Zwangsrekrutierungen: Wenn Ukrainer gegen Ukrainer kämpfen

    Zwangsrekrutierungen:Wenn Ukrainer gegen Ukrainer kämpfen müssen

    von Thomas Dudek
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    Von Kriegsbeginn an setzt Russland auch zwangsrekrutierte Ukrainer ein. Ein Kriegsverbrechen, von dem angeblich 60.000 Ukrainer betroffen sein sollen.

    Archiv: Auto steht vor einem Willkommensschild in den Farben der russischen Flagge in Mariupol. (11.11.2022)
    Mariupol: Auch hier wurden viele Ukrainer von der russischen Armee dazu aufgerufen, für diese in den Kampf zu ziehen.
    Quelle: Imago

    Im August vergangenen Jahres, drei Monate nachdem die ukrainische Hafenstadt Mariupol nach monatelangen und brutalen Kämpfen endgültig unter russische Kontrolle geriet, erhielten viele verbliebene Einwohner der Stadt von den neuen Behörden eine Textnachricht mit einem klaren Aufruf: Man solle sich als Vertragssoldat den Streitkräften der "Volksrepublik Donezk" im Krieg gegen die Ukraine anschließen.

    Angeblich 60.000 Ukrainer zwangsrekrutiert

    Zu dem Zeitpunkt wurde die Stadt am Asowschen Meer zumindest offiziell von der sogenannten "Volksrepublik Donezk" verwaltet. Nach den Ende September 2022 abgehaltenen Scheinreferenden in den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten blieb es nicht mehr nur bei solchen Aufrufen. Berichten zufolge gab es gleich direkte Aufforderungen, sich im Rahmen der Teilmobilmachung in den Rekrutierungsbüros zu melden.
    Der Flughafen von Pskow ist von oben zu sehen
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    Und Mariupol ist keine Ausnahme. Egal ob aus den besetzten Regionen Cherson und Saporischschja, dem Gebiet östlich von Charkiw und vor allem den einstigen sogenannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk sowie der von Russland seit 2014 annektierten Krim: Von überall gibt es Berichte über zum Teil auch unter Gewaltanwendung stattfindende Zwangsrekrutierungen. Laut dem ukrainischen Militärgeheimdienst sollen insgesamt rund 60.000 Ukrainer in die russischen Streitkräfte und Verbände der sogenannten "Volksrepubliken" rekrutiert worden sein.

    Zahlen nicht überprüfbar

    Verifizieren lassen sich diese Zahlen jedoch nicht, auch wenn beispielsweise die ukrainische Menschenrechtsorganisation ZIMNA, die sich mit der Situation in den von Russland besetzten Gebieten befasst, diese für realistisch hält. Fakt ist aber, dass auch von der UNO solche Zwangsrekrutierungen festgehalten wurden.
    In einem Bericht des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom September vergangenen Jahres steht:

    Während des Berichtzeitraums dokumentierte das UNHCHR 65 Fälle von Zwangsrekrutierung durch mit Russland verbundene bewaffnete Gruppen.

    Bericht des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte

    Und weiter: "Die Weigerung sich einberufen zu lassen, führte zu strafrechtlicher Verfolgung". In dem Bericht wird betont, dass der Zwang von Zivilisten zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht ein Kriegsverbrechen sei.

    Auf der Krim Rekrutierungen schon seit 2014

    Es sind Rekrutierungen, die auf der von Russland annektierten Krim und den "Volksrepubliken" in der Ostukraine schon vor dem großen russischen Einmarsch in die Ukraine begannen. In Donezk und Luhansk wurde am 19. Februar 2022 die Mobilmachung ausgerufen. Auf der Halbinsel Krim wiederum gehören Rekrutierungen in die russische Armee seit der Annexion 2014 zum Alltag.
    Jewgenij Jaroschenko von der Menschenrechtsorganisation KrymSOS sagte ZDFheute:

    Vor dem 24. Februar 2022 hat Russland 14 Rekrutierungskampagnen auf der Krim durchgeführt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol haben die Besatzer in dieser Zeit mehr als 34.000 Personen auf der Krim zwangsrekrutiert.

    Jewgenij Jaroschenko, Menschenrechtsorganisation KrymSOS

    5.000 Einberufungsbescheide an nur einem Tag

    Eine weitere Steigerung bildete auf der Krim die im September vergangenen Jahres ausgerufene Teilmobilmachung. "Allein am 21. September 2022, dem ersten Tag der Mobilmachung, wurden rund 5.000 Einberufungsbescheide verschickt. Bereits am 25. September teilten die Besatzungsverwaltung auf der Krim mit, dass die Mobilisierungspläne vollständig abgeschlossen seien", erklärt Jaroschenko.



    Die lokalen Behörden selbst kündigten zum Beginn der Teilmobilisierung an, dass auf der Krim 10.000 Männer mobilisiert werden. Besonders auffällig ist dabei ein Aspekt, der eine besonders russlandkritische Volksgruppe betrifft.

    In den ersten Tagen der Mobilisierung erhielten bis zu 90 Prozent der Krimtataren an ihren ständigen Wohnorten eine Vorladung.

    Jewgenij Jaroschenko, Menschenrechtsorganisation KrymSOS

    Der einzige Ausweg aus dieser Situation war für viele Krimtataren die Flucht. "Etwa zehn Prozent der krimtatarischen Bevölkerung verließ die Krim als Reaktion auf die Mobilisierung", so Jaroschenko weiter.

    UNHCR kritisiert Ukraine

    Nicht unproblematisch ist aber auch der Umgang des ukrainischen Staates mit seinen von Russland zwangsrekrutierten Bürgern. "Das UNHCR ist auch besorgt darüber, dass die ukrainischen Behörden Personen strafrechtlich verfolgen, die Opfer von Zwangsrekrutierung waren", heißt es in dem bereits erwähnten UN-Bericht, der darauf verweist, dass auch hier der Kriegsgefangenenstatus und somit Immunität gelte.
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