auch nicht jeder gerne herzugeben. "Deshalb greift man natürlich auf diese Elemente zurück."

    Das ist optisch nicht sehr schön, aber der Ukraine wahrscheinlich in dieser Situation egal.

    ... einer möglichen Gefährdung für Putins Macht

    "Es ist natürlich hochpeinlich für ihn", so Gressel. An eine Gefährdung der Macht glaubt der Experte jedoch nicht. Aber:

    Er muss reagieren, er kann sich das nicht gefallen lassen.

    Deshalb werde der Kremlchef Soldaten aus der Ukraine abziehen müssen, um sie an der Grenze zu positionieren. Denn die FSB-Grenzschutzeinheiten seien dafür zu schwach. "Dazu braucht es Panzerabwehrwaffen." Um solche Vorstöße zurückzutreiben, brauche es überdies Artillerie und Panzerfahrzeuge - deren Abzug aus der Ukraine wäre angesichts der ukrainischen Gegenoffensive "bitter für die russische Armee".

    Gustav Gressel zugeschaltet via Zoom
    Quelle: ZDF

    ... ist Politikwissenschaftler und Militärexperte. Zu seinen Themenschwerpunkten gehören Russland, Osteuropa und Verteidigungspolitik.

    ... der Ankündigung der Ukraine, die Gegenoffensive sei bereits gestartet:

    "Das ist eine Frage der Definition." Nach Auffassung des Militärexperten ist die Ukraine in der Vorbereitungsphase, derzeit schränke sie die Reaktionsmöglichkeiten der russischen Armee erst einmal ein. Dazu gehörten "Täuschungsmanöver", um die Russen zu einer Umgruppierung zu zwingen.
    "Das sind Angriffe in falsche Richtungen, Störaktionen - ähnlich, wie wir das eben in Belgorod gesehen haben, dann natürlich Angriffe auf die Führungsstruktur des Gegners, auf die Logistikinfrastruktur, […] Eisenbahnen, Straßenbrücken etc." All dies erfolge, damit die russische Armee beim Start des eigentlichen Angriffes an den falschen Posten stehe und nicht rechtzeitig reagieren könne.

    Wann die Durchbruchsphase beginnen wird, ist schwer zu sagen. Das hängt von vielen Dingen ab, in die wir im Westen überhaupt keinen Einblick haben.

    … Putins Möglichkeiten, die Gegenoffensive aufzuhalten:

    "Russland bereitet sich seit Monaten darauf vor", so Gressel, "indem es vor allen Dingen Stellungen ausgräbt - also Schützengräben, Stellungen für Panzer, davor gestaffelt Sperren, also Panzer-Igel, Betonsperren, Panzergräben, Minenfelder". Das Problem dabei sei, dass diese Sperren immer bewaffnet überwacht werden müssten - die russischen Truppen aber zu "ausgedünnt" seien, um die ganze Front durchgehend gut zu besetzen.
    Wenn die Ukraine es schaffe, durch besagte Manöver die Front noch weiter auszudünnen, dann seien die Hindernisse Russlands Gressels Worten zufolge "so technisch imposant sie sind - wirklich Giganten auf tönernen Füßen".
    Keine sehr große Rolle habe bislang die Luftwaffe gespielt - inwiefern sich das ändere, gehört dem Experten zufolge zu den spannenden Fragen. "Das ist auch der Grund, warum die Ukraine in den letzten Wochen und Monaten so einen Druck ausgeübt hat auf den Westen, Kampfflugzeuge freizugeben, F16 zu liefern."
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    Auf dem Bild sieht man ukrainische Soldaten von hinten.
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    Quelle: ZDF
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