Lobbyskandal: Hinterzimmer-Treffen mit Wissing gegen Geld?

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    FDP-Lobbyskandal:Hinterzimmer-Treffen mit Wissing gegen Geld?

    von Nils Metzger, Nathan Niedermeier
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    ZDF frontal liegen neue interne Dokumente des Verkehrsministeriums vor. Die zeigen, wie eng die Absprachen zwischen Ministerium und dem Lobbyverein Mobil in Deutschland waren.

    Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) ließ sich für eine Lobbykampagne für den alternativen Kraftstoff HVO100 einspannen. (Archivbild)
    Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) ließ sich für eine Lobbykampagne für den alternativen Kraftstoff HVO100 einspannen. (Archivbild)
    Quelle: Imago

    Neue interne Unterlagen des Ministeriums und Aussagen von Kampagnenpartnern liefern konkrete Hinweise, dass sich Kraftstofflobbyisten gegen Geld Zugang zum Verkehrsminister verschaffen konnten. Die Dokumente geben Einblick, was das Ministerium wusste.
    Am 13. März hielt Minister Volker Wissing (FDP) eine Rede auf einer Kampagnenveranstaltung von Mobil in Deutschland in der Motorworld Manufaktur in Berlin. ZDF frontal liegt der ministeriums-interne Ablauf der Veranstaltung - die sogenannte "Termin-Checkliste" des Ministers - vor.
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    Hinterzimmer-Treffen mit Wissing am 13. März

    Dort ist angekreuzt, dass die Veranstaltung nicht öffentlich ist - mit dem Vermerk "Einlass nur mit bestätigter Anmeldung möglich". Laut Briefkopf wurden diese Angaben vom Lobbyverein Mobil in Deutschland ausgefüllt und dann an das Ministerium geschickt.
    Besonders brisant ist dieser Punkt:

    18:00 Uhr - Ankunft Minister und direkte Begleitung in einen Nebenraum – dort wird es mit Kampagnenpartnern ein kurzes Vorabmeeting geben.

    Programmablauf Minister Wissing am 13. März

    Der geplante Terminablauf für die Lobby-Veranstaltung am 13. März 2024.
    Der geplante Terminablauf für die Lobby-Veranstaltung am 13. März 2024.
    Quelle: Bundesverkehrsministerium

    Laut dem geplanten Ablauf sollten etwa zehn bis fünfzehn Personen bei diesem 25-minütigen "Hinterzimmer-Treffen" mit Wissing dabei sein. Im Anschluss wurde um 18:37 Uhr ein Gruppenfoto mit Minister gemacht. Das veröffentlichte der Lobbyverein Mobil in Deutschland später auf seiner Webseite.
    Neben Wissing sind dort genau die Unternehmensvertreter zu sehen, die auch Unterstützer und Partner der Lobbykampagne sind. Sie tauchen namentlich ebenfalls auf der Termin-Checkliste des Verkehrsministeriums auf - als "Ehrengäste vor Ort". Dem Ministerium war also vorab bekannt, mit wem Wissing dort zusammentreffen würde.
    Gruppenfoto mit Minister Wissing und Unterstützern der Kampagne "HVO100 goes Germany" am 13. März 2024.
    Gruppenfoto mit Minister Wissing und Unterstützern der Kampagne "HVO100 goes Germany" am 13. März 2024.
    Quelle: Mobil in Deutschland

    Verkehrsministerium bestätigt "Vorgespräch"

    Auf ZDF frontal Anfrage bestätigte das Verkehrsministerium am Donnerstag, dass es am 13. März zu einem "Vorgespräch" vor Beginn der Veranstaltung kam.

    Vor Beginn der Veranstaltung am 13.03.2024 fand - wie im Rahmen von Veranstaltungen üblich - ein Vorgespräch zu den Themen der Veranstaltung und dem Ablauf statt.

    Sprecher des Bundesverkehrsministeriums

    Wer an dem Vorgespräch teilgenommen habe, könne "aufgrund der Vielzahl solcher Begegnungen nicht mehr nachvollzogen werden". "Bundesminister Wissing hatte selbstverständlich keinerlei materiellen Vorteil von diesem Termin. Es war in keiner Weise ersichtlich, ob die Teilnehmer dieser Veranstaltung Geldzahlungen an den Veranstalter in der Erwartung eines Gesprächs geleistet haben", schreibt das Ministerium weiter.
    Das Bundesverkehrsministerium schrieb in einer öffentlichen Stellungnahme, einer "unrechtmäßige Einflussnahme" oder Terminvermittlung gegen Geld, trete das Haus "mit aller Entschiedenheit entgegen". Unproblematisch scheint der Vorgang für das Ministerium nicht: Die Schirmherrschaft von Staatssekretär Oliver Luksic (FDP) für die Lobbykampagne ruht derzeit.

