Thüringen als Labor: Superwahljahr in schwierigen Zeiten
Wahljahr in schwierigen Zeiten:Thüringen: Das politische Labor
von Melanie Haack
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Eine Minderheitsregierung, eine starke AfD und neue politische Akteure - nicht nur die Ausgangslage ist vor der Landtagswahl am 1. September in Thüringen kompliziert.
Der Landtag von Thüringen wird am 1. September 2024 neu gewählt.
Quelle: dpa
Das Thüringer Wahljahr beginnt am 14. Januar. Im Saale-Orla-Kreis wird ein neuer Landrat gewählt. Die Region ist ländlich geprägt, typisch für Thüringen. Seit der Wende wurde zwar vieles angepackt, vieles aber auch versäumt. Gesundheitsversorgung, Bildung, Energiepreise - in der Kreisstadt Schleiz hören wir zahlreiche kritische Stimmen, auch gegen die Bundespolitik. Unmut, wie etwa der Protest der Landwirte. Vieles vermengt sich zu einer erhitzten und auch misstrauischen Grundstimmung.
Die AfD dockt an, wo Antworten fehlen
Was die anderen Parteien an Vertrauen verloren haben, bekommt die AfD als Vorschuss. An die Stimmung dockt die Partei bewusst an. Ihr Spitzenkandidat Björn Höcke erhebt bei den Landtagswahlen den Machtanspruch. In Umfragen ist die als rechtsextrem eingestufte Landespartei derzeit mit über dreißig Prozent mit Abstand stärkste Kraft. Das könnte das Thüringer Parlament verändern. Denn ein Drittel der Sitze würden der AfD reichen, entscheidenden Einfluss bei wichtigen Beschlüssen zu bekommen.
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So erklärt René Aust, stellvertretender Pressesprecher der AfD Thüringen: "Bei den 33 Prozent geht es darum, dass ohne uns beispielsweise nicht mehr die Richter und Staatsanwälte bestimmt werden können. Auch zum Beispiel, dass neue Verfassungsrichter nicht mehr benannt werden können und dass wir dann natürlich eben auch ein gewichtiges Wort mitzureden haben, wie dieser Freistaat sich weiter aufstellt."
AfD will Ministerpräsidenten stellen
Die AfD träumt sogar davon, in Thüringen den Ministerpräsidenten zu stellen. Politikwissenschaftler André Brodocz von der Universität Erfurt sagt, das könnte den Freistaat erheblich verändern:
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Brodocz weiter: "Man kann auf Seiten der Regierung - bei bestimmten Zuwendungen, was Mittel angeht - freier entscheiden, welche Vereine man beispielsweise fördert, welche Projekte man nicht fördert. Das heißt, die politische Landschaft kann man schon verändern, die Demokratie abschaffen auf einem legalen Wege ist im Grunde nicht möglich."
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Er erklärt: "Die CDU macht das, was richtig ist fürs Land und weder ein linker Ministerpräsident noch Höcke schreiben uns vor, was wir im Thüringer Landtag zur Abstimmung bringen. Und ich glaube, dass ist das, was die Menschen erwarten. Sie wollen eine Politik, die sich an den echten Problemen orientiert und nicht an parteitaktischen Spielchen." Eine Koalition mit AfD und auch der Linken schließt CDU-Fraktionschef Voigt kategorisch aus.
Voigt schließt Koalition mit AfD oder Linker aus
Doch die Thüringer Verhältnisse seien zu kompliziert für kategorische Absagen, findet Ministerpräsident Ramelow. Er wolle nicht mehr über Brandmauern philosophieren, sagt er. Schließlich habe man den Landeshaushalt für 2024 mit der Hilfe der CDU beschlossen. Ramelow erklärt: "Das heißt, Demokraten sind in der Lage, auch zu besseren Ergebnissen zu kommen. Ich habe keine Lust, mich in Angst und Schrecken verjagen zu lassen und dann schon aus lauter Panik den Weg zu den Wählern nicht mehr zu finden."
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Ramelow würde gern weitermachen mit Rot-Rot-Grün. Grüne aber und FDP müssen um den Wiedereinzug bangen. Auch die SPD könnte einstellig werden. Und es drängen auch andere auf die politische Bühne wie das Bündnis um die ehemalige Linke Sarah Wagenknecht. Und Hans Georg Maaßen, gegen den ein CDU-Ausschlussverfahren läuft, will eine Partei aus seinem Verein Werteunion heraus gründen. Das Parteienspektrum könnte größer werden und eine Regierungsbildung zu einer noch komplizierteren Aufgabe werden lassen.
Am 14. Januar wird erstmal im Saale-Orla-Kreis gewählt. Der AfD-Kandidat hat gute Chancen.
Melanie Haack ist Studioleiterin des ZDF-Studios Thüringen in Erfurt
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