Nach Sturz von Assad:Hilfe für Syrien: Baerbocks Acht-Punkte-Plan
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Kein Selbstläufer: Außenministerin Baerbock stellt einen Acht-Punkte-Plan vor, wie Deutschland Syrien nach dem Sturz Assads helfen will - geknüpft an Bedingungen.
Die syrische Übergangsregierung hat Flüchtlinge zur Rückkehr aufgerufen, um beim Wiederaufbau des Landes zu helfen. Die Islamisten versprechen Sicherheit und Stabilität.11.12.2024 | 1:31 min
Es sei ein "Moment der Hoffnung", allerdings sei die Lage in Syrien alles andere als stabil: Deutschland will Syrien nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad unterstützen, macht dafür aber die Einhaltung freiheitlich-demokratischer Grundsätze zur Bedingung. Außenministerin Annalena Baerbock hat am Mittwoch einen Acht-Punkte-Plan vorgestellt. Es gehe darum, "dass Syrien den Weg in eine friedliche und stabile Zukunft für alle findet". Die Punkte im Einzelnen:
Friedlicher Machtwechsel
Im Zentrum steht nach Worten Baerbocks, "dass es einen friedlichen Machtwechsel gibt". Eine zivile und von allen Seiten akzeptierte Regierung werde nur gelingen, "wenn alle Minderheiten und politischen Gruppen mit am Tisch sitzen". Das werde "ein steiniger Weg", an dessen Ende "hoffentlich eines Tages freie Wahlen stehen werden".
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Souveränität von Syrien
Syrien dürfe "nicht erneut zum Spielball ausländischer Kräfte oder Mächte werden", mahnte die Grünen-Politikerin. Es brauche einen syrisch geführten "Dialogprozess", der von Deutschland und den Partnern unterstützt und von außen nicht torpediert werden dürfe. Die territoriale Integrität des Landes dürfe nicht infrage gestellt werden, was auch für Israel und die Türkei gelten müsse.
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Umgang mit den neuen Machthabern
Die islamistische Rebellengruppe HTS sei einer der entscheidenden Akteure für die Zukunft des Landes - "ob wir es wollen oder nicht". Es müsse ein adäquater Umgang mit den neuen Machthabern gefunden werden, sagte Baerbock.
Eine Zusammenarbeit setze voraus, dass die Rechte von Frauen sowie ethnischen und religiösen Minderheiten geachtet und Racheakte unterbunden werden.
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Humanitäre Hilfe
Für die humanitäre Hilfe will die Bundesregierung kurzfristig zusätzliche acht Millionen Euro zur Verfügung stellen. Wenn man das Land stabilisieren wolle, müsse trotz der schwierigen Sicherheitslage weitere Hilfe zu den Menschen vor Ort kommen, sagte Baerbock. Sie verwies beispielsweise auf den drastischen Anstieg der Lebensmittelpreise in Syrien - allein der für Brot sei in den vergangenen Tagen um 900 Prozent gestiegen. Zudem müssten jetzt schon Vorbereitungen für den Wiederaufbau des Landes getroffen werden.
Aufarbeitung der Assad-Gräuel
Ohne Gerechtigkeit könne es keine "dauerhafte Aussöhnung und damit ein friedliches Miteinander" in Syrien geben, so Baerbock. Es werde "Mut, Zeit und Kraft kosten", das Unrecht des Assad-Regimes juristisch aufzuarbeiten. Die Bundesregierung werde Syrien dabei Rat und Expertise anbieten.
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Hilfe bei Chemiewaffen-Vernichtung
Die Ministerin bot auch deutsche Hilfe für die Beseitigung von Chemiewaffen an. "Wir haben nun die Chance, die Welt ein für alle Mal vor diesen Chemiewaffen Assads sicher zu machen", sagte sie. Die noch vorhandenen Waffen müssen daher "möglichst rasch in internationalen Gewahrsam" genommen werden. Die Chemiewaffen-Kontrollbehörde werde am Donnerstag über das Thema beraten.
Weiter Pendeldiplomatie
Die intensive Pendeldiplomatie in den Nahen Osten werde fortgesetzt, ebenso der Dialog über die bestehenden Gesprächskanäle in die syrische Gesellschaft. Um die Syrien-Politik Deutschlands zu koordinieren, werde der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Tobias Lindner, als Sonderkoordinator eingesetzt, kündigte die Ministerin an. Er solle die Präsenz Deutschlands in Syrien erhöhen. Nach Angaben eines Ministeriumssprechers ist eine rasche Wiedereröffnung der deutschen Botschaft vorerst nicht geplant, sondern "Pendeldiplomatie von Beirut aus".
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Koordiniertes Vorgehen bei Flüchtlingen
Noch sei nicht klar, inwiefern geflohenen Syrern die Rückkehr in ihre Heimat möglich sei oder ob es gar neue Fluchtbewegungen geben werde, sagte Baerbock. Eine Rückkehr müsse jedenfalls international eng abgestimmt werden - mit den Partnern in Europa, aber auch mit den Vereinten Nationen. Scharfe Kritik übte die Ministerin an den jüngsten Rückkehrforderungen: Diese würden von Politikern aufgestellt, die "offensichtlich auch in vollkommener Unkenntnis 48 Stunden, nachdem sich alles verändert hat, bereits wissen, dass alle wieder zurückkehren können."
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