    HVO (Hydrotreated Vegetable Oil) ist ein alternativer Diesel-Kraftstoff, hergestellt aus Pflanzen- und Tierölen. Wenn dafür Rest- und Abfallstoffe verwendet werden, kann bis zu 90 Prozent CO2-Neutralität trotz Verbrennungsmotor erreicht werden, so das Hersteller-Versprechen. Seit Ende Mai darf HVO in Reinform, also HVO100, an deutschen Tankstellen verkauft werden. "Durch den Einsatz erneuerbarer Ressourcen und den hydrierten Produktionsprozess leistet der Kraftstoff einen bedeutenden Beitrag zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen", schreibt Mobil in Deutschland auf seiner HVO100-Kampagnenseite.

    Theoretisch können so Diesel-Autos auf dem Papier fast klimaneutral unterwegs sein. Am Auspuff sorgen aber auch Verbrenner, die HVO100 tanken, für etwa die gleichen CO2-Emissionen, je nach Studie. Ein Problem: Für einen nennenswerten Klimaeffekt gibt es am Markt viel zu wenig HVO100 und die für die Herstellung benötigten Rohstoffe, sagt Horst Fehrenbach, Kraftstoff-Experte am Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg. Er rechnet mit keinem signifikanten Klima-Effekt durch HVO100.

    "90 Prozent Klimagaseinsparung beim Einsatz von HVO stimmt natürlich nicht, wenn ich diesen Rohstoff einem anderen Sektor wegnehme. Netto gewinnen wir dadurch eigentlich nichts", sagt Fehrenbach. Er fürchtet eine Verschleppung der E-Mobilität durch HVO100. "Im Bereich Straßenverkehr haben wir Alternativen, die ausgebaut werden können. Im Bereich Flugverkehr wird es sehr viel schwieriger. Dort sind diese Stoffe sehr viel besser untergebracht."

    So steht es auch in einem Papier des Wissenschaftlichen Diensts des Bundestags, das Fazit dort: "Die verfügbare Menge an Biomasse wird perspektivisch nicht ausreichen, um den Verkehrssektor umfassend zu dekarbonisieren. Deshalb sind alternative Biokraftstoffe wohl vorrangig in Bereichen einzusetzen, in denen eine Elektrifizierung schwer umsetzbar ist." Das Fazit von Forscher Fehrenbach: "Wenn wir alles Potenzial an HVO mobilisieren, um es in den Pkw-Verkehr zu bringen, dann tun wir dem Klimaschutz einen Bärendienst."

    Kooperations-Angebot für 14.900 Euro

    In einer ZDF frontal vorliegenden Präsentation von Mobil in Deutschland aus dem Jahr 2023 werden für den Termin am 13. März Bezahl-Optionen erwähnt. Zum Preis von 14.900 Euro wird eine "Kooperations-Möglichkeit" angeboten.
    Kooperations-Angebot über 14.900 Euro für die Veranstaltung am 13. März von Mobil in Deutschland.
    Kooperations-Angebot über 14.900 Euro für die Veranstaltung am 13. März von Mobil in Deutschland.
    Quelle: ZDF/Mobil in Deutschland

    Dafür bekämen Partner unter anderem die Möglichkeit, an einer "Diskussionsrunde mit Dienstleistern, Politik und Betroffenen" teilzunehmen. Die Präsentation nennt Wissing als "zugesagten" Teilnehmer der Veranstaltung.
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    Kooperationspartner bestätigen Zahlungen an Mobil in Deutschland

