Geheimchat-Affäre: Trumps erster "richtiger" Skandal
Interview
US-Angriffspläne in Messenger:Chatpanne: Wie Trump den Schaden begrenzen will
von Christian Harz, Washington D.C.
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Eine versehentliche Einladung, ein brisanter Leak: Wie Trump und seine Regierung versuchen, Schaden zu begrenzen - und wann der Signal-Skandal den Präsidenten zum Handeln zwingen dürfte.
Sehen Sie hier das Gespräch mit Politologe Christian Lammert im Video. 26.03.2025 | 16:23 min
Samstag, 15. März 2025: Die USA starten massive Angriffe gegen Stellungen der Huthi-Miliz im Jemen. Für viele Beobachter kommen die Angriffe überraschend - für Jeffrey Goldberg wohl eher nicht. Tage zuvor war der Chefredakteur des renommierten US-Magazins "The Atlantic" auf dem Messengerdienst Signal in die Chatgruppe "Houthi PC Small Group" eingeladen worden.
"Sie haben eine App benutzt, die viele Menschen benutzen", versucht US-Präsident Donald Trump die Lage herunterzuspielen. Viele Menschen in der Regierung würden schließlich Signal nutzen. Und in den Medien auch. Was Trump zu vergessen scheint: In dem Chat besprechen nicht irgendwelche Menschen Alltägliches, sondern höchste Regierungsmitarbeiter hochsensibele Angriffspläne.
Politologe: "Klare Verletzung von Sicherheitsrichtlinien"
Christian Lammert vom John-F.-Kennedy-Institut spricht bei ZDFheute live in dem Zusammenhang vom "ersten richtigen Skandal dieser Trump-Administration". Das, was bisher geschehen war, seien Auseinandersetzungen über Politikinhalte gewesen, die Trump bereits im Wahlkampf angekündigt hatte - wenn auch mit einigen "Fehlern". Jetzt sei "zum ersten Mal wirklich etwas passiert, was auch sicherheitsrelevant ist".
Die Trump-Regierung gerät zunehmend unter Druck: Nach der Sicherheitspanne in einem Signal-Chat ist nun der gesamte Verlauf mit sensiblen US-Militär-Informationen öffentlich. 26.03.2025 | 2:46 min
Die Art und Weise, wie in dem Chat kommuniziert wurde, verstoße gegen festgelegte Regularien von "Principal Committee Meetings" - Treffen, bei denen sich wichtige Sicherheitsinstitutionen vernetzen, oft abgekürzt mit der Buchstabenkombination "PC" - so auch im Titel der Chatgruppe. Lammert erklärt:
Abgesehen davon, dass man einen Journalisten versehentlich an der Kommunikation beteiligte, habe man eine App benutzt, die man für solche Absprachen nicht nutzen dürfe, und diese von privaten Handys. In einem solchen Fall könnten etwaige Hacker "allein über die Tastaturen sehen, was da getippt worden ist".
Selbst wenn Signal einigermaßen sicher ist, weiß man nicht, ob die privaten Handys der Leute gehackt worden sind.
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Christian Lammert, Politologe
So sicher ist Signal wirklich.26.03.2025 | 0:44 min
Hinzu komme, dass Unterhaltungen über solche Militäraktionen auch dokumentiert werden müssten, da sie einem Archivrecht unterlägen. Auch dagegen sei verstoßen worden, denn, "dieser Chat hatte wohl eine automatische Löschfunktion". Für den Politologen ist klar:
Es ist auf verschiedenen Ebenen eine klare Verletzung von Sicherheitsrichtlinien.
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Christian Lammert, Politologe
Der Vorfall bringe "massiven Schaden für Trump und für die Administration". Dafür müssten "sich die Leute jetzt verantworten, die das eingerichtet haben und die da Informationen geteilt haben", so der Politologe.
Eine Emojikombination geht um die Welt. Eigentlich sollten nur die engsten Mitarbeiter die Kommunikation mitkriegen.
