Erdogans Treffen mit Putin soll Getreidedeal retten

    Alle Augen auf Erdogan:Treffen mit Putin soll Getreidedeal retten

    ZDF-Korrespondent Jörg Brase in Ankara
    von Jörg Brase
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    Erneut gibt sich die Türkei als Vermittler zwischen den Konfliktparteien. Verbunden mit dieser Rolle sind vielfache nationale Interessen und der Wunsch, vor dem Westen zu glänzen.

    Russian President Putin and Turkey's President Erdogan meet in Sochi
    Dass sich der türkische Präsident Erdogan mit Putin in Sotschi trifft, weckt große Erwartungen. Doch Russland hat die Hürden hoch gehängt. 04.09.2023 | 1:22 min
    Zuletzt hatten sie sich im Oktober vergangenen Jahres die Hand geschüttelt: Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin. Im kasachischen Astana ging es um eine Annäherung zwischen Syrien und der Türkei und deren Wunsch, einen Teil der über 3,5 Millionen syrischer Flüchtlinge in ihr Heimatland zurück zu schicken. Vermittler in diesem Konflikt ist Russland.
    Für Moskau dagegen ist die Türkei seit Beginn des Ukraine-Krieges die einzige verbliebene Verbindung zum Westen. Erdogan und Putin eint keine Freundschaft, sondern vielseitige gemeinsame Interessen - und Abhängigkeiten. Das Verhältnis ist ein pragmatisches, und die Türkei versteht es dabei, diplomatisch geschickt zwischen den Fronten zu agieren.
    Getreideabkommen: "Hürden hängen hoch"
    Es gäbe Probleme bei dem Getreideabkommen, dennoch sei es aber "ein klares Zeichen, dass die beiden Präsidenten, Putin und Erdoğan, miteinander sprechen", so ZDF-Korrespondent Armin Coerper.04.09.2023 | 2:54 min

    Getreideabkommen hat große Bedeutung für Erdogan

    So tritt Ankara - wenn nötig - als Vertreter russischer Interessen auf. So sagte der türkische Außenminister am vergangenen Donnerstag beim Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Lawrow in Moskau:

    Russland fordert den ungehinderten Export seines eigenen Getreides und seiner Düngemittel. Und wir betonen wie wichtig es ist, diese Forderungen zu erfüllen.

    Hakan Fidan, türkischer Außenminister

    Dort bereiteten die beiden Diplomaten das Treffen ihrer Chefs am heutigen Montag vor. Grundlage ist ein Maßnahmenpaket der Vereinten Nationen, welches das Mitte Juli von Russland aufgekündigte Getreideabkommen wiederbeleben soll - wenn möglich dauerhaft. Für die Türkei hat dieses Abkommen in vielerlei Hinsicht große Bedeutung:
    Putin-Erdogan-Treffen: "Vorsichtig optimistisch"
    "Hinter den Kulissen" hätte man schon "lange verhandelt" und bei einer Einigung würde nur noch "der letzte Satz" daruntergesetzt werden, so der ZDF-Reporter Henner Hebestreit aus der Ukraine.04.09.2023 | 2:55 min

     Ankara fürchtet ein Übergreifen der Spannungen

    "Wir können eine Bombardierung von Häfen und Transportmitteln nicht hinnehmen," meinte Hakan Fidan am Donnerstag in Moskau. Gemeint ist die Ankündigung Moskaus, nach dem Scheitern des letzten Getreideabkommens jedes ukrainische Schiff im Schwarzen Meer ins Visier zu nehmen.
    Sollte es zu einer militärischen Eskalation kommen, fürchtet Ankara ein Übergreifen der Spannungen auf die gesamte Schwarzmeerregion. Das würde türkische Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen massiv gefährden und soll durch einen neuen Getreidedeal verhindert werden.
    Landwirte in der Ukraine
    Bei Saporischschja muss Landwirt Olexandr Sinepolskyi mit den Folgen des Krieges klarkommen.04.09.2023 | 1:56 min

    Türkei als Verteilstation für russisches Gas

    Ein weiteres Thema zwischen den beiden Präsidenten dürften die verschiedenen wirtschaftlichen Kooperationen sein.

    Unsere strategischen Projekte entwickeln sich, vor allem im Energiesektor.

    Sergej Lawrow, russischer Außenminister

    Dies sei die Antriebskraft der russisch-türkischen Beziehungen, so Lawrow weiter.
    Zurzeit bauen russische Firmen an der türkischen Mittelmeerküste das erste Atomkraftwerk des Landes. Zudem wollen beide Länder - über die Gaspipeline Turkstream miteinander verbunden - die Türkei als wichtige Verteilstation für russisches Gas ausbauen. Gleichzeitig profitieren türkische Tourismus-Unternehmen von russischen Gästen.
    Weil sich Ankara nicht an den westlichen Sanktionen beteiligt und seinen Luftraum nicht für russische Flüge gesperrt hat, können russische Touristen problemlos ihren Urlaub an der türkischen Ägäis verbringen.
    Major: Russland spielt "immer noch auf Sieg"
    Ob es bei dem Treffen von Putin und Erdoğan zu einer Lösung kommt, sei "unheimlich schwer vorherzusagen", erklärt Sicherheitsexpertin Claudia Major. Russland würde nur "wenig Bereitschaft" zeigen.04.09.2023 | 5:30 min
     

    Das diplomatische Kunststück Erdogans

    Nicht zuletzt profitiert Ankara auch wirtschaftlich von einer Neuauflage des Getreideabkommens, ist doch ein Großteil des ukrainischen Weizens für die Türkei selbst bestimmt. Ein Punkt bei den Gesprächen wird zudem ein Zusatzabkommen sein, nach dem eine Million Tonnen russisches Getreide in türkischen Mühlen weiterverarbeitet und in Hungerkrisenregionen in Afrika geliefert werden sollen, finanziert von Katar.
    Die Türkei dealt umtriebig mit allen Seiten, liefert Drohnen-Bauteile an Russland und fertige Drohnen an die Ukraine. Erdogan genießt offenbar das Vertrauen sowohl des ukrainischen wie des russischen Präsidenten. Ein diplomatisches Kunststück. Ziel des türkischen Präsidenten ist es, sein Land als Mittelmacht in der Region und der Welt zu neuer Größe zu führen. Als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine hat er sich bereits unersetzlich gemacht.
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