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Personalmangel bei Bundeswehr:Die Dienstpflicht und die Frauenfrage
von K. Belousova, N. Metzger, U. Stoll, M. Strompen
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Der Bundesverteidigungsminister erwägt einen “Neuen Wehrdienst”. Dabei rückt eine Frage in den Fokus, falls die Dienstpflicht doch noch kommt: Sollte sie auch für Frauen gelten?
Er wollte die Wehrpflicht wieder einführen. Doch Verteidigungsminister Pistorius wurde ausgebremst, sodass er nur ein Konzept für eine "Wehrpflicht light" vorstellen konnte.16.07.2024 | 7:54 min
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will von Schweden lernen. Bei einer Reise im Frühjahr dieses Jahres hat er sich dort für seinen "Neuen Wehrdienst" inspirieren lassen - und die Idee mitgebracht, jungen Menschen nach ihrem 18. Geburtstag einen Musterungs-Fragebogen zu schicken.
Pro Jahr könnten demzufolge 5.000 zusätzliche Rekruten gewonnen werden. Der Bundeswehr fehlen über 20.000 aktive Soldaten und dazu mehr als 200.000 Reservisten. Zu wenig Personal für einen Verteidigungsminister, der sich mit einer wachsenden Bedrohung aus Russland konfrontiert sieht.
Zunächst sollen Menschen im wehrdienstfähigen Alter erfasst werden. Männer müssten dann und Frauen könnten einen zugeschickten Fragebogen ausfüllen. Dabei werden auch die körperliche Fitness und die Motivation abgefragt.
Ein Teil der jungen Männer, die den Fragebogen ausgefüllt haben, soll dann die Aufforderung für eine Musterung erhalten. Frauen könnten sich freiwillig dieser Musterung unterziehen. "Die Geeignetsten und Motiviertesten werden ausgewählt", schreibt das Verteidigungsministerium.
Danach sollen sich die Wehrpflichtigen entscheiden können, ob sie einen sechsmonatigen Grundwehrdienst oder einen Wehrdienst leisten wollen, der auf bis zu 23 Monate verlängert werden kann. Denjenigen, die sich über sechs Monate hinaus verpflichten, will die Bundeswehr Weiterqualifizierungsmöglichkeiten bieten.
Quelle: Bundesministerium der Verteidigung
Ein Teil der jungen Männer, die den Fragebogen ausgefüllt haben, soll dann die Aufforderung für eine Musterung erhalten. Frauen könnten sich freiwillig dieser Musterung unterziehen. "Die Geeignetsten und Motiviertesten werden ausgewählt", schreibt das Verteidigungsministerium.
Danach sollen sich die Wehrpflichtigen entscheiden können, ob sie einen sechsmonatigen Grundwehrdienst oder einen Wehrdienst leisten wollen, der auf bis zu 23 Monate verlängert werden kann. Denjenigen, die sich über sechs Monate hinaus verpflichten, will die Bundeswehr Weiterqualifizierungsmöglichkeiten bieten.
Quelle: Bundesministerium der Verteidigung
Der Unterschied zum schwedischen Modell
Dabei will Pistorius einen wesentlichen Bestandteil des schwedischen Modells jedoch nicht umsetzen: die Dienstpflicht für Frauen. Während junge Männer dem Plan von Pistorius zufolge den Fragebogen ausfüllen müssen, wird es jungen Frauen freigestellt. Denn eine Dienstpflicht auch für Frauen bedarf einer Grundgesetzänderung. Männern wie Frauen stünde in diesem Fall die Option offen, zu verweigern und einen zivilen Ersatzdienst zu leisten.
Doch es gibt noch ein weiteres Problem: Schon für seinen aktuellen "Neuen Wehrdienst" ohne Frauen fehlt ihm die Mehrheit in der eigenen Koalition: Die FDP lehnt ein verpflichtendes Modell ab. Außerdem kostet eine Dienstpflicht zusätzliche Milliarden - die will der Finanzminister nicht ausgeben.
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Was spricht für und gegen die Dienstpflicht für Frauen?
