Wissings HVO-Lobbyskandal:Auto-Lobby drohen Sanktionen wegen Kampagne
von Nils Metzger, Nathan Niedermeier
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Ein Verband warb mit Verkehrsminister Wissings Unterstützung für den Diesel-Kraftstoff HVO. Die Bundestagsverwaltung prüft einen möglichen Verstoß gegen das Lobbyregistergesetz.
Wie die FDP den angeblichen Klima-Diesel an deutsche Tankstellen brachte und warum die Sache stinkt.16.07.2024 | 16:33 min
Die Bundestagsverwaltung hat ein Prüfverfahren gegen den Auto-Lobbyverein "Mobil in Deutschland" eingeleitet. Hintergrund sind mögliche Verstöße gegen das Lobbyregistergesetz. Auslöser für das Prüfverfahren waren ZDF frontal Recherchen zu der Kampagne "HVO100 goes Germany".
Im Juli hatte ZDF frontal aufgedeckt, wie "Mobil in Deutschland" mit fragwürdigen Methoden und Unterstützung aus dem Bundesverkehrsministerium (BMDV) für den Alternativkraftstoff HVO100 warb. Es ist das erste Mal, dass sich eine Lobbyorganisation in dieser Form für ihre Aktivitäten rechtfertigen muss. Jetzt drohen empfindliche Sanktionen.
ZDF frontal liegen neue interne Dokumente des Verkehrsministeriums vor. Die zeigen, wie eng die Absprachen zwischen Ministerium und dem Lobbyverein Mobil in Deutschland waren.
von Nils Metzger, Nathan Niedermeier
Exklusiv
Um was geht es beim HVO-Lobby-Skandal?
Verkehrsminister Volker Wissing und andere FDP-Politiker hatten sich seit Jahren für die umstrittene Einführung von HVO100 an deutschen Tankstellen eingesetzt - mit Rückendeckung von Industrie und Verbänden wie "Mobil in Deutschland". Wissings Staatssekretär Oliver Luksic (FDP) übernahm etwa die Schirmherrschaft der Werbekampagne "HVO100 goes Germany".
ZDF frontal-Recherchen lieferten konkrete Hinweise, dass sich Kraftstofflobbyisten gegen Geld Zugang zum Minister verschafft haben könnten. In internen Präsentationen wurden Partnern der Kampagne von "Mobil in Deutschland" gegen Zahlung "exklusive VIP-Termine" mit Wissing und weiteren Politikern in Aussicht gestellt. Geworben wurde etwa mit einem "durchgehenden Austausch mit politischen Entscheidungsträgern (z.B. Dr. Volker Wissing, Christian Lindner, Oliver Luksic)" im Rahmen einer "Premium-Kooperation" für jährlich 9.900 Euro.
Am Rande einer Lobbyveranstaltung im März 2024 in Berlin kam es tatsächlich zu einem Hinterzimmertreffen zwischen Wissing und Unterstützern der Kraftstoff-Kampagne. Die Recherchen von ZDF frontal belegten zahlreiche weitere Kontakte von Wissing und seinem Staatssekretär Luksic mit "Mobil in Deutschland".
frontal deckte die umstrittene Nähe eines Auto-Lobbyvereins zum Bundesverkehrsministerium auf.23.07.2024 | 2:30 min
Verein wies Vorwürfe zurück
"Mobil in Deutschland" verneinte damals, Termine gegen Geld vermittelt zu haben. Auch das Verkehrsministerium wies den Vorwurf einer "unrechtmäßigen Einflussnahme" zurück, man habe keine Kenntnis von Geldzahlungen an den Veranstalter in Erwartung eines Gesprächs gehabt.
Die Schirmherrschaft für die Kampagne wurde in Folge der ZDF frontal-Anfragen im Juli auf Eis gelegt. Bereits im Vorfeld der Schirmherrschaft hatte es innerhalb des Ministeriums deutliche Kritik an der HVO-Werbekooperation gegeben, Wissing aber entschied sich für die Unterstützung der Kampagne.
