Grenzkontrollen und Abschiebungen:Union legt Anträge für Migrationspolitik vor
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CDU/CSU haben ihre umstrittenen Pläne zur Migration vorgelegt, über die der Bundestag abstimmen soll. Was die Union fordert - und wie AfD-Stimmen verhindert werden dürften.
Die Unionsfraktion will Anträge zur Verschärfung der Migrationspolitik einbringen. Gleichzeitig buhlt die AfD um die Gunst der CDU.24.01.2025 | 2:25 min
Die Unionsfraktion fordert dauerhafte Grenzkontrollen und die Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche einer illegalen Einreise. Auch an weiteren Stellen setzen sich CDU und CSU für eine radikale Wende in der Migrationspolitik ein. Das geht aus zwei Antragsentwürfen der Fraktion für den Bundestag hervor, die dem ZDF vorliegen.
"Die aktuelle Asyl- und Einwanderungspolitik gefährdet die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und das Vertrauen der gesamten Gesellschaft in den Staat", heißt es in dem Antrag "Fünf Punkte für sichere Grenzen und das Ende der illegalen Migration" von CDU und CSU. Im zweiten Antrag wird ein Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit gefordert.
CDU-Chef Merz will die Migrationspolitik verschärfen. Politikwissenschaftlerin Römmele sieht "Risse" in der vielbeschworenen Brandmauer zur AfD.24.01.2025 | 15:42 min
Das sieht der "Fünf-Punkte-Plan" der Union vor
Der Migrations-Antrag konkretisiert die von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz am Donnerstag genannten Punkte:
- Die deutschen Grenzen sollen "dauerhaft kontrolliert" werden.
- Allen Personen, die keine gültigen Einreisedokumente besitzen oder unter die europäische Freizügigkeit fallen, soll die Einreise verwehrt bleiben - unabhängig von einem Schutzgesuch wie einem Asylantrag.
Friedrich Merz hat Vorschläge für schärfere Grenzkontrollen und Einreiseverbote im Bundestag eingebracht – und setzt dabei auf die Unterstützung der Ampel-Parteien.26.01.2025 | 1:48 min
- Personen, "die vollziehbar ausreisepflichtig sind", sollen "unmittelbar in Haft genommen werden". Dazu soll die Anzahl an "entsprechenden Haftplätzen signifikant erhöht werden". In dem Papier heißt es:
- Der Bund soll die Länder auch weiterhin beim Vollzug der Ausreisepflicht - etwa durch Beschaffung von Reisepapieren und der Umsetzung von Rückführungen - unterstützen.
Wie viele Menschen sind ausreisepflichtig?
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- Im Papier ist die Rede von "Bundesausreisezentren, um Rückführungen zu erleichtern".
- Die Bundespolizei soll die Befugnis erhalten, für ausreisepflichtige Personen selbst "Haftbefehle für Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam" zu beantragen.
- Zudem soll das Aufenthaltsrecht für ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder so verschärft werden, dass sie in einem zeitlich unbefristeten Ausreisearrest bis zur Abschiebung oder freiwilligen Ausreise in ihren Heimatländern bleiben.
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Viel Kritik und rechtliche Bedenken
Auch Rechtsexperten äußern Zweifel an einzelnen Punkten - insbesondere den geplanten dauerhaften Grenzkontrollen und den ausnahmslosen Zurückweisungen von Personen ohne gültige Einreisepapiere.
So sagte etwa der Asylrechtsexperte Constantin Hruschka, dass solche Maßnahmen gegen geltendes EU-Recht verstoßen. Insbesondere die Dublin-III-Verordnung sehe vor, dass Asylsuchende nicht einfach an den Grenzen zurückgewiesen werden dürften, sondern ein Verfahren zur Prüfung ihres Asylantrags durchlaufen müssten.
Das Dublin-Verfahren regelt, dass jeder Asylbewerber nur in dem EU-Land einen Asylantrag stellen darf, das er als erstes betreten hat. So soll sichergestellt werden, dass jeder Asylantrag nur von einem EU-Mitgliedstaat geprüft wird. Die Dublin-III-Verordnung gilt seit 2014 in den EU-Mitgliedstaaten sowie in Norwegen, Island, der Schweiz und Liechtenstein.
Hält ein Mitgliedstaat einen anderen für zuständig, kann er ein Übernahme- beziehungsweise Wiederaufnahmeersuchen stellen. Stimmt dieser Staat zu, erhält der Antragsteller einen entsprechenden Bescheid. Er kann einen Eilantrag dagegen stellen, andernfalls vereinbaren die Mitgliedstaaten die Überstellung.
Wird die nicht binnen sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit an jenen Mitgliedstaat über, der um Übernahme ersucht hat. Taucht der Antragsteller unter oder befindet er sich in Strafhaft, kann sich diese Frist verlängern. In bestimmten Fällen sieht Dublin III eine Abschiebehaft vor, etwa bei ungeklärter Identität, verspäteter Antragstellung oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit.