Quelle: "The Atlantic"
Hegseth und Co. versuchen es mit Schadensbegrenzung
Die Chatteilnehmer versuchen derweil, die Sache kleinzureden. Bevor die Unterhaltung in voller Länge publik wurde, sagte Verteidigungsminister Pete Hegseth: "Niemand hat Kriegspläne verschickt. Und das ist alles, was ich dazu zu sagen habe." Nachdem weitere Chats veröffentlicht wurden, bleibt er vor Pressevertretern bei der Argumentation:
Es gibt keine Einheiten, keine Standorte, keine Routen, keine Flugbahnen, keine Quellen, keine Methoden, keine geheimen Informationen.
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Pete Hegseth, US-Verteidigungsminister
Schließlich wisse er, wie Kriegspläne aussehen - als Verteidigungsminister sehe er sie ja jeden Tag. Ähnlich argumentiert auch der Nationale Sicherheitsberater Mike Waltz, der den Journalisten dem Chat hinzugefügt hatte.
"Das Wetter ist günstig", schreibt Hegseth in dem Chat samt Zeitplan.
Quelle: Screenshot mit freundlicher Genehmigung von "The Atlantic"
Trump gibt sich ahnungslos und schießt
Trump selbst gab am Montag an, nichts von irgendwelchen Chats zu wissen. Journalist Goldberg sei ein Dreckskerl, das "Atlantic"-Magazin gescheitert, schießt Trump. Niemand interessiere sich dafür.
Er [Trump] versucht jetzt in dieser ersten Verteidigungslinie, das Ganze herunterzuspielen, den Überbringer der Botschaft zu diskreditieren.
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Christian Lammert, Politologe
Dennoch: Da "The Atlantic" mit der Veröffentlichung weiterer Details nachgelegt habe, sei die bisherige Angriff-zur-Verteidigungs-Taktik Trumps überholt. Die Sache werde zunehmend komplexer. In einer Sache ist sich Lammert dennoch sicher:
Also Trump kommt auf alle Fälle wieder raus.
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Christian Lammert, Politologe
Die Kritik an den beteiligten Ministern ist groß, sagt Washington-Korrespondent David Sauer.26.03.2025 | 7:04 min
Und die Chat-Teilnehmer? Hier könne die Lage schon anders aussehen: "Wir wissen von Trumps erster Amtszeit, wenn einer seiner Minister für ihn eine Bedrohung wird, [...] dann ist auch seine Loyalität zu den Leuten auf einmal dahin", so Lammert.
Und dann wird der Nationale Sicherheitsberater oder auch der Verteidigungsminister auf einmal zum größten Loser in dieser Administration.
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Christian Lammert, Politologe
Der umstrittene Kandidat Pete Hegseth war nach Debatten im US-Senat bestätigt worden.25.01.2025 | 1:40 min
Könnte der Skandal personelle Folgen haben?
Sollte die Diskussion so weit gehen, dass sie sich auf die Popularität des US-Präsidenten auswirke - auch vor dem Hintergrund der Zwischenwahlen im kommenden Jahr, bei denen die Republikaner beide Kongresskammern verteidigen wollen - könnten sich angekratze Minister "wahrlich nicht auf die Unterstützung von Trump verlassen". Würde Trump Schaden befürchten, werde "er seine Leute fallen lassen und [...] opfern, damit er in einem besseren Licht dasteht".
Deswegen wird, glaube ich, auch der Druck momentan bei Trump ziemlich groß sein, hier diesen Skandal möglichst schnell zu seinen Gunsten zu lösen.
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Christian Lammert, Politologe
Da Trump das Justizministerium auf seine Linie gebracht habe, rechnet Lammert nicht damit, dass das FBI in dem Vorfall ermitteln werde. Zwar gebe es bereits erste Klagen von Zivilorganisationen vor Gerichten - aber das dürfte sich laut Lammert hinziehen. Und das dürfte Trumps Taktik in die Karten spielen.
Vertrauliche Infos zu US-Luftschlägen landen versehentlich bei einem bekannten Journalisten. Der Leak wirft neue Fragen zur Sicherheit im Trump-Team auf.26.03.2025 | 2:30 min
Der Politologe mutmaßt: Vermutlich würden zwischenzeitlich durch Trump so "viele neue Nachrichten produziert, dass das dann irgendwann auch wieder in dem ganzen Geräusch der Nachrichten verschwinden wird".