Zum laufenden Prüfverfahren und möglichen internen Konsequenzen aus dem Lobby-Skandal wollte sich das Verkehrsministerium am Freitag nicht äußern. "Mobil in Deutschland" reagierte nicht auf eine erneute Anfrage.
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Verstoßen Lobby-Aktivitäten gegen Verhaltenskodex?
Für die Aktivitäten von Lobbyorganisationen gibt es gesetzliche Regeln, darunter einen seit Anfang 2022 vorgeschriebenen Verhaltenskodex. Für die Überwachung ist die Bundestagsverwaltung zuständig.
Diese hat nun ein Prüfverfahren gegen "Mobil in Deutschland" eingeleitet wegen eines möglichen Verstoßes gegen Ziffer 8 des Kodex. Interessensvertreter haben es demzufolge zu unterlassen, im Kontakt mit Auftraggebern eine nicht bestehende Nähe zur Bundesregierung oder Mitgliedern des Bundestags zu behaupten.
Es geht also um die Frage, ob "Mobil in Deutschland" seinen Geldgebern nicht zulässige Versprechungen gemacht haben könnte. "Anlass für die Einleitung des Prüfverfahrens war die Presseanfrage und anschließende Berichterstattung des ZDF", teilt die Bundestagsverwaltung mit. Man habe bereits Stellungnahmen des Vereins und des Verkehrsministeriums eingeholt, auch das Bundesinnenministerium sei in das Prüfverfahren eingebunden.
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Welche Konsequenzen drohen "Mobil in Deutschland"?
Ein Verstoß gegen den Verhaltenskodex könnte die künftige Lobbyarbeit von "Mobil in Deutschland" erheblich erschweren. Der Eintrag der Organisation im Lobbyregister bekäme einen Warnhinweis. Für zwei Jahre könnte sie ihren Zugang zum Bundestag und seinen Ausschüssen verlieren. Ihre Experten könnten von Anhörungen ausgeschlossen und bei der Ausarbeitung von Gesetzen in den Ministerien nicht mehr beteiligt werden.
Der Fall von "Mobil in Deutschland" ist das erste Mal, dass die Bundestagsverwaltung ein Verfahren wegen eines möglichen Kodex-Verstoßes gegen eine Lobbyorganisation einleitet. Für Timo Lange von der Organisation Lobbycontrol ist das eine gute Nachricht:
Von Mobil in Deutschland erwartet Lobbycontrol nun weitere Schritte: "Mobil in Deutschland muss zügig Angaben zu Einnahmen und Ausgaben für 2023 nachreichen, um nicht erneut die Regeln zu verletzen. Das Gesetz fordert eine unverzügliche Bereitstellung des Jahresabschlusses, sobald dieser vorliegt", sagt Lange ZDF frontal.
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Wie geht das Wissing-Ministerium mit dem Skandal um?
Eine solche Sanktionierung von "Mobil in Deutschland" wäre für Verkehrsminister Wissing womöglich eine gute Nachricht. So könnte er noch deutlicher als bislang darauf pochen, dass der Lobbyverein aus München und nicht sein Ministerium die Verantwortung für den Skandal trägt.
Für alternative Kraftstoffe setzt sich die FDP unterdessen weiter ein. In dieser Woche legte Christian Lindners Bundesfinanzministerium einen Gesetzesentwurf zu Steuererleichterungen für Fahrzeuge vor, die ausschließlich mit E-Fuels betankt werden. Auch die sind ein Anliegen von "Mobil in Deutschland". Seine HVO-Kampagne lässt der Verein indes ohne Logo des Ministeriums weiterlaufen.
Die Lobbygruppe Mobil in Deutschland kämpft mit harten Bandagen für Verbrenner-Autos. Aktivitäten des Münchner Vereins mit Kontakten zu Spitzenpolitikern werfen Fragen auf.