Interview
Nach Karlsruher Urteil:Bundestag beschließt Nachtragshaushalt
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Der Bundestag hat einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr verabschiedet. Als Voraussetzung dafür hatte das Parlament zuvor die Schuldenbremse für 2023 erneut ausgesetzt.
Der Bundestag hat den Nachtragshaushalt der Ampel-Koalition für das laufende Jahr beschlossen. Bei 666 abgegebenen Stimmen votierten 392 Abgeordnete für die Budgetänderung, 274 waren dagegen. Das Parlament stellte den Etat für 2023 nach dem Karlsruher Haushaltsurteil damit auf rechtlich sichere Füße. Die Neuverschuldung liegt nun bei 70,61 Milliarden Euro und damit 44,8 Milliarden Euro über der zulässigen Kreditaufnahme.
Unmittelbar nach dem Bundestag am Freitag billigte auch der Bundesrat das Gesetz zum Nachtragshaushalt 2023.
Schuldenbremse für 2023 erneut ausgesetzt
Ein Nachtragshaushalt ist eine nachträgliche Veränderung eines bereits vom Parlament beschlossenen Etats. Der Bundestag zieht damit die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das höchste deutsche Gericht hatte entschieden, dass der Bund sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre auf Vorrat zurücklegen darf.
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Genau das hat er im Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) für die Energiepreisbremsen und im Fonds zur Fluthilfe aber gemacht. In diesem Jahr wurden Kredite genutzt, die der Bund nach dem Urteil eigentlich nicht hätte aufnehmen dürfen. Mit dem Nachtragshaushalt macht die Ampel-Regierung Ausgaben von 43,2 Milliarden Euro aus dem WSF und 1,6 Milliarden Euro an Aufbauhilfen rechtlich sicher.
Bundesregierung argumentiert mit Notlage
Voraussetzung für den Etatbeschluss war, dass der Bundestag eine außergewöhnliche Notlage erklärt und so zum vierten Mal in Folge die Schuldenbremse aussetzt. Diese Option sieht die Regelung im Grundgesetz für Notlagen ausdrücklich vor. In den vergangenen Jahren hatte das Parlament dies zuerst mit der Corona-Krise und dann mit den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Staatsfinanzen begründet.
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Auch dieses Mal argumentierte die Bundesregierung damit, dass die tiefgreifenden humanitären, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen des Kriegs die staatliche Finanzlage beeinträchtigten. Zudem seien Schäden von der Flutkatastrophe aus dem Sommer 2021 noch nicht beseitigt.
Ausgaben von 461,21 Milliarden Euro
Vorgesehen sind für das laufende Haushaltsjahr nun Ausgaben in Höhe von 461,21 Milliarden Euro. Mit dem Beschluss wurden zugleich weitere Veränderungen im Haushalt vorgenommen. Die Höhe der Steuereinnahmen und die Zinsausgaben wurden an die aktuellste Prognose angepasst.
Außerdem fällt ein Darlehen in Höhe von etwa zehn Milliarden Euro für die Aktienrente weg, weil die dafür nötige Stiftung noch nicht gegründet ist. Die Aktienrente soll längerfristig die Rentenversicherung entlasten. Aus öffentlichen Mitteln soll Stück für Stück ein Kapitalstock aufgebaut werden, aus dessen Erträgen die Rentenbeiträge und das Rentenniveau stabilisiert werden sollen. Mit dem Nachtragshaushalt wurde auch das Ende des Topfes für die Energiepreisbremsen besiegelt.
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Auch für den Etat des nächsten Jahres hatte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts Konsequenzen. Nach tagelangen Verhandlungen hatten die Ampel-Soitzen am Mittwoch entschieden, wie sie ein Milliardenloch stopfen wollen: mit zahlreichen Sparmaßnahmen, aber vorerst ohne Aussetzen der Schuldenbremse.
Bundestag hebt CO2-Preis auf 45 Euro an
Einen ersten Beschluss setzte der Bundestag am heutigen Freitag direkt um: Er beschloss einen höheren CO2-Preis. Der Aufschlag beim Tanken und Heizen steigt zum 1. Januar von 30 auf 45 Euro pro Tonne CO2. Das hatte die Große Koalition von CDU und SPD vor Jahren schon so festgelegt, die Ampel wollte wegen der hohen Energiepreise eigentlich nur auf 40 Euro erhöhen. Doch nach dem Haushaltsurteil kehrt man nun auf den steileren Pfad zurück.
Die Einnahmen aus dem CO2-Preis fließen in den Klima- und Transformationsfonds, aus dem Projekte unter anderem für Klimaschutz finanziert werden. Verbraucher müssen mit steigenden Sprit-, Öl- und Gaspreisen rechnen.
Opposition kritisiert Vorgehen der Ampel
Kritik am Vorgehen der Ampel kam von der Opposition: Der CDU-Haushaltsexperte Mathias Middelberg sagte, die Union habe weiter "verfassungsrechtliche Bedenken", denn in anderen Sondervermögen werde weiter am regulären Etat vorbeigebucht. Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CSU) sagte, Karlsruhe habe einen "Trick" für nichtig erklärt, mit dem die Ampel-Koalition sich "zig Milliarden zusätzlich unter den Nagel gerissen" habe. Dieser Fehler kostet das Land jeden Tag Geld und bremse Wirtschaftswachstum und Wohlstand.
Der AfD-Abgeordnete Peter Boehringer nannte den Haushalt 2023 "weiterhin schlicht verfassungswidrig". Die Ampel erkläre nun nachträglich eine Notlage zum Aussetzen der Schuldenbremse, die zuvor niemand bemerkt habe. Letztlich schaffe Finanzminister Christian Lindner (FDP) damit die Voraussetzungen, auch im kommenden Jahr die Schuldenbremse auszusetzen. Gesine Lötzsch (Linke) forderte ihrerseits eine Abschaffung der Schuldenbremse. Sie sei "eine Zukunftsbremse" - "und deshalb muss sie weg".
Quelle: dpa, AFP
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