Die Verordnung der EU in voller Länge finden Sie hier.
Quelle: KNA
Hält ein Mitgliedstaat einen anderen für zuständig, kann er ein Übernahme- beziehungsweise Wiederaufnahmeersuchen stellen. Stimmt dieser Staat zu, erhält der Antragsteller einen entsprechenden Bescheid. Er kann einen Eilantrag dagegen stellen, andernfalls vereinbaren die Mitgliedstaaten die Überstellung.
Wird die nicht binnen sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit an jenen Mitgliedstaat über, der um Übernahme ersucht hat. Taucht der Antragsteller unter oder befindet er sich in Strafhaft, kann sich diese Frist verlängern. In bestimmten Fällen sieht Dublin III eine Abschiebehaft vor, etwa bei ungeklärter Identität, verspäteter Antragstellung oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit.
Die Verordnung der EU in voller Länge finden Sie hier.
Quelle: KNA
Sehen Sie die ganze Einschätzung des Professors für Sozialrecht hier im Video:
Wolle man Merz' Pläne umsetzen, müsse Deutschland aus der EU austreten, so der Sozialrechtsexperte Constantin Hruschka.24.01.2025 | 4:20 min
Andere Punkte dürften hingegen mit einer Mehrheit im Bundestag umsetzbar sein.
Passus gegen AfD-Zustimmung im Bundestag?
Neben den inhaltlichen Forderungen dominiert die Frage die politische Debatte, ob die Union mit den angekündigten Anträgen eine Unterstützung durch die AfD in Kauf nehmen würde. Hierzu sticht nun ein Passus ins Auge, der dies auszuschließen scheint:
"Wer die illegale Migration bekämpft, entzieht auch Populisten ihre politische Arbeitsgrundlage", heißt es in dem Entwurf.
Und weiter: "Sie will, dass Deutschland aus EU und Euro austritt und sich stattdessen Putins Eurasischer Wirtschaftsunion zuwendet. All das gefährdet Deutschlands Stabilität, Sicherheit und Wohlstand. Deshalb ist diese Partei kein Partner, sondern unser politischer Gegner."
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Zustimmung der AfD schwer vorstellbar
Es erscheine schwer vorstellbar, dass die AfD einem Antrag mit solchem Inhalt zustimmt, erklärt ZDF-Hauptstadtkorrespondent Daniel Pontzen. "Sollte sie es doch tun, würde sie der dargelegten Charakterisierung schwarz auf weiß zustimmen und einräumen, fremdenfeindlich zu sein, Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen und der deutschen Wirtschaft zu schaden."
Der Textbaustein soll nach Einschätzung von Pontzen aus Sicht der Union offenbar gleich zwei Zwecke erfüllen: "Einerseits den Eindruck widerlegen, die Brandmauer bröckele - und andererseits den Lichtkegel auf jene Parteien richten, die Merz genau dies vorgeworfen hatten. SPD und Grüne müssen sich nun selbst positionieren - und entscheiden, ob sie dem Antrag zustimmen wollen oder nicht."
Die AfD selbst reagierte empört. Parteichef Tino Chrupalla sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Diffamierungen politischer Gegner in Anträgen des Deutschen Bundestages entsprechen nicht den guten parlamentarischen Standards."
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Scholz schlägt "Dublin Center" vor
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck lehnte die Unionspläne auf dem Grünen-Parteitag ab. Steuerung von Migration könne zwar auch Begrenzung heißen. Das Recht auf Asyl dürfe nicht infrage gestellt werden. "Das ist der Schritt zu weit", sagte Habeck, der auch Merz' Rhetorik deutlich kritisierte. "Einigungsfähigkeit heißt aber nicht Kompromisslosigkeit, heißt nicht 'Friss oder stirb', heißt nicht 'Entweder stimmt ihr zu, oder ich stimme mit Rechtsradikalen'. Das ist nicht Mitte, das ist Ideologie".
Die SPD will ihrerseits Anträge einbringen, in denen die Union aufgefordert wird, bisher von ihr abgelehnten schärferen Sicherheitsregeln und der nationalen Umsetzung der europäischen Asylreform zuzustimmen. Bundeskanzler Olaf Scholz schlug vor, sogenannte "Dublin Center" einzuführen - zentrale Unterkünfte für Flüchtlinge, deren Asylanträge in anderen EU-Staaten bearbeitet werden müssen.
Bundesweit gingen am Samstag Zehntausende gegen Rechtsextremismus und Rassismus auf die Straße. Die größten Proteste fanden in Köln und Berlin statt.25.01.2025 | 1:33 min
Merz hatte zuvor angekündigt, die Anträge SPD, Grünen und FDP vorab zur Verfügung zu stellen. Die AfD bekomme sie nicht. Neben AfD und BSW hatte die FDP eine Zustimmung signalisiert. Parteichef Christian Lindner appellierte in der "Bild am Sonntag" an seine Ex-Koalitionspartner, die Anträge der Union zu unterstützen.
Quelle: ZDF, Reuters, dpa
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