    ZDF frontal liegen schriftliche Bestätigungen mehrerer dieser Kooperationspartner vor, dass sie für die Veranstaltung am 13. März und die Kampagne Geld an den Lobbyverein Mobil in Deutschland gezahlt haben.
    Der Bundesverband freier Tankstellen (bft) etwa teilte mit, dass ihr Geschäftsführer Daniel Kaddik Minister Wissing am Rande der Veranstaltung in Berlin getroffen und ihm für seine Arbeit gedankt habe. "Ferner war Herr Kaddik bei einem Treffen von Branchenvertretern anwesend, bei dem Minister Wissing aktuelle Maßnahmen und Herausforderungen skizzierte", so der Verband. Es sei möglich, dass Herr Kaddik unter den Teilnehmern des Vorgesprächs war, teilte das Bundesvehrkehrsministerium mit.
    Insgesamt habe der bft "zur Unterstützung der Veranstaltung und der Kampagne" 8.330 Euro gezahlt. Man lehne aber "jegliche Art von Bestechung oder Bestechlichkeit klar ab".
    Auch die Vereinigung Deutscher Autohöfe bestätigte ZDF frontal, gegen Zahlung Zugang zu der Veranstaltung in Berlin bekommen zu haben. Der Verband habe sich "zur Unterstützung der Kampagne finanziell beteiligt". Als Gegenleistung habe man unter anderem die "kostenlose Teilnahme an der Veranstaltung in Berlin" erhalten.
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    Mobil in Deutschland: "Keine Profite aus Terminvermittlung"

    Auf Nachfragen zu neuen Recherchen teilte der Lobbyverein per Anwalt mit, der Minister sei an diesem Abend "deutlich verspätet bei der Veranstaltung eingetroffen".

    Die Behauptung, es habe auf der von Ihnen erwähnten Veranstaltung persönliche Treffen zwischen dem Herrn Minister und Kampagnenpartnern oder gar bilaterale Gespräche zwischen diesen gegeben, die wir gegen Zahlung vermittelt hätten, wäre justiziabel.

    Anwaltschreiben von Mobil in Deutschland

    ZDF frontal hatte bereits Anfang der Woche aufgedeckt, dass der Autoclub Mobil in Deutschland im Zuge einer Lobbykampagne für alternative Kraftstoffe Unterstützern die "Möglichkeit exklusiver VIP-Meetings" mit Wissing und seinem Staatssekretär Oliver Luksic in Aussicht gestellt hatte. Zum jährlichen Preis von 9.900 Euro wurde das im Rahmen der Kampagne für den HVO 100 als "Premium-Kooperation" bezeichnet. So stand es in einer Präsentation aus dem Frühjahr 2024.
    Der Verein hatte dazu gegenüber ZDF frontal bestätigt, eine Präsentation mit diesem Inhalt versandt zu haben. Es habe sich aber lediglich um eine theoretische "Möglichkeit" eines Treffens gehandelt. Den Vorwurf bezahlter Terminvermittlung wies Mobil in Deutschland zurück.
    Lesen Sie hier die ZDF frontal Recherche von Dienstag:

    Kampagne für HVO100-Kraftstoff
    :Käufliche Lobby-Termine bei Minister Wissing?

    FDP-Spitzenpolitiker unterstützen eine Lobby-Kampagne für alternative Kraftstoffe. Nach ZDF frontal Recherchen wurden Treffen mit Verkehrsminister Wissing gegen Geld angeboten.
    von Nils Metzger, Nathan Niedermeier
    Wissing und das Lebkuchenherz
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    Fachreferat verweigerte Vorbereitung von Wissing-Grußwort

    Auch ein weiteres Lobby-Event wirft Fragen zu Vorgängen im Ministerium auf: Am 13. Dezember 2023 richtete Wissing ein Video-Grußwort an eine Online-Veranstaltung von Mobil in Deutschland. Darin betonte er seine Bemühungen bei der Einführung von HVO100 und anderen alternativen Kraftstoffen - dem zentralen Anliegen der Lobbykampagne "HVO100 goes Germany" von Mobil in Deutschland.
    Am 24. November 2023 bat ein Referent im Ministerbüro das Kraftstoff-Fachreferat G 26 um inhaltliche Unterstützung bei der Vorbereitung des Video-Grußworts. Es wird um das "Erstellen von Textbausteinen" gebeten. Das verweigerte die angesprochene Referatsleiterin laut einer ZDF frontal vorliegenden E-Mail.

    Das Fachreferat hat für derartige Anforderung (...) keine Kapazitäten. G 26 hatte auch gegen eine Schirmherrschaft für 'HVO100 goes Germany’ durch MIN [Minister] oder einen PStS [Parlamentarischen Staatssekretär] votiert.