Im Gegensatz dazu zeigt sich die Union offen für die Pläne von Pistorius - auch mit Blick auf eine Dienstpflicht für Frauen. "Ich würde mir eine Wehrpflicht tatsächlich für Frauen und Männer wünschen. Ich glaube, das wäre auch im Sinne der Geschlechter- und der Wehrgerechtigkeit", sagt die CDU-Abgeordnete Serap Güler im Gespräch mit ZDF frontal.
Das ist jedoch nicht der einzige Aspekt, der bislang gegen eine Dienstpflicht auch für Frauen spricht. "Der Wehrdienst für Frauen wurde während des Kalten Krieges unter anderem deswegen nicht für Frauen verpflichtend gemacht, weil Frauen ihren Dienst an der Gesellschaft bereits durch Carearbeit leisteten", erklärt Julia Weigelt, Fachjournalistin für Sicherheitspolitik. "Bis heute übernehmen Frauen pro Tag 79 Minuten unbezahlte Sorgearbeit mehr als Männer."
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So viele Frauen sind aktuell bei der Truppe
Zwischen 1955 und 1975 war Frauen der Dienst an der Waffe in der Bundeswehr grundsätzlich verboten, Zuerst erlaubte es der Sanitätsdienst, 1991 dann auch die Militärmusik. Erst seit 2001 stehen Frauen alle soldatischen Laufbahnen offen - Voraussetzung ist Freiwilligkeit.
Derzeit leisten mehr als 24.000 Soldatinnen ihren Dienst in der Bundeswehr. Sie stellen damit rund 13 Prozent aller Soldaten - während es im Sanitätsdienst über 40 Prozent Frauen sind, liegen die Anteile im Rest der Truppe bei unter zehn Prozent. Das kritisierte die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), im Mai:
Högl kritisierte etwa sexuelle Übergriffe in der Truppe und einen Mangel an Duschen und Toiletten.
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Junge Frauen sind skeptisch
Und was sagen junge Frauen zu der Idee einer Dienstpflicht oder gar Wehrpflicht? ZDF frontal fragt nach bei Julia Lomm. Sie leistet ihr freiwilliges soziales Jahr in der Wuppertaler Förderschule am Nordpark, arbeitet mit Kindern mit Behinderung. Schon jetzt ist die Mehrheit der Bundesfreiwilligendienstleistenden weiblich. Lomm spricht sich gegen einen verpflichtenden Wehr- oder Zivildienst aus: "Ich würde es freiwillig belassen, denn für viele ist es vielleicht gar nichts."
Auch Denise Preis, die ZDF frontal bei der Jobmesse in Regensburg trifft, ist skeptisch. Die Bundeswehr findet sie als Arbeitgeber interessant - auch wegen der vielen Studiengänge, die sie anbietet. Gleichzeitig erklärt sie: "Mich würde das eher abschrecken, dass ich als Soldatin im kämpferischen Bereich wäre. Ich glaube, ich habe ein bisschen Angst davor."
Mit dieser Angst steht sie nicht allein da: Nach Russlands Invasion in der Ukraine ist die Zahl der Kriegsdienstverweigerer in der Bundeswehr nach oben geschnellt: Während es 2021 noch knapp 200 entsprechende Anträge gab, waren es 2022 mit 1.100 fünfmal mehr. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Anträge auf Kriegsdienstverweigerung weiter auf 1.609.
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Pistorius vertagt Wehrdienst-Debatte
In dieser Legislatur werden sich junge Frauen die Frage nach einer Dienst- oder Wehrpflicht wohl nicht mehr stellen müssen. Boris Pistorius hat seine Pläne vertagt. Mitte Juni machte er aber klar: "Es wird in der nächsten Wahlperiode eine Diskussion geben müssen über Fragen - also erstens Frauenwehrpflicht und über die Frage von Dienstpflicht".
Spätestens nach der Bundestagswahl im Herbst 2025 wird die Dienstpflicht-Debatte also in eine neue Runde gehen - und Deutschland zeigen, inwieweit es wirklich bereit ist dabei von Schweden zu lernen.
Quelle: ZDF
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