Pistorius in Litauen:Reise als Signal: Kriegstüchtigkeit ist teuer
von Andrea Maurer
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Wenn Verteidigungsminister Boris Pistorius heute nach Litauen und Lettland reist, wird es auch um die Frage gehen: Wie viel ist Deutschland die Kriegstüchtigkeit wert?
Der Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius dürfte bei den Abgeordneten in Litauen auf deutlich mehr Verständnis für seine teuren Pläne stoßen als in Berlin.
Quelle: dpa
Ein Ort, der auf Boris Pistorius' zweitägigem Reiseprogramm steht, ist der Ort, an dem die Bundeswehr demnächst ihren größten Auslandseinsatz leisten soll. Pabrade, Litauen, 1.100 Kilometer von Berlin entfernt, knapp 15 Kilometer von der belarussischen Grenze.
Geht es nach den Plänen des deutschen Verteidigungsministers, werden hier ab 2027 etwa 4.800 deutsche Soldatinnen und Soldaten und ihre Familien stationiert sein. Der Auftrag: Bündnisverteidigung. Der Verteidigungsminister nennt es "ein Leuchtturmprojekt der Zeitenwende".
Pistorius sendet Signal: Verteidigungsfähigkeit ist teuer
Mitten im Haushaltsstreit sendet Pistorius so mit seiner Reise auch ein Signal in Richtung Kanzleramt und Finanzministerium: Verteidigungsfähigkeit und Kriegstüchtigkeit sind teuer. In Vilnius will Pistorius am Mittwochmorgen unter anderem die Mitglieder des litauischen Verteidigungs- und Haushaltsausschusses treffen. Auch das darf als Fingerzeig nach Berlin verstanden werden, denn Pistorius dürfte bei den Abgeordneten dort auf deutlich mehr Verständnis für seine teuren Pläne stoßen als in Berlin.
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Von etwa zehn Milliarden ist die Rede, die die Stationierung der Litauen-Brigade kosten soll. Vier Milliarden für die Anschaffung von Panzern und Fahrzeugen, sechs Milliarden für Investitionen vor Ort. Außerdem wird mit einer Milliarde Betriebskosten im Jahr gerechnet. Litauen selbst hat zugesagt, für Unterkünfte, Schulen und Kindertagesstätten aufzukommen, in welchem Umfang ist allerdings noch unklar.
6,7 Milliarden mehr: Was, wenn das Geld nicht kommt?
Pistorius pokert hoch. 6,7 Milliarden mehr hat er öffentlich vom Finanzminister gefordert. Was, wenn er das Geld nicht bekommt?
Erst letzte Woche war der litauische Verteidigungsminister in Berlin. Als ihm diese Frage gestellt wurde, sagte Laurynas Kasciunas:
Was Pistorius' litauischer Amtskollege damit meinte: Es gibt bei der deutschen Litauen-Brigade kein Zurück mehr. Und ähnlich dürfte es auch Pistorius sehen.
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CDU-Politiker äußert Verständnis für litauische Position
Der Verteidigungspolitiker Henning Otte (CDU) erhöht gegenüber ZDFheute nochmal den Druck: "Pistorius hat hier eine Entscheidung getroffen, die sicherheitspolitisch zu begrüßen ist, für die aber die notwendigen Voraussetzungen in Deutschland nicht erfüllt werden. Das Wichtigste ist eben die finanzielle Absicherung dieses ganzen Unternehmens, das ist quasi auf Sand gebaut und ich verstehe, dass die Litauer versuchen, uns hier in die Pflicht zu nehmen, auch in die moralische Pflicht, jetzt nicht mehr zurück zu können. Wenn Deutschland das Gesicht nicht verlieren will, muss jetzt im Haushalt hier wahrnehmbar eine Erhöhung stattfinden."
Linken-Politiker kritisiert gesamtes Projekt
Dietmar Bartsch, der verteidigungspolitische Sprecher der Linken, hält die Pläne für "nicht realistisch und schwer umsetzbar". Bartsch kritisiert Pistorius' Prestige-Projekt ganz grundsätzlich: "Es werden sich zu wenig Soldatinnen und Soldaten freiwillig melden", so Bartsch gegenüber ZDFheute. "Millionen Euro an Steuergeldern werden für teilweise sinnlose Verwaltung verbrannt werden."
Neben vielen Milliarden braucht der Verteidigungsminister für die Litauenbrigade nämlich auch Männer und Frauen, die bereit sind, sich mit ihren Familien in Litauen dauerhaft stationieren zu lassen. Seit April ist das Vorkommando der Brigade vor Ort. Pistorius selbst hat die 21 Männer und Frauen im April in Berlin verabschiedet. In Pabrade wird er sie nun am Mittwoch wiedersehen.
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Litauen-Reise ist vor allem symbolisch
Pistorius' Reise ist in erster Linie symbolisch: Der Verteidigungsminister braucht die finanzielle Rückendeckung des Zeitenwende-Kanzlers und er braucht dafür die Öffentlichkeit, die hinter seinen Plänen und Forderungen steht.
Der CDU-Politiker Henning Otte aber fordert noch mehr als Symbolik: "Boris Pistorius muss auf dieser Reise einen Masterplan in der Tasche haben, wie er seinen Plan für eine Litauen-Brigade organisatorisch und finanziell umsetzen will."
Andrea Maurer ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio.
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