    Leiterin des Kraftstoff-Fachreferats G 26 im Bundesverkehrsministerium

    Ein ungewöhnlicher Vorgang - der offenbar nicht ohne Folgen blieb. Denn am 1. Dezember schickte ein Mitarbeiter des Referats dann doch eine Liste an Stichpunkten für das Video-Grußwort.
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    Wissing nutzte offenbar Lobby-Vorschläge für Grußwort

    Während sich das Fachreferat wohl sträubte, am Wissing-Grußwort mitzuarbeiten, kamen Formulierungsvorschläge von anderer Seite: Ein Ministerreferent fragte den Mobil in Deutschland Chef Michael Haberland am 10. November 2023, ob er "Stichworte" habe, "auf die der Minister nach Ihren Vorstellungen eingehen könnte oder sollte (natürlich ohne Gewähr, dass er es dann wirklich tut)". So steht das in internen Unterlagen des Ministeriums, die ZDF frontal vorliegen.
    Haberland antwortete: "Schön wäre, wenn er seine Unterstützung für unsere Kampagne, also des Automobilclubs Mobil in Deutschland, "HVO100 Diesel goes Germany" ausspricht und gerne auch persönlich am Online-Event teilgenommen hätte."
    Und tatsächlich lobte Minister Wissing in der Grußbotschaft: "Genau deshalb sind Kampagnen und Formate wie dieses von Mobil in Deutschland so wichtig. Gerne wäre ich persönlich dabei." In den vorbereiteten Stichpunkten seines Fachreferats war so ein Satz nicht enthalten.
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    Fachreferate gegen Minister

    Das Bundesverkehrsministerium versuchte, die Vorgänge rund um die Übernahme der Schirmherrschaft am Donnerstag als normalen Verwaltungsvorgang zu rechtfertigen:

    Die Entscheidung für die Übernahme der Schirmherrschaft für 'HVO 100' erfolgte in einem standardisierten Verfahren. (...) Eine der skizzierten Optionen war die Übernahme der Schirmherrschaft durch den Parlamentarischen Staatssekretär Oliver Luksic. Bei dem Vorgang handelt es sich um ein übliches Verfahren in der Ministerialverwaltung.

    Stellungnahme des Bundesverkehrsministeriums

    Auch Staatssekretär Luksic schrieb am Mittwochabend auf dem Kurznachrichtendienst X: "Die ablehnende Haltung der Fachebene bezog sich nicht etwa auf den Kraftstoff HVO 100 an sich, sondern konkret auf die Übernahme der Schirmherrschaft des MIN, daher Übernahme PStS, normaler Vorgang."
    Ablehnung aus den Fachreferaten: Die Ministervorlage zur Schirmherrschaft.
    Ablehnung aus den Fachreferaten: Die Ministervorlage zur Schirmherrschaft.
    Quelle: Bundesverkehrsministerium

    Doch in der Ministervorlage vom 29. November 2023, mit der Wissing Luksics Schirmherrschaft absegnete, ist das Votum der zuständigen Fachreferate G 26 (Treibstoffe) und L 22 (Kommunikation) klar negativ. Als Begründung führten sie etwa an, dass der Kraftstoff "kurz- und mittelfristig an Tankstellen kaum verfügbar sein wird" und die Kampagne einen "sehr werbenden Charakter" habe.

    Das Fachreferat G 26 votiert, die Schirmherrschaft nicht zu übernehmen. L 22 schließt sich dieser Empfehlung an.

    Votum der Fachreferate im Ministerium

    Zwar merkte das Referat L 22 an, "falls ein Entgegenkommen unbedingt gewünscht ist, könnte stattdessen PStS Luksic die Schirmherrschaft übernehmen", am Ende des Dokuments standen drei eindeutige Entscheidungsoptionen: "Nein (wie Votum)", "Ja, durch PStS" und "Ja, durch MIN".
    Mit diesem Kreuz nickte Minister Wissing die Schirmherrschaft für seinen Staatssekretär ab - gegen das Votum der Fachreferate.
    Mit diesem Kreuz nickte Minister Wissing die Schirmherrschaft für seinen Staatssekretär ab - gegen das Votum der Fachreferate.
    Quelle: Bundesverkehrsministerium

    Wissing zeichnete gegen das Votum der befragten Referate die mittlere Option ab, und gab damit die Schirmherrschaft für seinen Staatssekretär Luksic frei.

    FDP und HVO-Kraftstoff-Lobby
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