Interview
Kommt das CDU-BSW-SPD-Bündnis?:Wo die Thüringer Brombeere ihre Dornen hat
von Mona Trebing, Erfurt
|
Das Thüringer Brombeer-Bündnis stand auf der Kippe. Streitpunkt: Die Friedensfrage. Nun gibt es einen Kompromiss und die Koalitionsverhandlungen beginnen. Oder droht neuer Ärger?
CDU, BSW und SPD in Thüringen wollen verhandeln. Kritik kam von BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht.
Quelle: Imago
Das Sondierungspapier steht, auch wenn es die Thüringer Vertreter von CDU, BSW und SPD einige Kraft gekostet hat. Doch wie tragfähig sind die Bemühungen um eine Koalition mit dem BSW? Diese Frage stellt sich nicht nur in Thüringen sondern auch im Nachbarland Sachsen. In Sachsen sorgte die Aufarbeitung der Corona-Politik für Streit mit den möglichen Koalitionspartnern. In Thüringen ist es die Ukraine-Politik bzw. die Stationierung von Raketen.
Das Thüringer BSW und die Bundesparteichefin Sahra Wagenknecht hatten schon im Wahlkampf eine Bedingung für mögliche Koalitionspartner gestellt: eine klare Positionierung zu ihren friedenspolitischen Forderungen. Auch, wenn auf Länderebene nicht über Krieg und Frieden entschieden wird.
In Thüringen und Brandenburg stehen die Zeichen auf Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht. Es wären die ersten Regierungsbeteiligungen der neuen Partei.28.10.2024 | 2:28 min
Ukraine-Politik verschafft BSW viel Zustimmung
"Beim Thema Krieg und Frieden geht es im Kern um Symbolpolitik. Auf die realen Entscheidungen, das gilt sowohl für Raketenstationierung als auch bei der Waffenlieferung für die Ukraine, sind die Abreden der Landespolitiker nahezu bedeutungslos", sagt Prof. Oliver Lembcke von der Ruhr-Universität Bochum, ergänzt aber:
Nachdem die drei Parteien inhaltlich bei den Thüringen-Fragen recht schnell viele Gemeinsamkeiten fanden, 19 Seiten Sondierungspapier fertig waren, drückte Wagenknecht die Stopp-Taste. Erst sollte jenes heikelste Thema geklärt und in der Präambel verankert werden - bevor Koalitionsverhandlungen starten.
In Brandenburg und Thüringen stehen die Zeichen auf Koalitionsverhandlungen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). "Uns ist wichtig, dass wir als Partei unsere Glaubwürdigkeit bewahren", so die Co-Vorsitzende des BSW, Amira Mohamed Ali.29.10.2024 | 4:45 min
Es seien die schwierigsten Verhandlungen gewesen, die sie je hatte, sagt BSW-Vorsitzende Katja Wolf. "Wir haben um jedes Wort gerungen, um jedes Wort gestritten".
Thüringer Kompromiss als Ärgernis für Sahra Wagenknecht
Doch die Thüringer "Kompromiss-Präambel" wird trotzdem zum Ärgernis für Sahra Wagenknecht. Unter anderem kein klares "Nein" zur geplanten Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Stattdessen ein offenes "Agree to disagree". Dazu sagt Mario Voigt (CDU):
Der "Thüringer Kompromiss" enthält also weniger BSW als erwartet - anders als in Brandenburg. Parteichefin Wagenknecht kritisiert prompt: Sie bedauere, dass das Thüringer Papier sich nicht an Brandenburg orientiert, sondern in wichtigen Fragen deutlich dahinter zurückbleibe, sagte sie im ZDF.
In Thüringen haben CDU, SPD und BSW Streitpunkte ausgeräumt. Melanie Haack erklärt, wie die Einigung zustande kam.28.10.2024 | 1:15 min
Ihre Partei müsse Rückgrat beweisen. "Wenn andere Parteien den Eindruck bekommen, dass wir uns sehr leicht Positionen wegverhandeln lassen, dann ist das natürlich auch kein gutes Omen für die Koalitionsverhandlungen", so Wagenknecht weiter.
Machtprobe zwischen Katja Wolf und Sahra Wagenknecht
Laut BSW-Landeschefin Katja Wolf sei die Thüringer "Friedenspräambel" mit Sahra Wagenknecht "intensiv diskutiert" worden, eine Zustimmung jedoch "formal nicht vorgesehen" gewesen. Wird Wagenknechts Macht damit in Thüringen in Frage gestellt?
"Sie selbst bleibt für alle sichtbar außen vor, zugleich verkauft sich das BSW dort im Vergleich zu Brandenburg billiger", sagt Politikwissenschaftler Oliver Lembcke. Das habe auch mit dem Umstand zu tun, dass in Thüringen in einer Dreierrunde verhandelt wird und die CDU nach dem letzten Affront von Wagenknecht gegen Merz auch deutlicher als zuvor die roten Linien markiere.
In Sachsen und Thüringen stockten die Koalitionsgespräche zwischen CDU, SPD und BSW. Die Union hatte Wagenknecht als Schuldige ausgemacht. "Sahra Wagenknecht ist das Problem, weil sie versucht, Verhandlungen zu torpedieren", so der stv. CDU-Vorsitzende Andreas Jung. 28.10.2024 | 5:42 min
"Gleichwohl sind die Spannungen innerhalb des BSW nicht zu übersehen", erklärt Lembcke gegenüber ZDFheute:
Thüringen: Dreierbündnis plant Regierungsbildung im Dezember
Auch wenn das letzte Wagenknecht-Wort vielleicht noch nicht gesprochen ist - jetzt können die Thüringer Brombeer-Parteien erstmal da weitermachen, wo sie inhaltlich schon recht weit vorne waren: bei den Thüringen-Themen.
In sieben Arbeitsgruppen soll das Sondierungspapier in den kommenden zwei Wochen ausgebaut werden. Das Ziel: Eine Regierungsbildung noch im Dezember.
Mona Trebing ist Korrespondentin im ZDF-Studio in Erfurt.
Quelle: ZDF
Sie wollen stets auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie bei unserem ZDFheute-WhatsApp-Channel genau richtig. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Mini-Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: ZDFheute-WhatsApp-Channel.
Mehr zur Koalitionssuche in Thüringen
mit Video
CDU, SPD und BSW in Thüringen:Gespräche über Brombeer-Koalition vor dem Aus?
mit Video
Koalitionssuche in Thüringen:Czaja: CDU muss mit der Linkspartei sprechen
mit Video
Wagenknecht-Frust in CDU:Junge Union hofft auf pragmatisches BSW
von Ines Trams